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Beruf Buchändlerin: Nichts ist stärker als die Leseliebe

Berufsschule statt Hörsaal: Alexandra Grünbart brach ihr Studium ab, um Buchhändlerin zu werden. Eine Spurensuche zwischen Kinderbüchern in Frakturschrift und dem Lesen am Bildschirm.

Alexandra Grünbart widmet sich beruflich ihrer Liebe zu Büchern.
Alexandra Grünbart widmet sich beruflich ihrer Liebe zu Büchern.

Warum studieren, wenn das Herz ganz klar dem Lesen und der Arbeit mit Menschen gehört?

Alexandra Grünbart sitzt in ihrer Lieblingsumgebung - der Leseecke der Buchhandlung LeseTräume im Herzen der Halleiner Altstadt. Die 24-Jährige hat vor etwa eineinhalb Jahren beschlossen, ihr Studium der Alten Geschichte und der Altertumswissenschaften an den Nagel zu hängen, um einen Lehrberuf - den der Buchhändlerin - zu ergreifen. Das wissenschaftliche Arbeiten und das "System Studieren" haben sie nicht begeistern können. Täglich lesefreudige Menschen um sich zu wissen und all die Bücher rundherum - diese Aussicht habe es ihr hingegen sehr wohl angetan.

"Es gibt keinen Bereich meiner Arbeit, den ich nicht spannend finde", erzählt Grünbart und listet ihre Tätigkeiten in der Buchhandlung auf: Morgens die Bestellungen auspacken und prüfen, ob alles geliefert wurde. Die Bücher für die Kundinnen und Kunden herrichten sowie jede neue Order bearbeiten, die hereinkommt. Darauf achten, dass der Laden in Ordnung ist und sich alle wohlfühlen. Dazwischen der Chefin bei Gesprächen gut zuhören und ihr über die Schulter schauen, um sich Wissen anzueignen. Beratung und Verkauf stehen auch auf der Tagesordnung. Und außerdem gilt es, immer wieder die sozialen Kompetenzen zu schleifen, denn: "Ich will wissen, wie ich mich am besten an Leute und ihre Interessen herantaste, damit sie das richtige Buch bei uns finden."

Jaqueline Brabec von "LeseTräume" bildet Lehrlinge aus

Inhaberin der LeseTräume ist Jaqueline Brabec. Die Halleinerin hat selbst Buchhändlerin gelernt, nun bildet sie ihren zweiten Lehrling im eigenen Betrieb aus. Über Grünbart sagt sie: "Sie bringt ziemlich viel Wissen mit, hat super Kompetenzen und kann in der Berufsschule einiges ausklammern - wobei mir das Wichtigste ist, dass sie sich so richtig für das Lesen begeistert."

Damit ist sie bei Alexandra Grünbart an der richtigen Adresse. "Ich komme aus einem Lesehaushalt", sagt sie mit einem Lachen und beginnt in der Leseecke zwischen Kissen sitzend zu berichten, wie die Eltern ihr und ihren Geschwistern früher vorgelesen haben. Jeden Abend. Oder bei schlechtem Wetter. Oder wenn ein Kind krank war. "Dann musste mir meine Mama unbedingt die Geschichte vom Kirschenverkaufen aus Astrid Lindgrens Bullerbü-Buch vorlesen", sagt sie. Sie selbst habe Buch um Buch verschlungen.

Außerdem haben sie und ihre Schwester früh gelernt, Frakturschrift zu lesen. "Wir wollten ja die Kinderbücher von unserer Oma lesen, zum Beispiel die Gulla-Reihe einer schwedischen Autorin. Die war toll! Das ging eben nur, indem wir die Schrift verstanden." Es folgte die Begeisterung für historische Romane, heute dürfen es Krimis und Romane großer Autorinnen wie Isabel Allende sein. Ob Grünbart statt zu einem echten Buch aus Papier auch zu einem E-Book-Reader greifen würde? Sie nickt: "Als Teenager habe ich einen geschenkt bekommen, weil meine Bücher langsam zu viel fürs Gepäck wurden, wenn wir verreist sind. Darauf habe ich die dicken Klassiker mit vielen Seiten gelesen."

