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Studentenleben: Psychische Probleme sind tabu

Professionelle Hilfe gefragt. "Das Leben ist kein Ponyhof", denken sich vermutlich viele Studenten heutzutage. Denn: Es steht nicht sehr gut um die Psyche der heimischen Hochschüler.

Viele Betroffene reden nicht über mentale Schwierigkeiten, um ihr Gesicht zu wahren.
Viele Betroffene reden nicht über mentale Schwierigkeiten, um ihr Gesicht zu wahren.

Hoher Arbeitsaufwand im Studium, Sorgen um die Familie und Einsamkeit - das sind die Probleme, mit denen sich Studenten heutzutage herumschlagen müssen.

Die Coronapandemie machte das Studieren bis zuletzt schwerer - und tat somit ihr Übriges. "Es gibt Jahrgänge, die bereits im vierten Semester sind und noch nie an der Uni waren. Sie kennen kein Studentenleben in dem Sinn", sagt Anton Laireiter, Leiter der Therapieambulanz am Fachbereich Psychologie der Universität Salzburg. Und das in einer schwierigen Phase des Umbruchs, zu der der Studienbeginn in einer (meist) fremden Stadt zählt. "Die Jugend entwickelt in dieser Zeit eine neue Identität, das allein macht vielen zu schaffen", so Laireiter.

Fehlende Lokalbesuche und ausbleibende soziale Kontakte haben diese Dinge zusätzlich erschwert. Corona stellte bis zuletzt eine spezielle Situation dar, wie der Gesundheitspsychologe unterstreicht: "Das Auf-sich-allein-gestellt-Sein, der großteils online durchgeführte Unterricht und sich selbst überlassen zu sein sind große Problembereiche."

Das Ergebnis des aktuellen Mental-Health-Barometers von Instahelp und Studo, für das mehr als 2000 Studenten in Österreich und Deutschland befragt wurden: 40 Prozent der Hochschüler fühlen sich durch die Pandemie stark oder sehr stark in ihrer Studienleistung beeinträchtigt. Das betrifft zum Beispiel das Absolvieren von Prüfungen. Über die Hälfte der befragten Studenten stuft ihre psychische Gesundheit als nicht gut bis schlecht ein.

Die Anforderungen und der Leistungsdruck sind höher geworden

Ein Grund dafür ist das bedeutende Stresslevel, unter dem viele leiden: Der Arbeitsaufwand und die damit einhergehende Überforderung stehen an erster Stelle der Problemliste. Psychotherapeut Laireiter: "Der Leistungsdruck ist heutzutage viel größer als früher. Was die Psychologiestudenten betrifft, kann ich sagen, dass diese sehr starkem Stress ausgesetzt sind."

Für je ein Drittel der Interviewten kommen fehlende soziale Kontakte und psychische Probleme hinzu, gefolgt von herausfordernden Prüfungen (32 Prozent) und Einsamkeit. Unter dem schlechten psychischen Zustand leidet auch die Lebensqualität - diese wird von über 80 Prozent der Befragten ebenso als mittelmäßig bis sehr schlecht eingestuft.

Es liegt auf der Hand: Je schlechter die psychische Gesundheit eingeschätzt wird, desto schlechter schaut es auch mit der Lebensqualität aus. "Diese beiden Bereiche kann man zwar theoretisch unterteilen, es handelt sich jedoch um einen. Natürlich leidet die Lebensqualität, wenn man nicht in der Lage ist, seine Bedürfnisse zu erfüllen, Freunde zu haben und beliebt zu sein", erklärt Laireiter.

Das Thema psychische Gesundheit wird laut den Befragten dennoch gesellschaftlich noch immer tabuisiert. "Viele Betroffene reden nicht über psychische Probleme, um ihr Gesicht zu wahren", meint der Gesundheitspsychologe. Das trifft allerdings nicht nur auf Studenten zu, sondern schaut in der breiten Masse der Bevölkerung so aus. "Die Frage ist: Wird sich diese Tabuisierung jemals ändern?"

Wie betroffene Studierende die Situation handhaben

Laut Umfrage würde ein Großteil der Studenten professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, wenn sie kostenlos wäre. 85 Prozent der Hochschüler sagten, unbedingt oder zumindest manchmal geschulten Beistand in mental schwierigen Phasen nutzen zu wollen. Dass sie keine Hilfe benötigen, glauben 13 Prozent der Interviewten.

Warum nehmen viele Studenten keine professionelle Hilfe in Anspruch? Ist hier ausschließlich der Kostenfaktor schuld? "Ich denke nicht, dass hier die Kosten ausschlaggebend sind. Wesentlich ist der Schritt zu sagen: ,Ich habe ein Problem', und aus der Leugnungsphase herauszugehen", erläutert Laireiter: "Die Betroffenen müssen ihre Probleme zuerst einmal ernst nehmen. Diese dann auch kommunizieren zu können fällt oft schwer."

Schenkt man der Studie Glauben, zählen zu den wichtigsten Ansprechpersonen bei psychischen Problemen in erster Linie Freunde und Familie. Des Weiteren hat Selbsthilfe in Form von Internetrecherche oder Büchern einen hohen Stellenwert.

„Wesentlich ist der Schritt, zu sagen, dass man ein Problem hat.“
Anton Laireiter, Psychotherapeut

Für die meisten Studenten sind körperliche und mentale Gesundheit gleich wichtig. Dennoch steht das geistige Wohlbefinden hintan - lediglich maximal eine Stunde die Woche ist für das psychische Wohl reserviert. Zum Beispiel in Form von Meditation oder psychologischen Gesprächen. Im Gegensatz dazu werden für körperliche Betätigung und soziale Kontakte zwei bis fünf Stunden wöchentlich eingeplant.

Die Grenze der Selbsthilfe bei den Studierenden sei erreicht, meint Instahelp-Geschäftsführerin Bernadette Frech: "Es ist alarmierend, dass Studierende psychisch belastet sind, aber nicht wissen, wie sie sich um ihre mentale Gesundheit kümmern können. Wir brauchen, wie in den Bereichen Ernährung und Fitness, eine verstärkte Bewusstseinsbildung für Mental Health." Und weiter: "Der Hilferuf nach professioneller Unterstützung ist nach den Coronajahren laut."

Psychotherapeut Anton Laireiter dazu: "In anderen Ländern werden Studenten als ernst zu nehmende Größe betrachtet. Und das vor allem auch in Bezug auf ihre Gesundheit. Das vermisse ich in Österreich ein wenig."

Klares Fazit: Die österreichischen Unis sollten sich mehr um die psychische Gesundheit ihrer Studenten kümmern.