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Die Arbeitszukunft ist digital

Der IT-Branche fehlen 24.000 Fachkräfte. Wie das Ausbildungsprojekt Step2Coder junge Menschen auf den Geschmack bringt.

Die IT-Branche ist vom Fachkräftemangel besonders betroffen.
Die IT-Branche ist vom Fachkräftemangel besonders betroffen.

"Die Wirtschaft schreit nach IT-Fachkräften. Und es gibt sie: Junge Menschen, die motiviert sind, sich in dem Bereich zu etablieren, und auch das Talent mitbringen", ist Ramona Toth überzeugt. Sie ist die Salzburger Geschäftsfeldleiterin des Vereins zur Förderung von Arbeit und Beschäftigung (FAB). Gerade haben 14 Burschen und junge Männer sowie eine junge Frau den zweiten Durchgang von Step2Coder abgeschlossen - mit Erfolg. Einige haben die Jobzusage bereits in der Tasche. Das Projekt, das der FAB zusammen mit dem Coding Club Salzburg anbietet, bereitet junge Menschen mit Schwierigkeiten bei der Lehrstellensuche und einem Faible für IT-Berufe auf den Einstieg ins Berufsleben vor. "Das Ziel des Projekts ist die Vermittlung in eine Lehre, einen Ausbildungsplatz oder eine verkürzte Lehre über eine Arbeitsstiftung. Dabei hat der Ausbildungsbetrieb weder Kosten noch Aufwand, weil die Beschäftigten über den FAB als Lehrling geführt werden. Die Ausbildung wird auf die Bedürfnisse des Unternehmens hin maßgeschneidert. Auch ein Quereinstieg ist möglich, was gerade für Ältere interessant ist", erläutert Toth. Gefördert wird das Projekt vom AMS.

IT-Fachkräfte händeringend gesucht

Tatsächlich fehlen der IT-Branche österreichweit 24.000 Fachkräfte. Bis 2025 werden es 30.000 sein, schätzt die Wirtschaftskammer Österreich (WKO). Die wenigen top-qualifizierten Fachkräfte können sich die Jobs aussuchen. "Der Personalengpass in der IT hat seine Wurzeln auch in der Ausbildung. Diese wird zurzeit der Herausforderung durch den großen Bedarf an IT-Expertinnen und -Experten nicht gerecht", ist Alfred Harl überzeugt. Er ist Obmann des Fachverbands für Unternehmensberatung, Buchhaltung und Informationstechnologie (UBIT) der WKO. Gerade die Abbruchquote bei den Studien im IT-/IKT-Sektor gebe Anlass zur Sorge. Mit jeweils 43 Prozent an Universitäten wie Fachhochschulen ist diese deutlich höher als in anderen Bachelorfächern. Bei den Masterstudien liegt die Quote mit 51,4 Prozent im Studienjahr 2019/20 sogar noch deutlich darüber. "Das Bild des IT-Berufs muss transparent aufgeschlüsselt und schon für ganz junge Menschen attraktiv beworben werden", fordert Harl daher.

Step2Coder schult fachliche und soziale Kompetenzen

Step2Coder setzt niederschwellig an - aber intensiv. In dem viermonatigen Kurs lernen die Jugendlichen und jungen Erwachsenen 30 Stunden pro Woche die Grundlagen des Codierens kennen, vertiefen sich in Programmiersprachen wie Unity und C-Sharp, beschäftigen sich mit Web-Development, Applikationsentwicklung sowie Netzwerktechnik und -sicherheit. Außerdem stehen Recruiting Days mit Firmen, Bewerbungstraining und Einzelcoachings am Programm.

Hannes Gruber hat den Kurs gerade abgeschlossen. Und er ist begeistert: "Während die Schule sehr theorielastig war, kann man sich hier ganz auf eine Sache konzentrieren. Und die haben wir alle gemeinsam. Das hilft auch dabei, als Team zusammenzufinden. Alle haben verschiedene Stärken, aber alle helfen zusammen. Es ist schön, wenn man als Gruppe ineinandergreift und sich gut ergänzt." Der 18-Jährige möchte nun eine Lehre als Medienfachmann angehen, um sich später auf Videospielentwicklung spezialisieren zu können.

Bild: SN/privat
„Wir planen einen neuen Kurs, speziell für junge Frauen.“ Ramona Toth, Verein zur Förderung von Arbeit und Beschäftigung

Ob so ein Tag konzentrierter Arbeit vor dem Bildschirm nicht müde macht? Nein, sagt Dejan Babic, der Jüngste in der Gruppe: "Ich baue gern Webseiten, deswegen finde ich es auch nicht anstrengend." Für seine Kolleginnen und Kollegen ist der 15-Jährige klar das "Supertalent": "Es hat mich schon lang interessiert, wie Apps entstehen. Und natürlich ist es hart, ins Coden reinzukommen, aber wenn einem jemand hilft, die Anfangshürde zu überwinden, und man sich ein bisschen in die Materie reinlebt, kann man alles lernen."

