Werden künftig mehr Studien online "bleiben" oder solche Bildungsangebote und Studienelemente verstärkt entwickelt? Diese Frage beschäftigt derzeit Studierende, Lehrende und Hochschulen: "Definitiv", antwortet Stefan Schmid, Experte für digital-innovatives Lehren und Lernen an Hochschulen. "Das verpflichtende Distance Learning aufgrund der Covid-19-Schutzmaßnahmen hat nun alle Institutionen und Lehrenden dazu bewegt - egal wie digitalerfahren oder -affin diese waren -, Lehrveranstaltungen virtuell abzubilden." An vielen Hochschulen gebe es schon jahrelange Expertise und eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema. Aber nun sei die Infrastruktur für den Vollausbau an allen Hochschulen aufgerüstet worden, alle Studierenden sowie Hochschullehrenden machten nun intensive Online-Lernerfahrungen. "Diesbezügliche Ersthürden und Ängste wurden abgebaut. Ich bin mir sicher, dass dieser radikale Schnitt zu einem vermehrten Angebot sowie auch einer intensiveren Nachfrage an Onlinestudien mit keiner oder sehr stark verringerter physischer Präsenz führt."
Virtuelle Lehrangebote spielen in der Zukunft eine wichtige Rolle
Das unterstreicht auch Professor Christoph Stöckmann, Rektor der Privatuniversität Schloss Seeburg und Experte für digitale Innovation und Transformation. "Virtuelle Lehrangebote werden in Zukunft eine höhere Rolle spielen und von Studierenden und anderen aufgrund von Flexibilitätsvorteilen verstärkt nachgefragt werden." Dies gelte aber nur für hochwertige, überzeugende Onlineangebote. Studierende würden durchdachte didaktische Konzepte in der Onlinelehre erkennen und sich entsprechend entscheiden. "Ich beobachte gerade, wie viele ihre Programme in die digitale Welt verlagern. Das überzeugt nicht immer. Aus Erfahrung weiß ich, dass hochqualitative und vor allem interaktive Onlinelehre möglich ist und von Studierenden wertgeschätzt wird." Studierende hätten bereits gefragt, ob die "virtuellen Präsenzen" in Zukunft beibehalten werden könnten.
Onlineangebote hängen vom Studiengang ab
Die Fachhochschule (FH) Salzburg hat ihre Lehre in "sehr kurzer Zeit und in schnellem Tempo" umgestellt. "Selbstverständlich werden wir da und dort einige dieser neuen Formate später in den sogenannten Normalbetrieb übernehmen", sagt Kommunikationschef Sigi Kämmerer. Das sei aber von Studiengang zu Studiengang unterschiedlich machbar und liege in deren Autonomie. "Der Digitalisierungsschub hat einige Vorteile und Neuerungen gebracht, die sowohl bei den Lehrenden als auch bei den Studierenden positiv ankamen und für beide Seiten eine willkommene Abwechslung darstellen." Nichtsdestotrotz wolle man keine "Fern-FH" werden, sondern eine "Präsenz-Hochschule" bleiben, sagt Kämmerer. "Das wäre bei einer angewandten Hochschule auch nicht wirklich sinnvoll. Studieren bedeutet auch die Entwicklung von Social Skills, das soziale Interagieren und das gemeinsame Lösen komplexer Situationen, das interdisziplinäre Zusammenarbeiten."
Digitale Kompetenz von den Lehrenden ist entscheidend
Ist eine quantitative Ausweitung der digitalen Lehre also insgesamt wahrscheinlich, ist die Frage nach der qualitativen Verbesserung der Onlinelehre weniger klar zu beantworten. "Nur weil eine Lehrveranstaltung online gehalten wird, ist sie ja didaktisch noch nicht besser. Eine monotone vierstündige Vorlesung wird auch online vermutlich nicht zu einer Traumlehrveranstaltung für Studierende", kommentiert Stefan Schmid. "Zur Umsetzung digital-innovativer, guter Lehre bzw. für das Schaffen adäquater virtueller Lernräume muss man zunächst einmal die Möglichkeiten und Grenzen der verwendeten Plattformen und Tools kennen. Zudem braucht es auch besondere digitale Kompetenzen beim Aufbereiten von virtuellen Lernräumen bei den Lehrenden." Das Interesse, diese aufzubauen, sei enorm, so Schmid. Zudem böten derzeit alle Hochschulen viele, teils auch intensive Schulungsmaßnahmen an. "Es ist daher davon auszugehen, dass die Qualität des Onlineunterrichts steigt und auch die Studierenden kritischer werden."
