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Beruflich neu durchstarten: Einmal Umsteigen, bitte!

Aylin Sari hat den Schritt gewagt und eine Ausbildung in einem "männerdominierten" Beruf gemacht.

Aylin Sari hat ihren Lehrabschluss als Hörgeräteakustikerin seit 2019 in der Tasche.
Aylin Sari hat ihren Lehrabschluss als Hörgeräteakustikerin seit 2019 in der Tasche.

Aylin Sari hat umgeschult. Seit Mai letzten Jahres hat die heute 29-jährige ihren Lehrabschluss als Hörgeräteakustikerin in der Tasche. 18 Monate hat die Ausbildung gedauert, die Sari mit Unterstützung des AMS direkt bei ihrem neuen Arbeitgeber Hartlauer in Zell am See absolviert hat. Davor war die gebürtige Zellerin im Einzelhandel, genauer gesagt in der Textil- und Sportartikelbranche, tätig. Nach einem Arbeitsunfall konnte sie diese Tätigkeit nicht mehr ausüben und wurde arbeitslos.


Heute ist die junge Frau überzeugt, dass sie mit dem Bandscheibenvorfall Glück im Unglück hatte. Denn beim AMS wurde sie auf das FiT-Programm aufmerksam gemacht, das Frauen eine Ausbildung in den - ansonsten männerdominierten - Bereichen Handwerk und Technik ermöglichen soll.

Auf die Idee, in den Beruf des Hörgeräteakustikers hineinzuschnuppern, kam Aylin Sari selbst und auch den Kontakt zur Firma Hartlauer hat die junge Frau selbst hergestellt. Eine wirkliche Vorstellung davon, was ein Hörgeräteakustiker eigentlich macht, hatte Sari zu diesem Zeitpunkt noch nicht, doch nach dem Schnuppern war sie sich sicher, dass genau dieser der richtige Beruf für sie wäre. Auch die Autorin dieser Zeilen musste ihr Unwissen eingestehen und zog Wikipedia zurate. Dort heißt es: "Hörgeräteakustiker […] ist die Berufsbezeichnung für einen Handwerker, der Hörgeräte individuell anpasst und wartet. Hörakustiker führen u. a. Hörtests durch, beraten Kunden bei der Auswahl von Hörhilfen, stellen Otoplastiken her und nehmen die fachgerechte, individuelle Anpassung von Hörsystemen vor." Nun kennen wir uns aus.

Was aber war es, das Aylin Sari so sicher machte, den richtigen Beruf gefunden zu haben? Auf diese Frage folgt eine kleine Geschichte: "Als ich zum ersten Mal bei Hartlauer allein im Akustikraum - einem komplett schalldichten Raum - war, kam ein älterer Mann herein, der an der Grenze zur Taubheit stand. Nachdem ich sein Hörgerät neu eingestellt und ihm wiedergegeben habe, hat er mir ein Lächeln geschenkt. Einfach nur ein Lächeln. Das war wohl das Ausschlaggebende an dieser Situation."

Es kommt häufig vor, dass Sari im täglichen Umgang mit den Kunden vor allem mit der Dankbarkeit und der Warmherzigkeit der Menschen belohnt wird, denen sie quasi zu "neuem Gehör" verholfen hat. "Oft ist es einfach dieses kleine Dankeschön, das man im normalen Verkauf nicht bekommt", fühlt sich die junge Frau in der Wahl ihres neuen Berufs bestätigt. Für viele Betroffene ist das Thema "Schwerhörigkeit" kein leichtes und oftmals auch mit Scham besetzt. Darum braucht es für den Beruf als Hörgeräteakustiker viel Geduld und Einfühlungsvermögen. "In unserem Beruf muss man das Vertrauen der Menschen gewinnen und manchmal auch ein bisschen psychologisch tätig sein", sagt Sari. Vor allem wenn sich ein Kunde stark gegen ein Hörgerät wehre, müsse man einfühlsam vorgehen und Vertrauen schaffen. "Wenn man das einmal schafft, kommt der Kunde immer wieder und ist glücklich."

Das gegenseitige Vertrauensverhältnis sei vor allem auch deshalb so wichtig, weil man die Kunden ja über viele Jahre begleite. Ähnlich wie bei einem Arzt, meint Sari, den würden die Menschen auch nicht so einfach wechseln, sofern sie mit ihm zufrieden seien. Aber: "Wenn man das Vertrauen der Kundschaft einmal verliert, dann kommt der Kunde auch nie wieder."

Auf die enge und persönliche Kundenbindung wie auch auf die Tatsache, dass Hörgeräteakustiker in der Region sehr gefragt seien, vertraute die Zellerin auch während der schwierigen Monate des Corona-Lockdowns. "Plötzlich durften die Geschäfte nicht mehr aufsperren und wir konnten nicht mehr in die Arbeit gehen. Das war eine harte Zeit", erinnert sie sich. "Wir haben die ganzen Hörgeräte da liegen gehabt und ich habe mir vor allem Sorgen und Gedanken gemacht, was die armen Leute nun ohne ihr Hörgerät machen sollen." Schlimm sei das gewesen, nicht mehr ins Geschäft zu dürfen und den Menschen, die man bereits ins Herz geschlossen habe, nicht helfen zu können. Angst um ihren Arbeitsplatz hatte Aylin Sari dennoch nicht, vonseiten des Unternehmens seien die Mitarbeiter stets beruhigt worden, auch Kündigungen standen nie im Raum.

Bereut hat Aylin Sari ihre Ausbildung zur Hörgeräteakustikerin noch keine Sekunde. Im Gegenteil, jeden Tag sei sie froh, in die Arbeit gehen und etwas Neues erleben zu dürfen. "Ich bin dem AMS unendlich dankbar, dass es mir die Umschulung zur Hörgeräteakustikerin ermöglicht hat", betont die 29-jährige und ist überzeugt, dass ohne die Unterstützung durch das AMS eine neue Ausbildung kaum möglich gewesen sei. Vor allem aus finanzieller Sicht. Diverse Fortbildungen, Kurse und Praktika, um schneller in den Job reinzukommen - das AMS stand immer unterstützend an der Seite der jungen Frau. "Das AMS ist da nicht so, dass es sagt, ich mach das nicht, ich unterstütze das nicht, das AMS sagt zu Ihnen: ,Wenn Sie willig sind, machen Sie und wir unterstützen Sie.'" Auch das FiT-Programm möchte Sari allen Frauen, die über eine Aus- oder Weiterbildung nachdenken, ans Herz legen. "Ich kann das wirklich jedem empfehlen. Denn was die Männer schaffen, können die Frauen genauso schaffen, das kann ich garantieren!"