Fotorealistische 3D-Animationen von Landschaften und Objekten haben es Tobias Franzl angetan. Der 24-Jährige ist ursprünglich gelernter Metalltechniker und Schlossermeister. Wegen einer Erkrankung wechselte er vor vier Jahren in einen Bürojob. "Da habe ich gemerkt, dass ich gern mit Computern arbeite, Projekte plane und visualisiere." Step2Coder hat ihm sein Talent für die Augmented Reality aufgezeigt. Er will nun Computeranimation an einer Fachhochschule studieren und später in die Filmbranche oder den Animationsbereich einsteigen. Die Zusammenarbeit im Team hat er genossen: "Auch wenn wir uns unterscheiden, was das Alter und den kulturellen Hintergrund betrifft: Wir alle wollen dasselbe - einen Job mit Zukunft erlernen."

Neue Angebote starten

Der IT-Fachkräftemangel ist zwar in allen Branchen spürbar, aber er betrifft nicht alle Berufsfelder. Webdesignerinnen und -designer sowie andere IT-Fachkräfte im kreativ-gestalterischen Bereich sind beispielsweise weit weniger gefragt als Fachleute im Full Stack Development, im IT-Projektmanagement, in der Softwareentwicklung oder der IT-Security. Um dem Rechnung zu tragen, entstehen laufend neue Angebote, wie etwa das Bachelorstudium "Artificial Intelligence", das im Herbst an der neuen Fakultät für Digitale und Analytische Wissenschaften der Uni Salzburg startet. Neu ist auch die Coding School 42 Vienna, die auf projektbasiertes Lernen mit spielerischen Elementen setzt und keine Programmierkenntnisse voraussetzt, sondern auf logischem Denken aufbaut. Die Zielgruppe ist breit: vom Lehrling über den Studienabbrecher bis zur Quereinsteigerin.

Und der FAB plant einen neuen Step2Coder-Intensivkurs, speziell für junge Frauen. "Wir haben bemerkt, dass Mädchen gewaltiges Potenzial haben, viele aber überfordert damit sind, dass so viele Burschen im Kurs sind", erklärt Geschäftsfeldleiterin Ramona Toth.

Digitalisierung in Österreich

Die Software- & IT-Branche ist einer der wichtigsten Impulsgeber für die Wirtschaft. Laut Wirtschaftskammer Österreich erzielt keine andere Branche über ein so breites Spektrum an Wirtschaftszweigen eine so hohe Wertschöpfung. Die Branche entwickelt sich sehr schnell. Damit Industrieunternehmen zukunftsfähig bleiben können, müssen sie ressourceneffizienter arbeiten und ihre Flexibilität erhöhen. Modernste industrielle Software und IT liefern die Lösungen, um Produktions- und Geschäftsprozesse zu optimieren. Die Begriffe Digitalisierung und Industrie 4.0 bezeichnen diese zunehmende Verschmelzung von virtueller und realer Fertigungswelt.

Digitalisierung betrifft nicht nur die Industrie, auch der Dienstleistungssektor und die öffentliche Verwaltung sind betroffen. Künstliche Intelligenz und Machine Learning lassen Software dabei in immer weitere Bereiche vordringen. Chatbots beantworten bereits heute Nutzeranfragen und ersetzen viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Callcentern. Kosten ressourcenintensiver Prozesse, die in jedem Unternehmen vorkommen, können durch künstliche Intelligenz drastisch reduziert werden. Vieles von dem, was wir privat und geschäftlich tun, wandert in den Cyberspace. IT-Security gewinnt dabei zunehmend an Bedeutung. Die Blockchain-Technologie könnte die Antwort auf die Frage nach fälschungs- und diebstahlsicheren Daten sein. Im Unterhaltungsbereich bietet Virtual Reality den Nutzerinnen und Nutzern die Möglichkeit, neue Welten zu entdecken. Der Unterhaltungsindustrie öffnen sich dadurch riesige neue Märkte.

Neben künstlicher Intelligenz und IT-Security sind Big Data und Data Science, Automotive und Open Source weitere Trends im Software- und IT-Bereich. Im Bereich Informationstechnologie gingen die Erlöse 2021 im Jahresabstand um 7 Prozent auf 30,8 Milliarden Euro nach oben, wie der UBIT-Radar 2022 zeigt, den die KMU Forschung Austria im Auftrag der Wirtschaftskammer Österreich erstellt hat. 2021 stellten die Unternehmen aus den Bereichen Unternehmensberatung, Buchhaltung und IT (UBIT) 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Ein Problem ist und bleibt aber der Fachkräftemangel.