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Personal Branding - Die Marke Ich in der Arbeitswelt

Was man früher als Reputation bezeichnet hat, nennt sich heute Personal Branding und ist hochaktuell. Doch wie wird man zu einer eigenen Marke?

Persönlichkeit ist wieder gefragt.
Persönlichkeit ist wieder gefragt.

Noch vor drei Jahrzehnten waren die Anforderungen an einen "idealen Mitarbeiter" recht einfach zu benennen. Die meisten Unternehmen waren klar organisiert und wünschten sich Arbeitnehmer, die als Rädchen im Getriebe einfach gut funktionieren und die Gesamtstruktur des Unternehmens möglichst reibungsfrei unterstützen sollten. Wer Karriere machen wollte, für den war Konformismus angesagt: Gute Zeugnisse, Fleiß und Fachwissen waren die besten Voraussetzungen, Auffälligkeiten und Ausreißer im Lebenslauf hingegen weniger. Eine Gegenkultur dazu setzte ab der Mitte der 80er-Jahre mit dem Beginn der digitalen Ära ein. Die Entdeckung und Eroberung der digitalen Welt schuf langsam, aber stetig andere Bedingungen und verlangte nach einem ganz anderen Typus Mitarbeiter als dem, der bisher "gebraucht" worden war.
Einer der ersten und wahrscheinlich bekanntesten Protagonisten dieser Umbruchphase war Steve Jobs, der seine Weltkarriere mit der Gründung eines Start-ups 1976 in einer Garage begann. Seine Geschichte macht besonders deutlich, welcher Art die beginnende Veränderung in der Arbeitswelt war, denn: Gute Zeugnisse, Fleiß, Pünktlichkeit und eine "Eight to five"-Mentalität hätten, weder bei Jobs noch bei seinen Mitarbeitern, ausgereicht, um eine Vision in dieser Größenordnung zu realisieren. Es ging um viel mehr, nämlich darum, große Ziele zu verfolgen und etwas Einzigartiges zu schaffen. Was Pioniere wie der Apple-Gründer erreicht haben, hätte sich vermutlich in starren Top-down-Strukturen nicht entfalten können.

Flexibel, motiviert und teamfähig sollen die Mitarbeiter sein

Nach und nach hat sich der von der IT-Branche ausgehende Geist der Erneuerung auch auf andere Sparten übertragen. Immer stärker haben sich bis heute flache Hierarchien in den Unternehmen durchgesetzt. Arbeitsprozesse, -zeiten und auch -beziehungen sind längst nicht mehr in Stein gemeißelt, als Mitarbeiter sollte man sich in einer Welt der Unsicherheiten gut einzurichten wissen, um zu bestehen. Neben fachlichen Qualifikationen lautet das Gebot der Stunde, Flexibilität, Motivation und Teamfähigkeit mitzubringen.

Individualisierung der Arbeitswelt

Vor allem der Faktor Motivation entscheide heute vielfach über einen positiven Karriereverlauf, sagt Jacqueline Beyer, Geschäftsführerin des AMS Salzburg. "Ganz oben auf der Wunschliste der Unternehmer stehen motivierte Mitarbeiter. Im Gegenzug dazu wird von den Unternehmen viel geboten, um die engagierten Mitarbeiter nicht nur zu gewinnen, sondern auch zu halten." Ein weiterer Faktor seien "individuellen Kompetenzen". Persönliche, unverwechselbare Fähigkeiten und Skills seien in der heutigen Arbeitswelt Vermögenswerte und Erfolgsfaktoren, die es herauszustellen gelte, erklärt die Arbeitsmarktexpertin. "Von den Personalchefs in den Unternehmen erfährt man immer wieder, dass Lebensläufe und Bewerbungsschreiben, die einem vorgefertigten Nullachtfünfzehn-Schema folgen, meist sofort aussortiert werden. Ein Lebenslauf darf und soll besonders sein und die ureigenen Kompetenzen der Arbeitnehmer klar herausstellen." Ressourcen und Stärken bei sich zu entdecken sei aber oft nicht so einfach, erklärt Beyer. "Unter unseren Kunden gibt es viele Menschen, die jahrzehntelang in einen Arbeitsprozess eingebunden waren und in dieser Zeit nie reflektiert oder hinterfragt haben, wo ihre Stärken oder Interessen eigentlich liegen." Gerade das sei aber für die geforderte Motivation von großer Bedeutung, sagt die AMS-Geschäftsführerin. "Wenn die Auseinandersetzung mit einem Fachgebiet oder einem Thema Freude macht und den eigenen Fähigkeiten entspricht, steigert das natürlich die Leistungs- und Lernbereitschaft. Wir wissen heute, dass gerade arbeitssuchende Menschen viel größere Chancen haben, wenn sie sich in einen Selbstreflexionsprozess begeben, um herauszufinden, wo ihre Interessen und Neigungen liegen. Auch seitens des Arbeitsmarktservice sehen wir es als eine unserer Aufgaben, unsere Kunden dabei aktiv zu unterstützen."

