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Digitalisierung in der österreichischen Erwachsenenbildung:"Es funktioniert ja doch"

Wie hat sich die Umsetzung der Digitalisierung in Bildungsorganisationen durch Corona verändert?

Der vermehrte Alltagsgebrauch digitaler Techniken führte zu grundlegenden Veränderungen in vielen Lebensbereichen.
Der vermehrte Alltagsgebrauch digitaler Techniken führte zu grundlegenden Veränderungen in vielen Lebensbereichen.

Corona hat nicht nur die Arbeits-, sondern auch die Bildungswelt nachhaltig einem Wandel unterzogen. So viel steht fest. "Die Nutzung digitaler Medien prägt den Alltag in zunehmendem Ausmaß, sei es bei der Arbeit, beim Konsum oder in der Freizeit. Auch im Bildungsbereich ist Digitalisierung in den vergangenen Jahren zunehmend zum Thema geworden", sagen Karin Gugitscher und Peter Schlögl. Die beiden haben im Rahmen einer Studie des Instituts für Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung der Universität Klagenfurt und des Österreichischen Instituts für Berufsbildungsforschung in Kooperation mit Conedu unter die Lupe genommen, wie groß der Einfluss des ersten coronabedingten Lockdowns auf die Bildungsorganisationen tatsächlich war. Dafür wurden Erwachsenenbildner befragt, wie sie den Umsetzungsgrad der Digitalisierung vor dem Hintergrund des Lockdowns im März 2020 beurteilen.

Vor, während und nach Corona

Die Digitalisierung war in der Erwachsenenbildung zwar vor Corona angekommen, allerdings waren digitale Medien vergleichsweise noch relativ wenig gebräuchlich und wurden eher punktuell eingesetzt. Im Rahmen der Coronapandemie kam es laut Gugitscher und Schlögl zum vielfach diagnostizierten "Digitalisierungsschub" - auf Lehr- und Lernebene genauso wie auf Organisationsebene. Den Anfang machte zum Beispiel, dass Bildungsveranstaltungen zeitweise nur mehr online durchgeführt wurden.

Festzuhalten ist hierbei, dass sich das Feld der Erwachsenenbildung von den Bildungsbereichen Schule und Hochschule unterscheidet. Und zwar in Bezug "auf den Grad der Verrechtlichung sowie den Grad der gesetzlichen und finanziellen Absicherung und in Folge auch in Bezug auf den Professionalisierungsgrad", so die Forscher.

Die Ergebnisse zeigen, dass mehr als die Hälfte der Praktiker und Organisationsverantwortlichen bis zur Coronapandemie nur bei einzelnen bzw. spezifischen Angeboten digitale Medien nutzte. Fast jeder Fünfte sagte, diese bis dahin gar nicht verwendet zu haben.

Vor Corona wenig Auseinandersetztung mit Digitalisierung

Der Weiterbildung wird im Großen und Ganzen eine eher zögerliche Auseinandersetzung mit der Digitalisierung vor Corona attestiert: "Insgesamt decken sich diese Ergebnisse mit Befunden aus Deutschland, der Schweiz und anderen Befunden aus Österreich", erklären Gugitscher und Schlögl.

Das gilt auch in den unterschiedlichen fachlichen Bereichen der Erwachsenenbildung: Im Feld der beruflichen bzw. betrieblichen Weiterbildung wurden vor der Pandemie digitale Medien so gut wie nicht genutzt - obwohl es sich hier um einen Bereich handelt, der von der digitalen Trans- formation in der Arbeitswelt besonders betroffen ist. In der Gesundheitsbildung und der zielgruppenspezifischen Erwachsenenbildung ist der Anteil der Personen, die vor Corona keine digitalen Medien für die Bildung nutzten, am höchsten. Im Gegensatz zur Basisbildung: Hier zählen digitale Kompetenzen zu den obligatorischen Inhalten.

