SN.AT / Leben / Karriere

Einfach anders denken - Rollenklischees in der Arbeitswelt

Mädchen wollen Friseurinnen werden, Buben Techniker. Warum halten sich Rollenklischees nur so hartnäckig? Ein Gespräch mit der Psychologin Christiane Spiel.

Warum nicht einmal Handwerkerin werden?
Warum nicht einmal Handwerkerin werden?

Auch wenn tunlichst vermieden wird, dem Mädchen einen rosa Strampler und dem Buben einen hellblauen anzuziehen: Die Farbzuordnung in Form von Klischees begleitet uns ein ganzes Leben lang. Die Bildungspsychologin Christiane Spiel setzt sich mit dem Thema schon lang auseinander.

Frau Spiel, warum halten sich Stereotype, wie Männer, wie Frauen zu sein haben, so hartnäckig? Christiane Spiel: Geschlechterstereotype sind in der Gesellschaft geteilte Meinungen darüber, wie Buben, Mädchen, Männer und Frauen sind und sein sollten; sie enthalten damit auch eine Art Vorschrift. Dadurch entsteht Druck, sich den Stereotypen entsprechend zu verhalten. Es gibt heute kaum noch Eltern, die offen sagen, ihre Töchter in Richtung des traditionellen Frauenbilds erziehen zu wollen, oder ihren Buben erklären, dass Männer keine Schmerzen kennen. Doch subtil und auch häufig unbewusst bestehen diese Vorschriften noch immer. Da darüber kaum gesprochen wird, ist es auch nicht leicht, etwas dagegen zu tun.

Wer spielt in diesem Prozess welche Rolle? Das ist zum einen unsere eigene Sozialisation, das sind Eltern, Großeltern, Lehrerinnen, Lehrer, die als soziale Instanzen wirken, später dann die Peergroups. Wenn einem Mädchen gesagt wird, es sei sozial begabter als ein Bub und dass Mädchen daher auch mit Puppen spielen, verstärkt man diese Stereotype genauso, wie wenn man Buben sagt, sie seien wilder, technikaffiner und müssten deshalb Bausteine zum Spielen bekommen. Kinder, die ja gern gelobt werden und gefallen wollen, nehmen diese Stereotype an und verhalten sich entsprechend.

Vermutlich haben diese Stereotype gar keine wissenschaftliche Basis... Mädchen kommen nicht mit einem rosa Gehirn auf die Welt und Buben mit einem blauen. Sie werden jedoch durch die Sozialisation in diese Richtung gedrängt. Experimente mit rosa und blau angezogenen Säuglingen zeigen, dass die im rosa Strampler eine sanftere Behandlung erfahren als die im blauen. Das setzt sich fort auf den Spielplätzen, wo Mädchen viel mehr behütet werden, vor allem von den Vätern. Buben hingegen werden ermutigt, stark zu sein und sich etwas zu trauen. Oder schauen Sie sich bei Spielzeugen um, hier geht es sehr um Klischees.

… und vor allem gibt es immer mehr Angebote, die klar nach Geschlechtern unterscheiden. Das stimmt, und hier ist die Reaktion der Eltern interessant: Unsere eigenen Studien haben gezeigt, dass Eltern ihre Kinder zwar geschlechtsneutral erziehen wollen, ihnen jedoch trotzdem geschlechterstereotypisches Spielzeug kaufen.

Mit welchen Rollenstereotypen haben eigentlich Männer zu kämpfen? Geschlechterstereotype für Männer sind im Grunde viel enger als die für Frauen. Ein Beispiel dafür ist die Kleidung. Wir Frauen können vom männlichen Hosenanzug bis zum eleganten Kleid alles tragen. Männer sind wesentlich harmonisierter angezogen.
Während ein kleines Mädchen ständig Rückmeldungen hört über ihr Hübschsein, ihr schönes Kleid und andere positive Dinge, ist das bei Buben oft auf ein viel engeres Feld bezogen. Sie werden für ihre Leistungen gelobt oder getadelt, weil sie faul oder schlimm sind, was auch wieder Teil des Klischees ist. Das Klischee "Mädchen sind fleißig" hingegen wirkt auch in der Praxis: Frauen haben öfter Schulabschlüsse, Matura oder Hochschulabschlüsse als Männer. Dieses Stereotyp ermuntert sozusagen Frauen, fleißig zu sein, wogegen für viele Buben gerade in der Pubertät "Streber" ein Schimpfwort ist. Das führt nicht selten dazu, dass junge Männer vor einem erfolgreichen Abschluss das Schulsystem verlassen und Probleme auf dem Arbeitsmarkt haben.

Wie bringt man solche Geschlechterstereotype aus den Köpfen der Menschen? Handlungen, die wir setzen, sind in der Regel so verinnerlicht, dass wir sie nicht mehr reflektieren. Videostudien in naturwissenschaftlichen Unterrichtsfächern etwa zeigen immer wieder, dass Buben öfter drangenommen werden als Mädchen, diese hingegen zu Hilfsdiensten eingeteilt werden, was mit dazu beiträgt, dass das Selbstvertrauen in diesen Fächern bei Buben höher ist als bei Mädchen. Den Lehrkräften wurde das erst bewusst, als man ihnen das Video vorspielte. Erst wenn wir uns des eigenen Verhaltens bewusst sind, können wir Dinge verändern.

Was braucht es dazu? Wir brauchen geschlechtersensiblen Unterricht an den Schulen: Es ist erwiesen, dass durch Sensibilisierung des Themas viele Einschränkungen durch Stereotypen wegfallen, und zwar für beide Geschlechter. Es geht um Offenheit und Reflexion über bestehende Klischees und Modelle jenseits von Stereotypen. Geschlechterstereotype bedeuten immer Einschränkungen - für beide Geschlechter: Buben und Mädchen sollen über ihre spätere Berufswahl frei entscheiden können. Was nichts bringt: einer Frau den Beruf der Lehrerin auszureden oder dem Mann einen technischen.

Dabei handelt es sich oftmals um Jahrhunderte gelebte Traditionen. Kulturell Gelerntes und Überliefertes verändern zu wollen ist sehr schwierig. In einem System kann sich erst etwas verändern, wenn sich möglichst viele daran beteiligen. Wenn wir das System Schule nehmen, wird es wenig bringen, wenn eine einzelne Lehrkraft versucht, geschlechtersensibel zu arbeiten. Hier muss die ganze Schule an einem Strang ziehen, und das über einen längeren Zeitraum hinweg. Bei den Eltern könnte eine Sensibilisierung über das Spielzeug erfolgen - was wird gekauft, warum, bei welchen Spielen bringen sich Mutter oder Vater ein. Töchter können auch Gefallen an Autorennen finden, man muss es ihnen nur anbieten.

Wollen Sie bitte zusammenfassen, was das für die Berufswahl bedeutet? Die Berufswahl soll unter dem Aspekt stehen, dass jeder und jede die Möglichkeit haben soll, sich den Beruf auszusuchen, der Spaß und Freude macht, ohne Einschränkungen durch Stereotype. Wenn eine junge Frau zum hundertsten Mal gefragt wird, wie es ist, eine der wenigen Technikstudentinnen zu sein, und ein junger Mann, warum er denn Elementarpädagoge werden will, dann ist das mühsam. Zentral ist daher die Reflexion über das eigene Verhalten und die Frage, welche Einschränkungen es für andere bringt. Gerade in den ersten Lebensjahren eines Menschen spielt das eine große Rolle.

KOMMENTARE (0)