SN.AT / Leben / Karriere

Wenn die Masterarbeit aus fremder Feder stammt

… dann ist das kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat. Dennoch klingt Ghostwriting für manche Studierende verlockend. Gute Betreuung durch Uni und FH kann hier entgegenwirken.

Ghostwriting ist kein Kavaliersdelikt.
Ghostwriting ist kein Kavaliersdelikt.

Faulheit, Hybris, die vermessene Einstellung, dass man sich die Welt kaufen kann - und ein gewisses Maß an Dummheit. Das könnten laut Prof. Gerhard Blechinger, Rektor der FH Salzburg, potenzielle Gründe sein, warum Studenten jemand anderen ihre Seminar- oder Abschlussarbeiten schreiben lassen, statt sie selbst zu verfassen. Zwar sei Ghostwriting an der FH kein häufiges und schon gar nicht flächendeckendes Phänomen - was jedoch nicht heißt, dass das Problem nicht existiert. "Es handelt sich zwar nur um Einzelfälle, aber die sind umso schmerzhafter. Ghostwriting ist ein Betrug, ein Vertrauensmissbrauch. Für den Lehrenden ist es eine sehr bittere und kränkende Erfahrung", schildert Blechinger. Das Schwierige sei, diese "Geisterarbeiten" als solche zu entlarven. Denn während es für Plagiataufdeckung verschiedenste Softwareprogramme gibt, ist Ghostwriting kaum nachweisbar. "Hier ist die Wachsamkeit der Lehrenden gefragt, denn natürlich ist es merkwürdig, wenn durchschnittliche Studierende plötzlich exzellente Arbeiten abliefern", sagt Blechinger. "Bei Abschlussarbeiten wird der Inhalt noch einmal mündlich geprüft, da fällt es auf, wenn der Student keine Ahnung hat von dem, was er geschrieben hat." Anders sei es bei Seminararbeiten, die in der Regel nicht mündlich geprüft werden. "Hier ist die Beweisführung schwer und es gilt ,im Zweifel für den Angeklagten'. Da liegt der Hund begraben, das muss man einfach so sagen", resümiert der FH-Rektor.

"„Die Studenten betrügen ja nicht nur uns, sondern auch sich.“"
Gerhard Blechinger, FH-Rektor

Der Universität Salzburg sei aktuell kein einziger Fall von Ghostwriting bekannt, sagt Günter Wageneder, Leiter des Qualitätsmanagements der Universität. Zumindest nicht offiziell. "Natürlich kann es sein, dass es die eine oder andere Trickserei gibt, also dass sich Studierende beim Verfassen der Arbeit in gewissen Bereichen helfen lassen. Das wird man fast nicht verhindern können. Aber im großen Stil ist uns das nicht bekannt." Wageneder führt das u. a. auf die gute Betreuung an der Uni Salzburg zurück: "Wenn es zwischen Lehrendem und Studierendem regelmäßigen Kontakt und Austausch über den Fortschritt der Arbeit gibt, dann würde ein Betrugsversuch wie Ghostwriting sicherlich auffallen." Hier läge die Verantwortung bei den Lehrenden, die sich dieser Thematik laut Wageneder auch bewusst sind.

Bei Fächern mit hoher Studentenanzahl sei engmaschige Betreuung eine große Herausforderung. Daher setze die Universität zusätzlich auf Aufklärung der Studenten und auf die Vermittlung, wie korrekt wissenschaftlich gearbeitet wird.

Per Gesetz verboten

Wenn jemand seine wissenschaftliche Arbeit von einer anderen Person schreiben lässt und sie als seine eigene ausgibt, ist das Betrug und somit strafbar. Ob der Bruder geholfen hat, der Nachbar oder ein professioneller Ghostwriter, spielt keine Rolle. Ebenso wenig ob dafür Geld bezahlt wurde oder nicht.