Während der ersten Coronawelle hat sich viel getan, durch die damals gesetzten Maßnahmen zur Einschränkung der Virusausbreitung war auch die Erwachsenenbildung gezwungen, die vorwiegend in Präsenz durchgeführten Bildungsangebote auszusetzen bzw. auf (Online-)Distanzformate umzumodeln. "Eingespielte Routinen galt es von einem Tag auf den anderen umzustellen, technische Infrastruktur zu adaptieren und Lehr- bzw. Lernsettings digital zu gestal-ten", erläutern die Wissenschafter. Insbesondere wurde vor allem auf Videokonferenztechnologien zurückgegriffen. Erstmalig oder vermehrt kamen Webinare, virtuelle Klassenzimmer sowie Online-Platt- formen zum Einsatz. Online-Barcamps oder Online-Tests waren hingegen kaum von Bedeutung. Bei den Ausbildnern dominierte insgesamt bald die Erfahrung "es funktioniert ja doch".

Im Rahmen dieses "Digitalisierungsschubs" investierte mehr als die Hälfte der Organisationen in Hardware und 71 Prozent in Software, vor allem in Lizenzen.

Veränderungen durch digitale Techniken in der Erwachsenenbildung

"Insgesamt belegen die Ergebnisse der Studie zu den Auswirkungen der Covid-Pandemie in der österreichischen Erwachsenenbildung: ,Es geht mehr digital als angenommen.'", so die Studienautoren. Dennoch ist der erste coronabedingte Lockdown natürlich für die Erwachsenenbildung ebenso unerwartet da gewesen wie für die meisten Lebensbereiche: "Zwar kam das Einsetzen der Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-Pandemie Mitte März (2020, Anm. d. Red.) auch für das Feld der Erwachsenenbildung wie ein Schock und traf insbesondere durch die Einschränkungen sozialer Kontakte ,das Herz der Erwachsenenbildung'", sagen Gugitscher und Schlögl. "Gleichzeitig wurden im Zuge der Pandemie die Einsatzbereitschaft, das Engagement, die Flexibilität und die vorhandenen Kompetenzen der Erwachsenenbildner aktiviert und es kam zu einer Zunahme digitaler Lern- und Interaktionsformen."

Welche positiven Effekte und welche Probleme sind damit einhergegangen? Zusätzliche Kommunikations- und Interaktionsformen wurden zutage befördert, ebenso wurde eine zeitliche und örtliche Flexibilisierung deutlich. Eine zunehmende Digitalisierung bringt allerdings auch Nachteile mit sich wie einen erhöhten Ressourceneinsatz und Bedarf an technischer Infrastruktur sowie Medienkompetenz - vonseiten der Bildungsanbieter und der Teilnehmer. "Deutlich wurden auch Hemmnisse wie unpassende oder fehlende Regelungen und Rahmenbedingungen und die Ausgrenzung von Personen mit sozialen, digitalen und bildungsbezogenen Benachteiligungen, die sich durch eine zunehmende Digitalisierung ohne gezielte Gegenmaßnahmen weiter verschärfen", erklären die Forscher.

Kultur der Digitalität

Festhalten lässt sich, dass der vermehrte Alltagsgebrauch digitaler Techniken zu grundlegenden sozialen und kulturellen Veränderungen führt. Die Rede ist von einer "Kultur der Digitalität", in der sich "angesichts permanenter Kommunikationsmöglichkeiten mittels mobiler Geräte und digitaler Vernetzungsplattformen die Art unserer Beziehungen verändert", meinen Gugitscher und Schlögl. Dazu zählen (wie eingangs erwähnt) auch die Routinen der Arbeitswelt, des Konsums, der Freizeit und ebenso, wie wir als Personen über uns denken. Auf den Punkt gebracht: Digitalisierung betrifft den Kern gemeinschaftlichen Zusammenlebens.

Was heißt das für die Zukunft der Erwachsenenbildung? Gugitscher und Schlögl: "Auf der Systemebene wäre dafür eine Plattform zu schaffen, wo all jene Akteure zusammenarbeiten, deren Wissen, Technologien und Fertigkeiten für die Weiterentwicklung der professionellen Erwachsenenbildung in der digitalen Gesellschaft erforderlich sind."

Fazit: Die Erwachsenenbildung könnte dabei auf den im Zuge der Pandemie erlangten Errungenschaften der Digitalisierung aufbauen.