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Fälschungen bedrohen die Marken - Wie hoch sind die Verluste?

Wie wichtig der Wert einer Marke ist, kann man an der Beliebtheit von Fälschungen ablesen. Das neue Markenschutzrecht soll diese Marken nun schützen.

Markenware im Bekleidungsbereich wird häufig gefälscht.
Markenware im Bekleidungsbereich wird häufig gefälscht.
Gefälschte Medikamente können für die Anwender fatale Folgen haben.
Gefälschte Medikamente können für die Anwender fatale Folgen haben.

Durch Fälschungen erleiden Hersteller allein in der EU jährlich Einnahmeausfälle von 60 Milliarden Euro. Zu diesem Ergebnis kommt das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO). "Milde Urteile und hohe Kapitalrenditen sind Anreize für kriminelle Banden, sich an Fälschungsaktivitäten zu beteiligen", teilte die EU-Agentur mit Sitz im spanischen Alicante mit. Umgerechnet auf den einzelnen EU-Bürger betragen die Verluste 116 Euro, wobei Österreich überdurchschnittlich betroffen ist. Nach den Schätzungen in dem Bericht belaufen sich die Verluste auf 6,9 Prozent der jährlich in Österreich erwirtschafteten direkten Umsätze. Dies entspricht einem Wert von etwa 1,04 Milliarden Euro oder 121 Euro pro Einwohner Österreichs jährlich.

Die Einnahmeverluste erhöhen sich

Angesichts guter Gewinnaussichten rechnen die Wettbewerbsschützer in Zukunft mit noch höheren Einnahmeverlusten für Hersteller. Bis zu 85 Milliarden Euro könnten den Produzenten durch die Schattenwirtschaft mit Fälschungen entgehen. Während sich die Fälscher professionalisierten, werde auch die Bandbreite gefälschter Produkte größer, hieß es. Aus Verbrauchersicht lieferten unter anderem niedrige Preise und "ein geringer Grad an sozialer Stigmatisierung" Anreize, gefälschte Produkte zu kaufen. Es zeige sich zunehmend, dass Fälscher bereit seien, alle markengeschützten Produkte zu imitieren, nicht nur Luxusgüter.

Die häufigst gefälschten Produkte und Standorte

Insgesamt untersuchten die Wettbewerbsschützer 13 Branchen und die zugehörigen Zulieferketten. Zu den am häufigsten gefälschten Produkten gehören Lederprodukte, Uhren, Schuhe, Parfüm, Kosmetika und Tabakerzeugnisse. Viele der Fälschungen gelangen über Routen aus Albanien, Marokko und der Ukraine in die EU. Ausgehend von einer Studie, die das EUIPO bereits 2016 mit der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) angestrengt hatte, werden unter anderem die chinesische Sonderverwaltungszone Hongkong, China, die Vereinigten Arabischen Emirate und die Türkei als bedeutendste Herkunftsorte für Fälschungen, die die EU erreichen, genannt. Mit Griechenland gehört jedoch auch ein EU-Mitgliedsstaat zu den größten Fälscherstandorten. Zwischen 2011 und 2013 hatten sogenannte schutzrechtsintensive Industrien - also Wirtschaftszweige, die für Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums besonders anfällig sind - laut EUIPO einen Anteil von 42 Prozent an der europäischen Wirtschaftskraft und stellten rund 28 Prozent der Beschäftigten.

