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Wir lernen wirklich ein Leben lang

Immer mehr Österreicher lassen sich weiterbilden. Doch der Trend erfasst nicht alle Schichten gleichermaßen. Und auch zwischen Männern und Frauen gibt es Unterschiede. Ralf Hillebrand

„Wir müssen unbedingt ein Leben lang lernen, um mit den neuesten Entwicklungen Schritt halten zu können“, sagt Bildungsministerin Hammerschmid.Fotolia/Magele-Picture/Ledwinka
„Wir müssen unbedingt ein Leben lang lernen, um mit den neuesten Entwicklungen Schritt halten zu können“, sagt Bildungsministerin Hammerschmid.Fotolia/Magele-Picture/Ledwinka

Die Meldung ging medial beinahe unter. Dabei zeigt sie einen zentralen Trend unserer Zeit auf: Nach einer Erhebung des deutschen Bundesbildungsministeriums hat sich 2016 die Hälfte aller Deutschen zwischen 18 und 64 fortbilden lassen - ein jeder von ihnen hat zumindest an einer Weiterbildungsmaßnahme teilgenommen. Für den deutschen Bildungsmarkt sind die erreichten
50 Prozent beinahe historisch. Bei einem nationalen Bildungsgipfel 2008 wurde eben diese Marke als mittel- bis langfristiges Ziel ausgegeben. Noch kurz vor der Konferenz lag der Anteil bei rund 40 Prozent.

Doch lebenslanges Lernen ist nicht nur in Deutschland auf dem Vormarsch. Auch in Österreich ist der Trend erkennbar, wenngleich die neuen Zahlen aus dem Nachbarland nur schwer mit jenen der heimischen Bildungslandschaft vergleichbar sind. Die Statistik Austria erhebt nämlich lediglich, wer in den vier Wochen vor der jeweiligen Befragung Kurse oder Schulungen besucht hat - und keine Jahresquote. Die Statistik-Austria-Zahlen, 2015 ermittelt, lassen aber erahnen, dass die Jahresquote in Österreich sogar deutlich höher sein könnte als jene in Deutschland: Während sich in Österreich 14,4 Prozent der 25- bis 64-Jährigen in den vier Wochen vor der Befragung weitergebildet haben, waren es in Deutschland lediglich 8,1 Prozent. Und mittlerweile sind es hierzulande sogar 14,9 Prozent. Die von der Europäischen Union ausgegebene Zielmarke liegt übrigens bei 15 Prozent, zu erreichen bis 2020.

Sowohl in Deutschland als auch in Österreich geht der Trend indes stark zur beruflichen Weiterbildung - ein Großteil lässt sich in Bereichen fortbilden, die mit seinem oder ihrem Beruf unmittelbar zu tun haben. Zudem nimmt die Weiterbildungsquote ab einem Alter von rund 50 Jahren deutlich ab. "Weiterbildung lohnt sich aber in jedem Alter", betont die deutsche Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU). Auffällig ist auch, dass sich hierzulande Frauen öfter an Weiterbildungsmaßnahmen beteiligen als Männer. Frauen fällt es aber offenbar schwerer, sich dafür am Arbeitsplatz Zeit und Raum freizuschaufeln: Laut der Statistik-Austria-Erhebung fällt für Männer "der Besuch beruflicher Kurse und Schulungen deutlich häufiger in die Arbeitszeit als für Frauen". 59,7 Prozent stehen 44,3 Prozent gegenüber.

Enormen Einfluss auf die Teilnahme an Weiterbildungsprogrammen hat auch das Bildungsniveau. Bei Hochschulabsolventen ist der Anteil sieben Mal höher als bei Österreichern, die nur einen Pflichtschulabschluss vorweisen können. Bei Frauen ist der Unterschied sogar noch frappierender: 35 Prozent aller Akademikerinnen lassen sich weiterbilden - aber nur 4,1 Prozent aller Frauen mit Pflichtschulabschluss.

Das heimische Bildungsministerium betont, dass man solchen Entwicklungen bewusst gegensteuere. Etwa durch die "Initiative Erwachsenenbildung", die 2012 ins Leben gerufen wurde. Dabei können gering qualifizierte Menschen kostenlos grundlegende Kompetenzen und Bildungsabschlüsse erwerben. Durch neue Zuschüsse sollen zwischen 2018 und 2021 rund 27.000 Österreicher erreicht werden. "Unsere Arbeitswelt, die Technologien, die wir verwenden - alles verändert sich in einem immer rasanteren Tempo. Die Zeiten, in denen wir nach der Ausbildung ein Leben lang die gleiche Tätigkeit ausübten, sind endgültig vorbei", ergänzt Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) auf SN-Anfrage. Deshalb werde man in Zukunft "unbedingt ein Leben lang lernen müssen, um mit den neuesten Entwicklungen Schritt halten zu können". Die ehemalige Rektorin der Veterinärmedizinischen Universität Wien nennt auch ihre persönliche Vita als Beispiel: Sie habe Molekularbiologie studiert, aber seit Jahren nicht mehr in diesem Bereich gearbeitet. "Ich könnte mit meinem aktuellen Wissensstand gar nicht wieder in meinen ursprünglichen Beruf zurückkehren, weil sich dieser Fachbereich in den vergangenen Jahren unglaublich weiterentwickelt hat."