SN.AT / Leben / Karriere

"Loslassen ist die Lösung"

Keine Kernzeiten, Arbeiten von zu Hause, das Thema Erreichbarkeit. Wie steht es um die Flexibilität in österreichischen Unternehmen?

Home Office wird nur wenigen Mitarbeitern auch wirklich gewährt. Shutterstock/Ralf Geithe
Home Office wird nur wenigen Mitarbeitern auch wirklich gewährt. Shutterstock/Ralf Geithe

Das Thema "Flexibles Arbeiten" ist zurzeit gern in aller Munde - doch wie schaut die aktuelle Lage in Österreich wirklich aus? Ist das Home Office (Arbeiten von daheim) auf dem Vormarsch oder wird doch nur darüber geredet? Und was heißt "Flexibilität" überhaupt - klingt es vielleicht doch besser, als es
eigentlich ist?

Eine neue Studie von Deloitte und den Universitäten Wien und Graz hat das Ganze etwas genauer unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: Trotz der Tatsache, dass fixe Kernzeiten immer mehr an Bedeutung verlieren und Möglichkeiten wie Home Office immer mehr vorkommen, ist die physische Anwesenheit in den heimischen Betrieben nach wie vor gern gesehen. Außerdem gilt, dass ein gewisses Maß an Freiraum und
Autonomie, das durch die Flexibilität entsteht, oft mit hohen Erwartungen in Sachen Erreichbarkeit verbunden ist. Dazu kommt, dass die Grenzen zwischen Arbeits- und
Privatleben immer stärker verschwimmen.

Kernarbeitszeiten und Heimarbeit
Laut der Flexible-Working-Studie 2019 verlieren Kernarbeitszeiten stetig an Bedeutung: In 24 Prozent der heimischen Betriebe arbeitet die Mehrheit ohne Kernzeiten. Setzten vor zwei Jahren noch gut zwei Drittel der Unternehmen auf Gleitzeit mit Kernzeit, tut dies aktuell nur mehr die Hälfte. Gleitzeit ohne fixe Kernzeit wird immer beliebter. "Bereits bei einem Viertel der Unternehmen arbeitet die Mehrheit der Mitarbeiter ohne Kernzeiten. Dadurch wird die Flexibilität vor allem für Mitarbeiter weiter erhöht", sagt Barbara Kellner, Deloitte Österreich.

Der Zwölf-Stunden-Tag in der Gleitzeit ist in 30 Prozent der Unternehmen an der Tagesordnung, weniger weit verbreitet ist hingegen die 30-Stunden-Woche: Bei nur einem Prozent der österreichischen Betriebe ist das tatsächlich gang und gäbe.

Das Arbeiten von zu Hause aus ist ebenfalls Thema in den Unternehmen: 97 Prozent der befragten Betriebe gaben an, dass es diese Möglichkeit bei ihnen gibt. Allerdings klingt das in der Realität schöner, als es ist, denn: Das Home Office wird nur
wenigen Mitarbeitern auch tatsächlich gewährt. Dennoch hat sich die Heimarbeit im Vergleich zu den letzten zwei Jahren mehr als verdoppelt. "Obwohl die Option häufiger angeboten und in Anspruch genommen wird, hat bei 85 Prozent der Unternehmen die physische Anwesenheit im Büro noch immer einen dominanten Stellenwert", erklärt Kellner: "Das wird zum Problem, wenn Anwesenheit mit Leistung gleichgestellt wird. Mitarbeiter trauen sich dann nicht, Home-Office-Angebote wahrzunehmen."

Die Lage in Sachen Heimarbeit wird sich in den nächsten Jahren wahrscheinlich dennoch weiter ändern, da nachkommende Generationen am Arbeitsmarkt mit dem Thema anders umgehen: "Vor allem die jüngeren Generationen erwarten sich diese Möglichkeit vom Arbeitgeber", meint Kellner.

Erreichbarkeit und Vertrauen
Flexibles Arbeiten bedeutet zwangsläufig auch, dass früher oder später die Frage der Erreichbarkeit aufkommen wird. Das ist nicht immer unproblematisch. "Flexibles
Arbeiten kann mehr Freiheit und Autonomie für die Mitarbeiter bringen. Durch hohe Erwartungen an die Erreichbarkeit, gepaart mit fehlenden Grenzen zwischen Job und Privatleben, geht diese Freiheit aber oft wieder verloren", erklärt Bettina Kubicek, Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Graz: "Es braucht deshalb klare Spielregeln, damit die Mitarbeiter auch in der Freizeit abschalten können."

Tatsache ist: Neben der physischen Anwesenheit im Büro spielt die ständige Erreichbarkeit der Mitarbeiter für viele Unternehmen eine wesentliche Rolle. Von 65 Prozent der Führungskräfte wird beispielsweise erwartet, auch in der eigentlich freien Zeit
erreichbar zu sein. Ein Viertel der Betriebe verlangt das zudem auch von den Mitarbeitern.

Und auch mit dem Vertrauen ist das so
eine Sache - geht es um Home Office und Co. setzen immerhin 39 Prozent der befragten Betriebe auf zusätzliche Kontrollmechanismen. "Vertrauen bedeutet, Kontrolle aufzugeben. Im Hinblick auf flexibles Arbeiten versuchen aber manche Unternehmen, durch verschiedenste Maßnahmen wieder mehr Kontrolle zu erlangen", sagt Christian Korunka, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Wien.

Die Lösung lautet nun wie folgt? "Die
Unternehmen müssen das Loslassen lernen und innerhalb eines klar kommunizierten Regelwerks eine gesunde Vertrauenskultur entwickeln. Nur so können sie als zeitgemäße Arbeitgeber attraktiv bleiben", erklärt Korunka.

KOMMENTARE (0)