Große Herausforderung für den Zoll

Auch eine weitere gemeinsame Studie von EUIPO und OECD von 2019 über den globalen Handel mit Fälschungen ist alarmierend. Demnach legten die Importe in die EU allein in den drei Jahren von 2013 bis 2016 um 36 Milliarden Euro auf 121 Milliarden Euro zu. Seit Jahren weisen diese Institutionen darauf hin, dass Onlinemarktplätze und der damit einhergehende Trend zu mehr Kleinsendungen die Fälschungen immer weiter in die Höhe treiben. Werden nur kleine Pakete verschickt, ist die Chance, dass sie entdeckt werden, geringer. Dies stellt insbesondere den Zoll vor große Herausforderungen. Der Bericht zeigt auch auf: Die Rate der Zollabfertigungen ist insgesamt niedrig. Das hängt wohl damit zusammen, dass die Behörden andere Prioritäten haben. Dazu zählen die Bekämpfung des Waffenhandels und die Eindämmung illegaler Geldtransfers. Bereits im Herbst 2017 hat der deutsche Markenverband im Rahmen von Testkäufen den skandalösen Sachverhalt, dass preisbewusste Verbraucher im Rahmen normaler Einkaufsvorgänge auf großen Onlinemarktplätzen regelmäßig unwissentlich Fälschungen erwerben, öffentlich gemacht.

Der Onlinhandel stellt eine große Gefahr dar

Bei der Marken- und Produktpiraterie handelt es sich um ein wachsendes Phänomen. Dafür ist besonders der Onlinehandel verantwortlich. Auf der Liste der gefälschten Produkte finden sich neben den erwähnten Kategorien auch Kleidung, Handtaschen, Sonnenbrillen und Schmuck. Aber auch bei Ersatzteilen, Batterien und Luxusartikeln finden sich gefälschte Waren. Fälschungen stammen den Angaben zufolge praktisch aus allen Ländern der Welt, wobei China beziehungsweise Hongkong immer noch die größten Ursprungsländer sind.
Der deutsche Markenverband hat deshalb erst kürzlich den europäischen Gesetzgeber aufgefordert, alle nötigen legislativen Maßnahmen zu ergreifen, um Fälschern den Onlinevertrieb zu erschweren und somit besseren Schutz für Verbraucher und Markenrechtsinhaber zu gewährleisten. "Beim Thema terroristische Inhalte oder auch beim Thema Urheberrecht hat die aktuelle EU-Kommission die Plattformen in die Verantwortung genommen, nur der große Bereich Produktfälschungen wurde außen vor gelassen. Hier muss die neue EU-Kommission ab Herbst dringend handeln", sagt Geschäftsführer Christian Köhler. "Die Einführung von erweiterten Sorgfaltspflichten für Onlinemarktplätze ist längst überfällig, denn nur so lassen sich Fälschungsverkäufe über Onlineplattformen deutlich reduzieren."

Gefälschte Waren um 460 Milliarden Euro

Weltweit werden gefälschte und unerlaubt hergestellte Waren im Wert von gut 460 Milliarden Euro gehandelt - allein in der Europäischen Union liegt der Anteil von Fälschungen am Import bei fast sieben Prozent. Das entspricht einem Wert von 121 Milliarden Euro. Den Berechnungen nach ist der Anteil gefälschter Waren am Welthandel seit 2013 um 0,8 Prozentpunkte auf 3,3 Prozent gestiegen. Diese Zunahme fällt in einen Zeitraum, in dem der Welthandel vergleichsweise rückläufig war (2016). Der Anstieg ist laut Studienautoren "mit einem erheblichen potenziellen Risiko für geistiges Eigentum in der wissensbasierten, offenen und globalisierten Wirtschaft verbunden". Vor allem für innovative Unternehmen, deren Geschäft hauptsächlich auf geistigem Eigentum beruht, seien Fälschungen ein Risiko.

Am stärksten von Produktpiraterie betroffen sind Unternehmen, die vornehmlich in OECD-Ländern, wie den USA, Frankreich, Italien, der Schweiz, Deutschland, Großbritannien, Japan oder Korea, angesiedelt sind. Der Handel mit gefälschten Produkten sei sehr dynamisch, "Fälscher suchen aggressiv nach neuen Gewinnmöglichkeiten", heißt es in dem Bericht. Es sei zu beobachten, dass sich Kriminelle neuerdings sogar auf gefälschte Gitarren und Baumaterialien konzentrierten. Werden Produkte wie Kontaktlinsen oder Pharmazeutika gefälscht, kann das negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Käufer und Anwender haben.

