SN.AT / Leben / Karriere

2. Bildungsweg: Studieren nach der Lehre

Eine Akademikerkarriere kann auch mit einer Lehre beginnen. Welche Vorteile Studienberechtigungsprüfung und Lehre mit Matura bringen.

Wer wieder in Bücher schauen und maturieren will, hat mehrere Möglichkeiten.
Wer wieder in Bücher schauen und maturieren will, hat mehrere Möglichkeiten.

Aus dem Lernen kommt Nico Schwaiger derzeit kaum heraus. Nächste Woche steht seine Lehrabschlussprüfung zum Logistiker bevor. Am 24. August will er zum Aufnahmstest der Universität Salzburg für Psychologie antreten, eine von vielen in- und ausländischen Maturantinnen und Maturanten angepeilte Studienrichtung. So wälzt der 24-Jährige Woche für Woche Bücher, um seine Lernziele zu erreichen.

Lehre mit Matura

Dabei war ihm das Lernen noch vor wenigen Jahren gar keine Freude. "Ich habe das BORG am Anfang der achten Klasse abgebrochen. Damals war ich ein bisschen faul und hatte überhaupt keine Motivation mehr zu lernen. Jetzt schaut das aber ganz anders aus", schildert der Salzburger. Seinen Elan fand er als Lehrling wieder. Nach dem Zivildienst stieß er auf eine Stellenanzeige und begann beim Speditionsunternehmen Lagermax Salzburg eine Lehre zum Speditionskaufmann. "Ich wollte mein Schulwissen nicht verschwenden und deshalb die Matura nachholen. Einige Englischkurse hatte ich schon am WIFI Salzburg belegt, als unsere Lehrlingsbeauftragte in der Arbeit fragte, wen es interessieren würde, Lehre mit Matura zu machen", so Schwaiger. Er war nicht allein. Gemeinsam mit 14 Lehrlingen der Firma absolvierte er die vergangenen drei Jahre Stück für Stück die nötigen Kurse, und das in einer eigenen Lagermax-Klasse.

Finanzierung mit Stipendium

Im Mai 2021 hatte er seine Matura in der Tasche. Anfangs sei es schon hart gewesen, nach einem Arbeitstag noch ein bis zwei Mal pro Woche bis 22 Uhr Unterricht zu haben. Dazu kam das Lernen zu Hause abends und am Wochenende. Doch eine Lehre mit Matura sei schon machbar, findet Schwaiger heute. Auch dass er weiterhin sein Lehrlingseinkommen hatte, die Matura für ihn kostenlos war und ihn sein Arbeitgeber unterstützt hat, findet er gut, betont der baldige Student. Immerhin kommt er dem Unternehmen bald abhanden, weil er an die Universität wechselt. "Aber wer weiß, wo es mich hinverschlägt. In der Personalabteilung sind ja auch Leute, die Psychologie studiert haben", meint er. Und warum gerade Psychologie? Schwaiger: "Es war eines der wenigen Fächer, die mich in der Schule interessiert haben, und bietet viele Möglichkeiten zu arbeiten." Sollte er bei dem Massentest nicht durchkommen, werde er zum Notfallplan greifen und Englisch zu studieren beginnen - um nächstes Jahr wieder in Psychologie anzutreten. Ein Selbsterhalterstipendium in Höhe von rund 800 Euro wird Schwaiger in beiden Fällen erhalten und so eine finanzielle Basis haben. "Gemeinsam mit Studentenjobs wird sich das ausgehen. Meine Freundin und ich teilen uns eine günstige Wohnung und haben noch keine Kinder. Sonst würde es anders aussehen."

