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Besser als ihr Ruf: Österreichs Unis

In einer internationalen Studie belegt das österreichische Hochschulsystem Platz 11 von 50. Zwei Experten verraten wo die Stärken und Schwächen liegen.

Österreichs Universitäten schneiden bei einer Vergleichsstudie gut ab.
Österreichs Universitäten schneiden bei einer Vergleichsstudie gut ab.

Österreich belegt bei einem Vergleich der nationalen Hochschulsysteme von 50 Ländern Platz elf. Auf Platz eins liegen, wie bei praktisch allen anderen vergleichbaren Rankings, die USA, gefolgt von der Schweiz und Großbritannien. Dahinter rangieren die skandinavischen Staaten Schweden, Dänemark und Finnland, noch vor den Niederlanden, Kanada, Singapur und Australien.
Der Ländervergleich wurde im Auftrag des internationalen Netzwerks "Universitas 21" von der Universität Melbourne durchgeführt. Der große Unterschied zu anderen Uni-Rankings: Nicht die einzelne Hochschule, sondern das nationale Hochschulsystem wird bewertet. "Das ist insgesamt sehr zu begrüßen", sagt Antonio Loprieno, Vorsitzender des Wissenschaftsrates, früher Rektor der Uni Basel. "Insbesondere dort, wo es relativ homogene Hochschulsysteme gibt, sind die Ergebnisse aussagekräftig. Das gilt für die meisten kontinentaleuropäischen Systeme.
In den USA oder Großbritannien haben die Systeme hingegen so unterschiedliche Pole, dass ein internationaler Vergleich immer ein bisschen hinkt." Dennoch habe ein Systemranking Vorteile und relativiere "zumindest bis zu einem gewissen Grad das angloamerikanische Paradigma, nach dem in den meisten globalen Einzelrankings gemessen wird."
Hochschulforscher Hans Pechar, emeritierter Professor der Uni Klagenfurt und derzeit im kanadischen Vancouver, analysiert die Hochschulsysteme seit Jahrzehnten. Er betont, dass das neue Ranking "wesentlich robustere Ergebnisse" bringe als Einzelrankings. "Außerdem ist es hochschulpolitisch nur sehr bedingt relevant, ob die Uni Wien im weltweiten Jahresvergleich um einige Plätze besser oder schlechter platziert ist."

Was wurde untersucht?

Untersucht wurden 24 Attribute, zusammengefasst in vier zentrale Kriterien: Ressourcen, Umfeld, Konnektivität und Ergebnisse. Im Detail stehen dahinter Kriterien wie die finanzielle Ausstattung, die Einbindung der Hochschulen in die Gesellschaft (zum Beispiel der Frauenanteil), die Vernetzung mit ausländischen Unis oder die Zahl der Publikationen und die Akademikerarbeitslosigkeit. Am besten schnitt Österreich aufgrund der hohen Anzahl an ausländischen Studenten im Bereich internationale Einbindung ab (Platz zwei hinter der Schweiz). Beim Faktor Ressourcen reichte es für Platz acht, bei den Ergebnissen für Platz 19 und bei der Einbindung in die Gesellschaft nur für Platz 24.

Wie sind die Ergebnisse der österreichischen Universitäten einzuschätzen?

Internationale Einbindung:
"Internationale Einbindung ist sicher eine Stärke in Österreich", betont Antonio Loprieno. "Die Wissenschaft ist auf dem internationalen Parkett zum Beispiel im Bereich hochwertiger Publikationen besser positioniert als manch anderes Land. Allerdings ist bei diesem Kriterium insgesamt auch ein Trick dabei: Österreich und die Schweiz haben einen hohen Anteil an deutschen Studierenden, die als international zählen."
Hans Pechar ergänzt: "Spannend ist, dass sich im Ranking ein Umstand, der hierzulande durchaus als Problem gesehen wird, sehr positiv auswirkt." In Summe sei der Faktor Internationalität in Österreich positiv zu bewerten, es gebe aber aufgrund des beschriebenen Umstands "keinen Grund, sich zurückzulehnen", sagt Loprieno.