Österreich passt das Markenschutzgesetz an

Um die Auswirkungen einzudämmen, werden derzeit auch nationale Gesetze erlassen beziehungsweise verschärft. So hat Österreich heuer das Markenschutzgesetz an neue Technologien angepasst. In Zukunft soll es in Österreich möglich sein, auch neue und unkonventionelle Markenformen registrieren zu lassen. Bisher war es erforderlich, Marken zwingend mit grafischen Mitteln darzustellen. Das ist nun nicht mehr notwendig, es wird durch einen flexiblen Ansatz ersetzt. Die Definition einer Marke soll außerdem offener und moderner werden und sich an die Bedürfnisse des modernen Technologiezeitalters anpassen. Mit den erweiterten zulässigen Darstellungsmöglichkeiten können künftig auch unkonventionelle Markenformen wie zum Beispiel Multimediamarken oder Mustermarken Registerschutz erlangen.

Die Änderung des Markenschutzgesetzes basiert auf einer EU-Richtlinie und ist am 14. Jänner 2019 in Kraft getreten. Ein erster Umsetzungsschritt erfolgte bereits 2017 und betraf etwa die Umstellung für die Berechnung der Schutzdauer einer Marke. Im jetzigen zweiten Teil der Umsetzung stehen die Rechte und Duldungspflichten eines Markeninhabers im Mittelpunkt. Neben neuen absoluten Schutzausschließungsgründen verpflichtet die Richtlinie zur Einführung neuer Widerspruchs- und Löschungsgründe. Sie verändert Zeitpunkte, zu denen bestimmte Nachweise geführt werden müssen, und führt neue Nachweisverpflichtungen als Voraussetzung für die erfolgreiche Durchsetzung einer Marke ein.

Unbenutzte oder nicht schutzfähige Marken sollen nicht mehr wie bisher gegen jüngere Marken durchgesetzt werden können. Umgekehrt soll eine erst nach der Anmeldung erworbene Verkehrsgeltung am Markt nunmehr anerkannt werden, der Markeninhaber wird vor dem Verlust seines andernfalls löschungsreifen Markenrechts bewahrt. Darüber hinaus wird die Übertragung oder eine Lizenz- und Pfandbestellung nicht nur wie bisher üblich bei bereits registrierten Marken, sondern auch schon zu Anmeldungen durch Eintragung in ein Register der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Der Gesetzgeber erwartet sich auch einen Beitrag zur wirksameren Bekämpfung der Produktpiraterie. Ein neues Verbotsrecht soll es einem Markeninhaber erleichtern, offensichtlich rechtsverletzende Waren aus Drittstaaten bei der Ein- und Ausfuhr aufzuhalten. Er muss nicht wie bisher beweisen, dass ein Inverkehrbringen der Waren droht, was nur sehr schwer möglich ist. Künftig wird es daher auch ohne diese Beweispflicht möglich sein, dass die Zollbehörden Waren anhalten, die ohne Zustimmung mit einer Marke gekennzeichnet sind, die mit der für derartige Waren eingetragenen Marke identisch oder im Wesentlichen identisch ist. Der Zurückhaltung dieser Waren kann der Durchführende in der Folge auch widersprechen.
Geändert werden auch jene Bestimmungen, wonach geschützte Zeichen von internationalen Organisationen absoluten Schutz genießen, selbst wenn sie bloß in abgewandelter Form oder als einer von mehreren Bestandteilen in einer Marke aufgenommen werden. Das führe in der Praxis oft zu überschießenden und unbefriedigenden Ergebnissen und weiche sowohl von der deutschen als auch der im Unionsmarkenrecht geübten Praxis ab.
Im Patentamtsgebührengesetz werden die bisher sehr hohen Gebühren an die durchschnittliche Gebührenhöhe im europäischen Vergleich angepasst.