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Frauen in IT-Berufen: Wo liegt das Problem?

Neue Theorie der Wirtschaftsuni Wien: Frauenmangel in Tech-Start-ups ist hausgemacht. Es fehlen die Frauen in IT-Berufen - sind Ausbildung und mangelnde Erfahrung daran schuld?

Jung, technikaffin, weiß und männlich - so werden IT-getriebene Start-ups von außen gesehen.

Eine neue Studie der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien hat sich dem Thema gewidmet und zutage gefördert, dass weder die Ausbildung noch mangelnde Erfahrungen daran schuld sind, dass es in Österreich so wenige weibliche IT-Profis gibt.

Sonja Sperber (Department of Strategy and Innovation, WU Wien) und Christian Linder (SKEMA Business School, Paris) zeigen auf, dass die "Überrepräsentation von Männern auf einem selbstreferenziellen Prozess beruht". Soll heißen: Der Status quo prägt die Wahrnehmung des prototypischen Gründertyps. Es wird demnach von außen erwartet, dass Gründungsteams diesem entsprechen - also, wie erwähnt, jung, technikaffin, weiß und männlich sind.

Ein Weg zu mehr Weiblichkeit in der IT

Gerade bei IT-Start-ups spielen die Rollenbilder in den Köpfen der Akteurinnen und Akteure eine Rolle, denn (so die beiden Studienautoren) ihre Geschäftsmodelle sind von größeren Unsicherheiten geprägt als jene von neu gegründeten Unternehmen anderer Branchen. Und Investorinnen, Investoren wollen eventuelle Unsicherheiten auf der Geschäftsmodell-Ebene natürlich ausgleichen: Entspricht ein Team von Gründerinnen und Gründern dem Prototyp und daher ihren Vorstellungen - ist es also überwiegend männlich -, gibt ihnen das größere Sicherheit.

Der Haken an der ganzen Sache ist allerdings, dass von Gründungsteams einerseits erwartet wird, prototypisch zu sein, andererseits sollen sie aber auch so andersartig wie nur möglich auftreten, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Die Studie legt in diesem Fall jedoch nahe, dass sogar Weiblichkeit schon zu weit vom normativen Standard abweicht. Daher kommen Gründerinnen in der IT-Branche meistens gar nicht so weit, dass sie sich beweisen können, weil sie unabhängig von ihrer Ausbildung oder Erfahrung gar keine Chance dazu bekommen. In weiterer Folge fehlen für sie klarerweise auch die finanziellen Mittel durch Investorinnen und Investoren.

Wie können Wege aus der systematischen Bevorzugung männlicher Gründerteams ausschauen? Der Orientierung an Prototypen und dem daraus resultierenden Ungleichgewicht ist nicht allein durch eine bessere Ausbildung oder Förderprogramme für Frauen beizukommen. Sperber und Linder schlagen vor, Nischenmärkte aus der Taufe zu heben, in denen Frauen nicht oder weniger unterrepräsentiert sind. In diesen Märkten hat sich der Prototyp noch nicht so sehr verfestigt, wie es in klassischen männerdominierten Domänen, wie eben der IT, der Fall ist. Die Lösung soll daher sein, "sich nicht auf Konfrontation mit einer gefestigten Wahrnehmung des geltenden IT-Prototyps zu begeben, sondern die langsame, aber effektive Infiltration" zu wählen.

Schlussfolgerung: Der Weg muss wegführen von den klassischen Prototypen, ein Umdenken ist nötig. "Eine Veränderung des ,klassischen' Tech-Prototyps ist daher ein langfristiger Prozess, aber über die sukzessive Anpassung des Typus in den bislang unbesetzten Nischenmärkten durchaus möglich", so Sperber und Linder.

Fokus auf Informationstechnologie nötig

Der Fachverband Unternehmensberatung, Buchhaltung und Informationstechnologie (UBIT) der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) sieht die Lage in Sachen IT-Ausbildung in Österreich etwas kritischer.

"IT-Qualifikationen sind der Erfolgsfaktor für die digitale Transformation", meinte UBIT-Obmann Alfred Harl jüngst bei einem Symposium in Wien, als der Infrastrukturreport 2023 präsentiert wurde. Dafür sind heimische Managerinnen und Manager zu ihren Einschätzungen rund um IT-Themen befragt worden. Die Unzufriedenheit mit der Ausbildung im Bereich Informationstechnologie geht aus dem Infrastrukturreport klar hervor: Nur 36 Prozent der Befragten sind mit der digitalen (Aus-)Bildung in der Alpenrepublik zufrieden.

"Österreich möchte gerne im weltweiten Digitalisierungsmatch mitspielen, aber es fehlen uns die passenden Spielerinnen und Spieler", zeigt sich der UBIT-Obmann überzeugt. Und weiter: "Das ist ein klarer Handlungsauftrag, die digitale Aus- und Weiterbildung gemäß den Bedürfnissen unserer Betriebe weiterzuentwickeln. Nur so ist eine erfolgreiche digitale Transformation möglich, die Wertschöpfung und Arbeitsplätze in Österreich sichert." Das Fehlen von Tausenden IT-Expertinnen und -Experten verursacht laut WKO einen jährlichen Wertschöpfungsverlust von rund 3,8 Milliarden Euro, es schwäche somit den hiesigen Wirtschaftsstandort.

Tatsächlich fehlen in Österreich aktuell gut 24.000 Fachkräfte in der Sparte Informationstechnologie - bis 2025 werden laut Schätzungen der heimischen Wirtschaftskammer sogar 30.000 ITler zu wenig am Arbeitsmarkt vorhanden sein. Das ist nicht zuletzt auf die fehlende Qualität in der Grundausbildung zurückzuführen, ist sich Harl sicher.