An der FH Salzburg gibt es beispielsweise einen E-Learning-Didaktik-Beauftragten, Jorge Zarco Pedraza. "Er hat bereits am dritten Tag nach dem Lockdown die ersten Schulungen durchgeführt", berichtet Sigi Kämmerer. "Mittlerweile haben mehr als 100 Lehrende daran teilgenommen. Weitere Schulungen folgen. Diese umfassen das didaktische Konzept ebenso wie einen Überblick der technischen Möglichkeiten und Werkzeuge. Dazu wurden Video-Tutorials erstellt und zur Verfügung gestellt."
Didaktische Konzepte werden benötigt
Onlinelehre müsse jedenfalls mehr sein als "online gestellte Folien vorzulesen", betont auch Christoph Stöckmann von der Privatuniversität Schloss Seeburg. "Wie in physischen Lehrveranstaltungen sind interaktive Aspekte und Feedback für Studierende wichtig. Hinter hochwertiger Onlinelehre stehen durchdachte didaktische Konzepte. Bei der Welle an umgestalteten Lehrveranstaltungen ist zu erkennen, das kann nicht jeder. Langjährige Erfahrung und der Anspruch, die Onlinelehre stetig weiterzuentwickeln helfen hier, zielführende didaktische Konzepte für die Lehre im virtuellen Raum zur Verfügung stellen zu können." Er ist sich sicher, dass die derzeitige Krise die Gesellschaft in der Digitalisierung "einen großen Schritt nach vorn gebracht" hat. Davon werde man in Zukunft profitieren. Stöckmann: "Sich in einer fortschreitend digitalisierten Welt zurechtzufinden wird in sämtlichen Lebensbereichen - nicht nur der Onlinelehre - immer wichtiger."
Vermehrte online Angebote bei Masterstudiengänge
Die Auswirkungen dieser Veränderungen insbesondere auf Masterstudien werden erheblich sein, wie Stefan Schmid meint. "Gerade hier gibt es bereits zahlreiche Studien, die rein online oder als Blended-Learning-Format angeboten werden. Die Studierenden sind älter und müssen oft viele Dinge unter einen Hut bekommen: Studium, Familie, Job, Freizeit. Daher fordern diese auch eine gewisse zeitliche und örtliche Flexibilität, die durch verstärkte Online-Studienanteile angeboten werden kann." Er geht davon aus, dass nun viele Hochschulen bereit sein werden, ihre Studiengänge gänzlich online anzubieten, aber auch bei berufsbegleitenden Studiengängen die physischen Präsenzphasen zu reduzieren. "Die wenigen Präsenztage in diesem Modell werden dann zu etwas ganz Großartigem, auf das sich Studierende und Lehrende freuen. Man wird im Sinne des sogenannten Flipped-Classroom-Konzepts vieles virtuell vorbereiten und die reduzierte Präsenzzeit für wichtige kooperative und kollaborative Dinge nutzen." Gerade bei den Masterstudien werde ein respektvoller Umgang mit der zeitlichen und örtlichen Flexibilität der Studierenden ein entscheidender Standort- und Studiengangsvorteil werden, betont Schmid.
Auf der Angebotsseite teilt Christoph Stöckmann diese Einschätzung: "Studienprogramme mit einem hohen Anteil digitaler Lehre ermöglichen orts- und zeitunabhängigeres Studieren. Gerade in weiterbildenden Masterstudiengängen wie MBA- oder MAS-Programmen, aber auch in konsekutiven Masterstudiengängen werden Studierende vermehrt Angebote wünschen."