Personal Branding - Zur eigenen Marke werden

Individualität ist zu einem Wettbewerbsfaktor am Arbeitsmarkt geworden. Es gilt: Je klarer die eigene Positionierung und je markanter das Profil, desto größer die Chancen in der Arbeitswelt. In diesem Spektrum setzt auch ein Konzept an, das sich Personal Branding nennt und davon ausgeht, dass man in Fragen der persönlichen Positionierung von den Besten, nämlich den großen Marken, lernen kann. Eine einheitliche und allgemein gültige Begriffsbestimmung existiert aber ebenso wenig wie eine praktische Anleitung.
Was hat es nun wirklich auf sich mit dem Personal Branding? Eine Definition, die in diesem Zusammenhang häufig verwendet wird, stammt von Jeff Bezos, dem Gründer von Amazon, der gesagt haben soll: "Deine persönliche Marke ist das, was Menschen über dich sagen, wenn du einen Raum verlässt." Mit anderen Worten: Gute "Personenmarken" bringen die eigenen, markanten Fähigkeiten, Erfahrungen und Geschichten so zum Ausdruck, dass diese von den "Empfängern" auch in gewünschter Weise wahrgenommen werden. So haben wir etwa mit André Heller, Marcel Hirscher und - auch, ja - Richard Lugner ganz klare und konkrete Assoziationen: Wir kennen die Geschichten und Haltungen dieser Menschen, wir kennen und erkennen ihre Marken. Aber ist so ein Konzept auch für Menschen nutzbar, die ganz normale Karriereabsichten verfolgen?

Vertrauen ist besser

Einer, der als systemischer Coach und Story-Worker beruflich viel mit Prozessen rund um Unternehmenskultur, Identitätskonstruktion und Markenbildung befasst ist, ist der Abtenauer Wolfgang Tonninger. Er meint dazu: "Wir leben heute in einer Welt, die sehr ,laut' geworden ist und in der wir permanent mit Informationen überflutet werden. Alles und jeder buhlt unentwegt nach Aufmerksamkeit. In diesem Kontext ist eine Marke sicher etwas, das sich abhebt und deutlich(er) wiedererkannt wird, etwas, das Vertrauen und emotionale Bindung schafft. Ich glaube, dass in uns allen eine gewisse Sehnsucht danach besteht, zu erfahren, wofür Unternehmen oder auch Personen stehen und welche Haltungen oder Werte sie vertreten."

Komponenten für eine gute Marke Ich

Marken werden damit - im besten Fall - zu vertrauensvollen Orientierungspunkten in einer unüberschaubaren und komplexen Welt. Aus welchen Komponenten besteht für den Experten der Wert einer "guten" Marke? Tonninger: "Eine gute Marke ist auf jeden Fall nicht etwas künstlich Etabliertes, sondern trägt in sich einen authentischen, gewachsenen Kern." Aber auch damit müsse man ein bisschen vorsichtig sein, sagt er, denn der ausschließliche Fokus auf Essenz und Kern einer Marke greife zu kurz. Sein Ansatz in diesem Zusammenhang ist ein konstruktivistischer: "Ich glaube daran, dass eine Identität, also auch eine Markenidentität, in einem Wechselspiel zwischen Erfinden und Entdecken entsteht." Dabei gehe es immer um einen gestalterischen Akt. Ein zentrales Element dieses Gestaltens bestehe schon darin, Verantwortung für die eigene Geschichte zu übernehmen. "Sich mit der persönlichen Marke zu beschäftigen bildet einen aktiven Gegenentwurf zu dem passiven Ausgeliefertsein, zu einem ,Ja so bin ich halt, ich kann nix dafür, ich kann mich nicht ändern'-Denken. Wenn Menschen ihre Marke ernst nehmen, dann haben sie bereits einen großen Schritt gemacht, weil sie damit Verantwortung für ihre eigene Lebensgestaltung übernehmen. Sie überlassen das Erzählen ihrer Geschichte nicht den anderen."

Aufbau einer Personal Brand

Die Herausbildung und der seriöse Aufbau einer guten und verlässlichen "Personenmarke" hätten mit exzessiver Selbstdarstellung in sozialen Netzwerken recht wenig zu tun, sagt der Unternehmenscoach. Mit "Likes und Selfies" allein sei der Sache nicht gedient: "Wenn man den Aufbau der eigenen Marke richtig und seriös betreiben will, muss im Fokus stehen, ein authentisches und ehrliches Angebot zu legen." Die "Ich-Marke" solle vor allem anderen eines sein, nämlich echt - keine Hülle, keine Verkaufsverpackung und auch nicht kalkulierendes Eigenmarketing. Die große Herausforderung bestehe vielmehr darin, das eigene Angebot zu entdecken und sich wohlwollend damit auseinanderzusetzen, sagt Tonninger. Und der Weg dorthin? "Dafür gibt es kein Rezept und keine Anleitung, höchstens Orientierungspunkte, denen man nachspüren kann, etwa Situationen oder Begebenheiten im Leben, in denen man besonders ,bei sich' war, die sich richtig angefühlt haben."
Die Suche nach der eigenen Marke ist damit auch immer ein bisschen die Suche nach den eigenen Koordinaten, oder wie Hermann Hesse es einmal formuliert hat: "Der wahre Beruf des Menschen ist, zu sich selbst zu kommen."