Ressourcen und Output:
Ähnliches gelte auch für die beiden Kriterien Ressourcen und Output, sagt Hans Pechar. "Wenn man nur den Blick auf die heimische Diskussion hat, glaubt man schnell, dass das System katastrophal unterfinanziert ist." Das Ranking zeige, dass dem nicht so ist: "Die öffentliche Finanzierung ist sehr gut, da liegen wir im Verhältnis auf US-Niveau. Was es leider kaum gibt, ist die private Zusatzkomponente, die dort viel stärker greift."
Antonio Loprieno meint dazu: "Die Ressourcenlage ist gut - das hat auch mit der Organisation des Studiums in Österreich zu tun: Das Bachelor-Master-System wurde eingeführt, aber die grundlegende fachliche Ausbildung wurde nicht angetastet, sodass es nicht zu einer Konsolidierung kam, sondern zu zusätzlichen Ressourcen. Das alte Diplomstudium zum Magister wurde durch zwei Stufen ersetzt, die meist auch hintereinander absolviert werden."
Hier gebe es viel Aufholbedarf: International sei ein generalistisches Bachelor-Studium üblich, der Master werde nicht direkt danach gemacht und werde auch hinsichtlich der Studienplätze verknappt. "Das würde für uns bedeuten, die Bologna-Reform nicht nur formal, sondern auch inhaltlich umzusetzen - das ist ganz ohne Zweifel ein schwieriger und langwieriger, aber auch ein unbedingt notwendiger Prozess."

Ergebnisse oder Output:
Der verhältnismäßig schwache Platz 19 im Bereich Ergebnisse oder Output sei deshalb zu relativieren. Es brauche nicht weniger Ressourcen, sondern eine Umverteilung und Dynamisierung. Grundlage dafür sind aus Loprienos Sicht tatsächlich formal und inhaltlich getrennte Bachelor- und Masterstudien mit unabhängigen Profilen und Ausrichtungen. Das sei auch näher an der Lebensrealität der jüngeren Generation: "Wir gehen hierzulande immer noch davon aus, dass Studierende im ersten Semester definitive Richtungsentscheidungen für ihre Karrieren treffen können, weil sie bereits vorgebildet und reif aus den Schulen kommen - das ist heute nicht mehr realistisch, zumindest nicht für die Masse."

Ein wichtiger Punkt im Bereich Output sei auch der bislang weitgehend offene Hochschulzugang, der sich an Universitäten auf beide Seiten auswirke, betont Hans Pechar: "Niemand kann glauben, dass dort, wo 200 Studierende auf einen Professor kommen, ein ähnlich guter Output entsteht wie bei guten Betreuungsverhältnissen. Das ist keine tragbare Situation."

Umfeld oder Environment:
Der 24. Platz beim Kriterium Umfeld oder "Environment" ist für den Vorsitzenden des Wissenschaftsrates, Loprieno, leicht erklärt: "Dieser ist ein Spiegel der Gesamtgesellschaft. Vom Grad der Digitalisierung bis zur Globalisierung liegt Österreich im Mittelfeld - die Hochschulen reflektieren das in ihrem Bereich." Das Hochschulsystem dafür verantwortlich zu machen greife eindeutig zu kurz. "Das gilt auch für den Bereich Frauenanteil", sagt Hochschulexperte Hans Pechar. "Wir sind hier auf dem richtigen Weg, aber andere Länder, vor allem im nordischen oder angloamerikanischen Raum, haben einfach viel früher damit begonnen, Akzente zu setzen."