Bis 2021 konnte nur der Auftraggeber rechtlich für diese Tat belangt werden. Mit der Novellierung des Universitätsgesetzes hat sich dies geändert: Der Paragraf 116 a regelt nun, dass auch der Ghostwriter selbst für seine Tätigkeit belangt werden kann. Bei professioneller Tätigkeit drohen gar bis zu 60.000 Euro Geldstrafe. Dennoch scheint es an professionellen Anbietern in Österreich nicht zu mangeln, wie die Recherche im Internet zeigt. Zahlreiche Agenturen haben sich auf das Verfassen von wissenschaftlichen Artikeln, Seminar- und Masterarbeiten und anderen akademischen Texten spezialisiert und bieten diese gegen Bezahlung an. Eine der größten Agenturen im deutschsprachigen Raum ist AcadWrite. Seit 18 Jahren bietet die Agentur mit mittlerweile über 400 Ghostwritern ihre Dienste an, laut Firmenwebsite wurden bisher über 24.000 Projekte erfolgreich umgesetzt. Die Agentur scheint gefragt zu sein, wie die elfminütige Wartezeit in der Telefonwarteschleife verdeutlicht. Nur mit der Presse, mit der möchten sie nicht reden, lässt eine Mitarbeiterin wissen.

Etwas auskunftsfreudiger ist die Agentur WirSchreiben, die auf ihrer gleichnamigen Website mit "Hochwertigem Ghostwriting für akademische Texte aller Art" wirbt. Seit 2019 auf dem Markt, erfreue sie sich guter Nachfrage, der Kundenstamm wachse ständig. Daher umfasse der Autorenpool derzeit 410 Experten aus verschiedensten Fachrichtungen. "Viele unserer Kunden müssen arbeiten und haben deshalb nicht genug Zeit zum Lernen. Sie kaufen die Zeit sozusagen", sagt Teamleiterin Mathilda Sussman. "Manche machen sich Sorgen um ihre Note und greifen daher auf professionelle Ghostwriter zurück." Rechtlich gesehen gebe es mit ihrer Tätigkeit kein Problem: "Wir bieten nur Musterarbeiten und Vorlagen an, die zum Verfassen einer eigenen Arbeit dienen. Die Abgabe an einer Universität liegt im Ermessen des Kunden und nicht in unserem Einflussbereich."

"„Konsequenzen sind temporärer Univerweis oder Titelentzug.“"
Eva Korus, ÖAWI-Mitarbeiterin

Diese Vorgehensweise ist Eva Korus ein Dorn im Auge. Sie ist Koordinatorin der Kommissionsangelegenheiten der Österreichischen Agentur für wissenschaftliche Integrität (ÖAWI), die ihr Wissen im Sinne der Bewusstseinsbildung sowie der Prävention gegen inakzeptable wissenschaftliche Praktiken zur Verfügung stellt. Da Korus eng mit den Hochschulen zusammenarbeitet, ist sie mit Phänomenen wie Plagiaten und Ghostwriting vertraut. "Auch wenn Ghostwriting als wissenschaftliches Fehlverhalten selten gemeldet wird, klar ist: Lokal blüht das Auftragsgeschäft unter Studierenden und Absolventen, Ghostwriter-Agenturen bedienen die restliche Nachfrage", sagt die Expertin. "Erschütternderweise ist meist weder beim Auftraggeber noch beim Ausführenden ein Unrechtsbewusstsein vorhanden."

Die Gesetzesnovelle von 2021 begrüßt sie zwar, sieht in ihr aber nicht die Lösung des Problems: "Einbruch ist auch per Gesetz verboten und wird trotzdem begangen. Wer betrügen will, der zieht das durch." Zum Beispiel indem er auf globaler Ebene aktiv wird: "In Kenia beispielsweise ist Ghostwriting ein florierendes Geschäft. Daher dürfte es auch eine recht hohe Dunkelziffer bei Ghostwriting-Delikten geben."

Eva Korus setzt eher auf Prävention, also auf Aufklärung, Unterstützung (etwa mit Schreibtrainings) und Sensibilisierung von Studierenden und Lehrenden. "Die Themen Ethik und Moral dürfen in der akademischen Welt nicht zu kurz kommen. Da sind die Hochschulen gefordert."

Analysetool wird weiterentwickelt

Hoffnung legt sie zudem in die Weiterentwicklung der stilometrischen Analyse, die Texte statistisch auf gewisse Merkmale gleicher Autorenschaft untersucht. "Das heißt, mehrere Werke eines Autors werden verglichen, um herauszufinden, ob sie wirklich vom gleichen Verfasser stammen", erklärt Korus. "Leider gibt es so ein Programm - noch - nicht für den flächendeckenden professionellen Einsatz im deutschen Sprachraum. Aber eines Tages ist es so weit und dann ist die akademische Integrität wieder ein Stück mehr gesichert."