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Studienabbruch als Chance

Nur keine Panik. 30 Prozent aller Studierenden schmeißen ihr Studium hin. Manchmal ist das die beste Lösung.

Hans Schuster hat kein Problem damit, wenn man ihn einen Studienabbrecher nennt. "Ich habe ja nicht aus Jux und Tollerei mein Chemiestudium hingeschmissen, sondern weil ich arbeiten musste", erklärt der 28-jährige Innsbrucker und führt aus: Als er noch drei Tage die Woche als Türsteher und dann als Barkeeper in einem Wiener Nachtclub tätig gewesen sei, sei es sich noch ausgegangen, Vorlesungen zu besuchen und für Prüfungen zu lernen. Das habe sich aber geändert, als er im Verkauf zu arbeiten begonnen habe und zuletzt als Filialleiter gearbeitet habe. "Ich komme aus einer typischen Arbeiterfamilie, in der mein Cousin und ich die Ersten waren, die überhaupt maturiert haben. Es war klar, dass ich es selbst finanzieren muss, wenn ich an die Uni gehe", sagt Hans.

Er zählt damit zu jenen rund 30 Prozent der Studierenden, die ihr Studium vorzeitig abgebrochen haben. Das geht aus einer Langzeitbeobachtung von Bachelorstudenten zwischen 2008 und 2015 des Instituts für Höhere Studien (IHS) hervor. Sie ist laut Studienautor Martin Unger noch nicht abgeschlossen. Denn von den Studierenden, die im Wintersemester 2008/09 zu studieren begonnen hatten, waren nach 14 Semestern nach wie vor 14 Prozent inskribiert. "Das Rennen, ob sie abschließen oder abbrechen, ist also noch offen", sagt Unger.

An dem Befund, dass vor allem geisteswissenschaftliche Studienrichtungen und Rechtswissenschaften besonders häufig abgebrochen werden, ändert das aber wohl kaum etwas. Fragt man Peter Piolot, langjährigen Studienberater an der Universität Köln und erfolgreichen Autor, nach dem Grund, meint er, dass der Strukturierungsgrad des Studiums und der Berufsbezug eine wesentliche Rolle beim Studienabbruch spielen. "Es macht sich bezahlt, schon frühzeitig eine Berufsperspektive vor Augen zu haben", schreibt er etwa in seinem jüngsten Buch "Don't panic. Studienabbruch als Chance" (UVK 2016).

Im SN-Interview ergänzt er, dass die Wahl des richtigen Studiums das wohl beste Mittel sei, um einen Studienabbruch zu vermeiden. "In Deutschland kann jeder studieren, wenn er das möchte. Wer jedoch in der Schule Schwierigkeiten in Mathematik hatte, darf sich nicht wundern, wenn er sich später an der Uni in Physik oder Chemie besonders anstrengen muss", sagt er.

Das sieht Peter Engel, der Leiter des ÖH-Beratungszentrums in Salzburg, ähnlich. Er rät seinen Klienten deshalb, niemals ein Studium bloß zu wählen, weil die Eltern es sich wünschen oder weil man glaubt damit gute Jobchancen zu haben. Engel erzählt von einem Schulbesuch vor zwei Wochen. "Als ich den Schülern gesagt habe, sie sollen ein Studium wählen, das ihnen am Herzen liegt, ist ein Aufatmen durch die Klasse gegangen", sagt er. Erfahrungsgemäß sei das Risiko dann auch geringer, im Studium unter- oder überfordert zu sein - ein weiterer Grund für einen Studienabbruch.

Das bestätigt Gertraud Meusburger, die Leiterin der psychologischen Studierendenberatung in Salzburg. "Wer nur eingeschränkt oder gar nicht studierfähig ist, gerät leicht in eine Angstspirale, die zu einer unüberlegten Entscheidung, einem Studienwechsel oder einem Studienabbruch führen kann." Sie betont aber auch, dass das Studium meistens aus einem völlig anderen Grund hingeschmissen wird: wegen einer Erwerbstätigkeit. Laut der Studierenden-Sozialerhebung gingen im Sommersemester 2015 61 Prozent aller Studierenden durchschnittlich knapp zehn Stunden pro Woche einem Job nach. 19 Prozent davon arbeiteten sogar Vollzeit. Dabei ist erwiesen, dass eine Erwerbstätigkeit von mehr als zehn Stunden ein Fortkommen im Studium erschwert. Vor allem ältere Studierende über 30 Jahre arbeiten durchschnittlich mehr. "Das Problem ist, dass ältere Studierende häufig keine Chance auf Beihilfen haben, weil frühere Studienzeiten mitberücksichtigt werden, ganz egal wie lange sie zurückliegen", sagt ÖH-Berater Engel.

Er rät Studierenden nur zum Studienabbruch, wenn es keine andere Möglichkeit gibt. Dann sollte aber rasch eine Entscheidung getroffen werden. "Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende", so Engel. Das sieht Psychologin Meusburger ähnlich, die dazu rät, den Studienabbruch gründlich zu reflektieren. Schließlich müsse man ihn künftigen Arbeitgebern gegenüber rechtfertigen können.

Studienabbrecher Schuster macht sich deshalb keine Sorgen. Er hat sowieso vor, im Herbst wieder zu studieren, sollte er ein Selbsterhalterstipendium bekommen. Allerdings möchte er von Chemie auf Physiotherapie wechseln. Derzeit bereite er sich auf die Aufnahmeprüfung an der Fachhochschule vor. "Ich möchte Menschen helfen", begründet er seine neue Studienwahl.