Fazit der Studie

In Summe zeigen sich beide Experten mit dem elften Gesamtrang aber durchaus zufrieden. "Das ist in Ordnung", kommentiert Pechar. Er relativiert aber auch: "Allerdings schneiden kleinere europäische Länder im Ranking generell gut ab. An diesen sollte sich Österreich orientieren - an den skandinavischen Ländern, der Schweiz oder den Niederlanden." Diese seien aus Gründen der systemischen Vergleichbarkeit auch die "relevanten Vergleichsländer". Für Antonio Loprieno ist es wichtig, die Kritik nicht zu übertreiben. "Die Österreicher neigen dazu, ihr System zu kritisieren. Ich darf dazu sagen: Man jammert hier manchmal auf sehr hohem Niveau. Generell haben wir hier ein sehr gutes System, dem Hochschulwesen geht es gut. Aber: Platz fünf oder sechs wäre durchaus realistisch, wenn es gelingt, die Ressourcen zu dynamisieren, zum Beispiel in der Forschung die Mittel noch kompetitiver zu vergeben - nicht nach dem Gießkannenprinzip, wie dies in den Leistungsvereinbarungen mit den Universitäten derzeit der Fall ist. Und vor allem", so Loprieno, "brauchen wir ein Exzellenzprogramm." Gemeint sind spezielle Förderungen für spezielle universitäre Leistungen.

Die Stärken und Schwächen der österreichischen Universitäten

Worum andere uns beneiden und wo unsere Universitäten noch aufholen müssen, erklärt Hans Pecher.

Stärke: Autonomie
"Österreich hat in Sachen Governance einen richtigen Weg beschritten. Als jemand, der auf beiden Seiten gearbeitet hat - sowohl als Beamter im Wissenschaftsministerium als auch als Professor an der Universität -, kenne ich beide Seiten und habe mich immer gewundert, wie lange der Abnabelungsprozess von beiden Seiten gedauert hat: Die beiden Seiten haben ja seit jeher so einige Missgunst füreinander übrig. Jedenfalls ist die Autonomie der Hochschulen wichtig und heute weitgehend vorhanden. Bei den FH wurde sie von vornherein gut eingeführt, bei den Unis nachträglich. Dort muss darauf geachtet werden, dass Einschränkungen der Autonomie abgebaut werden."

Schwäche: Hochschulzugang
"Eine Reform des Hochschulzugangs ist längst überfällig - Studienplatzfinanzierung ist der mühsame, aber richtige Weg. Hätte man diese vor 16 Jahren im Rahmen der Reform des Unigesetzes 2002 gemacht, wäre es viel leichter gewesen. Und: Nach wie vor haben wir in Österreich mehr als 80 Prozent der Studierenden an Forschungsuniversitäten, in den USA ist es genau umgekehrt. Das tut den Studierenden und den Unis nicht gut. Beispielsweise leidet kompetitive Spitzenforschung darunter, außer dort, wo es generell wenige Studierende gibt. Ausnahme sind Bereiche, wo es ganz natürlich wenige Studierende gibt."

Stärke: Freiräume im Studium
"Derzeit gibt es große Freiräume in der Gestaltung des eigenen Studiums. Jeder mit Matura kann rein und mit wenigen Einschränkungen bleiben. Das fördert in vielen Fällen die intellektuelle Bereicherung. Die Schattenseite ist hier, dass mehr Verbindlichkeit im System notwendig ist - es sollte stärker reglementiert werden, ohne das Kind mit dem Bade auszuschütten. Wie das auch Konrad Liessmann fordert, soll das Studium ein Bildungserlebnis sein und bleiben - aber die Freiräume sollten maßvoll eingeschränkt werden. Das Laissez-faire-System der Vergangenheit war lediglich für die wenigen optimal, die hohe Selbstmotivation und -organisation aufwiesen. Für alle anderen- zu vermuten ist, den größeren Teil - wäre eine Limitation der Freiräume sinnvoll. Das bedeutet unter anderem Ausbau der FH-Studienplätze. Schnell wird das alles nicht gehen: Das fundamentale Politikversagen der letzten Jahrzehnte kann und soll man aus Verträglichkeitsgründen nicht schnell, aber zielgerichtet beheben."

Schwäche: Situation akademischer Nachwuchs
"Die Situation des akademischen Nachwuchses in Österreich ist skandalös. Es ist eine Art akademisches Prekariat entstanden - es wird immer schwieriger, stabile Positionen zu bekommen, viele leben über viele Jahre in permanent unsicheren Arbeitssituationen. Das ist ein internationales, kein österreichisches Problem,
das gelöst werden muss. Das Hochschulsystem braucht eine Mischung aus befristeten und unbefristeten Positionen - man soll sich trennen können, aber es darf auch keinen permanenten Automatismus dahingehend geben."


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