Studienberechtigungsprüfung

Lehre mit Matura berechtigt Absolventinnen und Absolventen zur freien Wahl ihrer Studienfächer. Auch Thomas Hager hatte schon damit begonnen, sich für die Berufsreifeprüfung (so die Bezeichnung der Erwachsenenmatura für Nicht-Lehrlinge) vorzubereiten. Anders als für den Lehrling Schwaiger wären für ihn die vollen Kosten von mehr als 3200 Euro angefallen, da seine Lehre schon etliche Jahre zurücklag. "Fünf Semester neben meiner Arbeit abends Kurse zu besuchen war mir dann auch zu langwierig und anstrengend", schildert der gelernte Kommunikationstechniker. Er fand einen für ihn passenderen Weg, nämlich die Studienberechtigungsprüfung, die er am BFI Salzburg absolvierte. "Die Studienberechtigungsprüfung ist um etwa die Hälfte günstiger und auf meine Bedürfnisse zugeschnitten. Ich wusste genau, was ich wollte", so der Techniker.

Bild: SN/privat
„Mir fehlten für einen Aufstieg gewisse Grundlagen.“ Thomas Hager, IT-Student

Mit Anfang 30 habe er bemerkt, dass Hauptschule, polytechnischer Lehrgang und Lehrausbildung ihm zwar eine solide Basis für seine Arbeit boten, dass aber etwas fehlte. Thomas Hager: "Gewisse Grundlagen von IT-Systemen fehlen mir für einen beruflichen Aufstieg. Das sah ich auch in Stellenanzeigen. Ich dachte, der beste Weg in diese Richtung ist ein IT-Studium." Zu lernen gab es wie für Nico Schwaiger auch für Thomas Hager viel. Er absolvierte die nötigen Kurse in Mathematik, Deutsch und Englisch. An zwei bis drei Abenden pro Woche baute er auf sein Hauptschulwissen auf. Hager: "Neu für mich waren in Mathematik Integralrechnung, Matrizen, komplexe Zahlen und Vektoren. Was ich in der Schulzeit auch nicht durchgenommen habe, waren Texterörterungen und das Recherchieren für Texte." Ein Zusatzfach benötigte er wegen seiner Berufserfahrung nicht. Eine Umstellung sei es schon gewesen, sich wieder hinzusetzen und zu lernen, sagt der Salzburger. Oft seien es die Wochenenden gewesen, die mit Lernen ausgefüllt worden seien.

Bereitschaft viel Freizeit zu opfern

Jetzt, ein Jahr später ist Thomas Hager IT-Student. Eben hat er sein zweites Semester abgeschlossen. Viel Freizeit bleibt ihm weiterhin nicht. Er studiert berufsbegleitend. Um sein Pensum bewältigen zu können, reduzierte er seine Arbeitszeit von 38,5 auf 34 Stunden pro Woche. "Empfohlen wäre es, halbtags zu arbeiten. So viele Stunden Präsenzzeit sind, so viele muss man auch ins Selbststudium investieren", schildert Hager. Er verbringt die Freitage von mittags bis abends und samstags ganztags an der FH, insgesamt knapp 20 Stunden wöchentlich. "Im kommenden Herbstsemester ist besonders viel zu lernen. Mein Arbeitgeber lässt mich für diese Zeit auf 24 Stunden reduzieren." Hager freut sich über mehr Lernzeit. Sein Studium dauert noch zwei Jahre. Danach möchte der Salzburger die gelernte Technik weiterhin innerhalb der Salzburg AG anwenden können, dann allerdings in einer besseren technischen Position oder mittelfristig als Führungskraft. Gebraucht wird er mit seinen neu erworbenen Kompetenzen: "Gerade Telekom und IT werden sehr ausgebaut und viele Leute gesucht. Mir bieten sich im Haus fünf verschiedene Abteilungen an."

Zahlen & Fakten

Im Schuljahr 2020/21 zählte das WIFI Salzburg rund 380 Maturanten inklusive Maturanten im System Lehre mit Matura. Seit 1997 haben 5287 Personen die Berufsreifeprüfung abgelegt. Die Studienberechtigungsprüfung am BFI ermöglicht einen eingeschränkten Zugang zu Universitäten, Hochschulen, Fachhochschulen und Kollegs. Interessierte müssen sich vorab für eine von insgesamt 16 Studienrichtungsgruppen entscheiden.