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Die Psyche spielt oft am Arbeitsplatz nicht mit

Psychische Erkrankungen am Arbeitsplatz steigen an. Doch viele Mitarbeiter scheuen sich, in der Firma darüber offen zu reden.

Psychische Erkrankungen am Arbeitsplatz nehmen zu. Eine der Ursachen ist die hohe Arbeitsbelastung.
Psychische Erkrankungen am Arbeitsplatz nehmen zu. Eine der Ursachen ist die hohe Arbeitsbelastung.

Die Österreicher verbringen im Durchschnitt jährlich 12,5 Tage im Krankenstand. Der Anteil der psychischen Erkrankungen an allen Krankenstandstagen lag zuletzt bei 9,2 Prozent. Mitte der 90er-Jahre lag dieser Wert noch bei 2,6 Prozent. Zwischen 2000 - 2014 hat sich der Anteil fast verdreifacht. Nun dürfte er in diesem Bereich stabil sein.

Ursachen von psychischen Erkrankungen am Arbeitsplatz

Laut Arbeiterkammer (AK) sind psychische Erkrankungen als Folge von Arbeitsbelastungen auf dem Vormarsch. Um die psychischen Krankmacher in der Arbeit zu erfassen und erstmals deren Kosten für die Gesamtwirtschaft festzumachen, hat die AK eine Studie beim Wirtschaftsforschungsinstitut und der Donauuniversität Krems in Auftrag gegeben. Demnach weisen Beschäftigte ohne arbeitsbedingte Belastungen nur 0,8 Tage krankheitsbedingter Arbeitsausfälle auf, 3,3 Ausfalltage bei psychischen Belastungen am Arbeitsplatz und knapp sechs Ausfalltage, wenn psychische und physische Belastungen zusammentreffen.

32 Prozent aller Neuzugänge in die Berufsunfähigkeits- und Invaliditätspension erfolgen aus psychischen Gründen. Und: Krankenstände aufgrund arbeitsbedingter psychischer Belastungen dauern länger. Die gesamtwirtschaftlichen Kosten belaufen sich auf rund 3, 3 Milliarden Euro jährlich.

Gesundheitliche Probleme steigen

Heute wird die Psyche der Beschäftigten laut AK bei Weitem stärker und intensiver beansprucht als noch vor einigen Jahrzehnten, dementsprechend steigen die gesundheitlichen Probleme. Das gilt insbesondere für Stress, Depressionen oder Angstzustände, aber auch für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, für Kopfschmerzen und Übermüdung, Demenz sowie Infektionskrankheiten. Außerdem führen psychische Belastungen häufig zu physischen Problemen und umgekehrt.

Insbesondere Beschäftigte im personenbezogenen Dienstleistungssektor, allen voran im Gesundheits- und Sozialwesen sowie im Unterrichtswesen leiden in Österreich überdurchschnittlich oft an arbeitsbedingten Beschwerden. Dazu zählen u. a.: Schlafstörungen, chronische Angstzustände, Depressionen, Niedergeschlagenheit oder Erschöpfungszustände. Die AK-Studie zeigt aber auch chronische Krankheiten wie Bluthochdruck und körperliche Schmerzen im Bewegungs- und Stützapparat als Folge von Stress auf.

Psychische Erkrankungen sind nach wie vor ein Tabuthema

Doch im Umgang mit der psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz sind Tabus nach wie vor die Regel, nicht nur hierzulande. Dies bestätigt auch eine Studie der Marktforschungsagentur Opinion Matters im Auftrag des internationalen IT-HR-Service-Anbieters ADP, aus der hervorgeht, dass sich ein Drittel der europäischen Beschäftigten (30 Prozent) nicht wohlfühlt, mit jemandem aus dem Arbeitsumfeld über ein Problem mit der psychischen Gesundheit zu sprechen. Zwei Drittel (66 Prozent) sind der Meinung, dass ihr Arbeitgeber nicht an ihrer psychischen Gesundheit interessiert sei.

In der jährlichen ADP-Studie "The Workforce View in Europe 2019" wird untersucht, wie das Befinden der Mitarbeiter zu aktuellen Themen am Arbeitsplatz und zur Zukunft der Arbeit ist. Steven van Tuijl, Managing Director ADP Germany & Poland: "Zahlen belegen, dass jeder vierte Mensch im Lauf seines Lebens an einer psychischen Erkrankung leidet." Es sei besorgniserregend, wie vielen Mitarbeiter es aber unangenehm sei, sich am Arbeitsplatz offen darüber zu äußern. "Psychische Gesundheitsprobleme sind häufig für Fehlzeiten am Arbeitsplatz verantwortlich und es gibt keinen Grund, warum sie nicht auf dieselbe Weise behandelt werden sollten wie körperliche Krankheiten - nicht als etwas, wofür man sich schämen muss."

Wie Unternehmen mit dem Thema 'Psychische Erkrankungen' umgehen sollen

Die meisten Unternehmen unterstützten ihre erkrankten Mitarbeiter, aber die Kommunikation über dieses Thema sei nicht immer einfach. Ein Anfang könnte sein, mit gutem Beispiel voranzugehen. Wenn die Angestellten bemerken, dass sich leitende Persönlichkeiten in Bezug auf Stress und psychische Konflikte öffnen, kann es ihnen helfen zu verstehen, dass sie dies auch tun können. Es sollte ohnehin ein vorrangiges Ziel für alle Unternehmen, Führungskräfte und Mitarbeiter sein, zu erkennen, dass Arbeit mehr ist als das, was man tut. Tujil: "Es geht darum, für sich und andere etwas Größeres zu erreichen - durch einen offenen Führungsstil und indem man Mitarbeitern hilft, sich bei jeglichen Problemen, mit denen sie kämpfen, sicher zu fühlen. So können Unternehmen eine motivierte, engagierte und starke Belegschaft fördern."

Die Studie zeigt: Während 70 Prozent der Befragten in Europa angaben, dass sie ein psychisches Gesundheitsproblem am Arbeitsplatz offenlegen würden, würde sich die Mehrheit davon nur wohlfühlen, wenn sie es ihren engen Freunden am Arbeitsplatz offenbaren. Im Gegensatz dazu würde es nur ein Fünftel (21 Prozent) ihrem Manager mitteilen, und nur neun Prozent fänden es gut, ihre HR-Abteilung davon zu unterrichten. Die Studie weist jedoch darauf hin, dass sich die Einstellungen bei jüngeren Generationen ändern und sich diese offener über psychische Probleme zu unterhalten scheinen als ihre älteren Kollegen.
Der Unterschied zwischen den Branchen ist groß: Schweigsam in Bezug auf das Thema psychische Erkrankungen sind besonders Arbeitnehmer aus der Fertigungsbranche. Am offensten gegenüber Kollegen sind Beschäftigte im Bereich Kunst & Kultur sowie im Gesundheitswesen mit der Hälfte aller Befragten.