Der Handel ist weiblich

In der Buchhandlung arbeiten derzeit drei Frauen. Besitzerin Brabec berichtet, dass das Interesse von Mädchen am Lehrberuf Buchhändlerin merkbar größer sei als das von Burschen. "Klar, der Handel ist allgemein weiblich. Mir ist wichtig, dass der Beruf nicht ausstirbt. Es steckt viel Fachwissen dahinter - über Verlagswesen, Bestellungen, Verkauf, Social Media. Buchhändlerin zu sein ist viel mehr, als nur Bücher in Regale zu stellen", stellt sie klar.

Das Um und Auf für die Halleinerin ist, dass die Menschen mit ihren Wünschen zu ihr kommen und nicht online einkaufen. Klar, es sei praktisch, Bestellungen im Internet aufzugeben. Doch: "Dann darf sich niemand wundern, wenn Geschäfte leer stehen und Arbeitsplätze in der Region weg sind. Seit der Pandemie versenden wir Bücher oder stellen sie zu. Oft sind wir damit schneller als die großen Händler - doch wir haben immer noch den persönlichen Kontakt zu unseren Kundinnen und Kunden. Die spüren, dass wir alles mit Leidenschaft machen." Zwischen Belletristik, Ratgebern und spiritueller Lektüre bleibe genug Raum, um auf Trends zu reagieren, berichtet Brabec. "Es ist fein, dass wir unser Sortiment schnell neu aufstellen können. Wenn Krimis oder Reisen boomen, ist es uns möglich, unabhängig und ohne Vorgaben genau darauf einzugehen."

Diese Strategien kann sich Alexandra Grünbart während ihrer Lehrzeit abschauen. Indes liefert ihr die Berufsschule die theoretischen Grundlagen, etwa über Bestellsysteme oder das Wirtschaftsrechnen, das so völlig anders ist als Mathematik im Gymnasium. Auch wenn Grünbart mit ihren 24 Jahren nicht die jüngste der Berufsschülerinnen ist, so muss sie sich in ganz neue Felder einarbeiten. Unter Teenagern erneut die Schulbank zu drücken hat sie sich anfangs eigenartig vorgestellt. Heute sagt sie: "Wir sind richtig gut zusammengewachsen. Erstaunlicherweise kommen die meisten meiner Kolleginnen vom Gymnasium und sind um die 20 Jahre alt." Also ist sie in ihrer Branche mit ihrer etwas späteren Berufswahl offensichtlich kein Einzelfall.

Schlimmste Frage ist die nach dem Lieblingsbuch

Die schlimmste Frage, die man einer Buchhändlerin stellen könne, sei die Frage nach dem Lieblingsbuch, erklärt Grünbart schließlich und lacht erneut. Also folgt exakt diese Frage. Die Frau, die täglich von Koppl per Zug und Bahn nach Hallein pendelt und dabei am liebsten liest oder Hörbüchern lauscht, antwortet: "Gerade begeistert mich ,Die Unverbesserlichen'. Da kommt es zu verschrobenen Situationen wie einer Leiche zum Dessert. Als Leserin muss ich mitdenken und erst einige Fäden aufwickeln, bis ich zum Kern der Geschichte und damit zum Lösen des Falles vordringe."

Und weil sie durchaus ehrgeizig ist, liegt derzeit "Kains Knochen" auf ihrem Nachttisch - ein Krimi, dessen Seiten falsch nummeriert sind. Damit geht der Auftrag an die Leserinnen und Leser einher, sie richtig zu sortieren. Weltweit ist das erst ganz wenigen Menschen gelungen, obwohl das Buch 1934 erschienen ist. "Jetzt will ich es natürlich wissen und bin selbst am Tüfteln", sagt die angehende Buchhändlerin.