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Wohlfühlfaktor Büro

Mit der Psychologie der Raumgestaltung in die neue Arbeitswelt: Wie Büros zu Orten werden, wo Wirgefühl entsteht, Werte gelebt werden und Teams Neues schaffen.

Bereiche für Besprechungen, Bereiche fürs konzentriertes Arbeiten: Das moderne Büro muss alle Stückln spielen.
Bereiche für Besprechungen, Bereiche fürs konzentriertes Arbeiten: Das moderne Büro muss alle Stückln spielen.

Mit der Coronakrise als Beschleunigerin setzen sich neue Arbeitsmodelle durch. Remote Work ist längst ein Teil unserer Arbeitswelt geworden. Und auch das Büro wandelt sich. Zum Ort für reale zwischenmenschliche Beziehungen und gelebte Unternehmenskultur. Wie Betriebe Räume so gestalten können, dass sich die Belegschaft darin wohlfühlt und produktiv arbeitet - analog wie digital? Das verrät die in Österreich und Spanien tätige Organisationsentwicklerin und Trainerin Caroline Seitz.

Warum ist es so wichtig, psychologische Aspekte in der Gestaltung von Büroräumen mitzubedenken? Caroline Seitz: Wir halten uns einen Großteil unserer Zeit in Räumen auf. Sie alle beeinflussen unsere körperliche und psychische Befindlichkeit. Belastungen durch Schad- und Giftstoffe, ungünstige Klimatisierung oder Elektrosmog können krank machen.

Herkömmlich gestaltete Büroarbeitsplätze verhindern oft eine kreative Entfaltung. Ob Telefonate, Computerarbeit, Teambesprechungen, konzentriertes Arbeiten - die Gestaltung der Räume sollte all das bestmöglich unterstützen. Der Erfolg hängt jedoch nicht nur von einem entsprechend gestalteten Arbeitsumfeld ab, sondern auch von der richtigen Nutzung der Umgebung und der Unternehmenskultur.

Bild: SN/privat
Wer sich als Teil des Ganzen fühlt, entwickelt eine aktive Haltung.
Caroline Seitz, Organisationsentwicklerin und Trainerin

Wie profitieren Betriebe von bestmöglich gestalteten Büros? Ein Betrieb, der sich seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aussuchen möchte, darf gesundheitsrelevante Aspekte nicht vernachlässigen. Wenn Organisationen sich auf die Effizienz eines Gebäudes konzentrieren und Beschäftigte als Mittel zum Output betrachten, führt das nachweislich zu Burn-out und chronischen Krankheiten. Menschenzentrierte Arbeitsplätze mit den richtigen "weichen Faktoren" können sich positiv auf die Leistungsfähigkeit und Motivation auswirken und gleichzeitig Fehlzeiten verringern.

Was können Unternehmen von Start-ups lernen? Start-up-Culture bringt nicht nur neue Strategien der Zusammenarbeit und schafft Innovationen, sie verändert auch das Büro. Es wird zum Ort, an dem Neues entsteht und das Miteinander gelebt wird. Und wer sich im physischen Raum verbunden fühlt, der kann auch gut im digitalen zusammenarbeiten. Das Büro der Zukunft ist also auch ein Ort, an dem realer und digitaler Raum einander ergänzen und wo sich Kolleginnen und Kollegen unkompliziert mit Teammitgliedern im Homeoffice verbinden können.

Ihre Tipps für die Gestaltung von Großraumbüros? Die räumliche Qualität ist geprägt durch eine Vielzahl von Einflussfaktoren, die den Menschen sowohl psychisch als auch physisch beeinflussen, etwa Licht, Farbe, Geruch und Orientierung. Dies gilt auch für die Temperatur, denn Frauen empfinden Kälte schneller als Männer.

Die zentrale Frage ist, wie man durch die Gestaltung - und damit ist auch die Gestaltung von Arbeitsprozessen gemeint - Wohlbefinden und Leistung in Balance halten kann. Das eine bedingt das andere.

Wie würde so eine Gestaltung etwa durch Licht und Farben aussehen? Je nach Nutzung gibt es Empfehlungen. Hat man ungenügendes Licht, wird man beim Arbeiten schneller müde. Kaltes Licht stimuliert wach machend, wird aber oft als unangenehm erlebt.

Auch farblich kann man einiges tun, um das Erleben positiv zu beeinflussen. Räume mit warmen Farben werden beispielsweise auch als wärmer erlebt, Räume mit kalten Farben kühler. Weiße Wände sind oft zu neutral und können sogar blenden, was in Produktionshallen mit eigenen Messverfahren eruiert wird.

Nicht zu unterschätzen ist die Lautstärke. Wie können wir im Großraumbüro konzentriert arbeiten, trotz Gesprächen und Tastaturklackern? Ich unterscheide hier die generellen Möglichkeiten von den individuellen. Neben schalldämpfenden Maßnahmen - wie Teppichen oder Deckensegeln, einer entsprechenden technischen Ausstattung -, die einem Großraumbüro und einem Activity-Based-Working-Konzept entsprechen, sollten Beschäftigte auch die Möglichkeit haben, ihre Arbeitsabläufe selbst zu gestalten. Menschen, die sensibler auf Geräusche reagieren, sollten Maßnahmen an die Hand bekommen, wie sie sich gut in ihrem Umfeld organisieren und selbstbestimmt variieren können. Etwa durch Ruhezonen, die Möglichkeit, Musik zu hören oder auf andere Arbeitsplätze auszuweichen.

Pro Tag sollten wir 30 Prozent der Arbeit stehend tun. Ihre Tipps? Stehungen statt Sitzungen, Walking-Talking-Besprechungen, höhenverstellbare Schreibtische und die entsprechende Kultur, die uns als ganzheitlich betrachtet. Ein bewegter Geist wohnt ihn einem bewegten Körper. Das weiß vor allem die Kreativbranche.

Wie wichtig sind Bereiche, in denen man zwischendurch das Hirn auslüften kann? Sehr wichtig. Arbeitszyklen, nach denen immer wieder kurze Pausen stattfinden, haben sich nicht nur wissenschaftlich als effizient erwiesen. Ein Overload führt zu Müdigkeit und Fehleranfälligkeit. Spitzensportlerinnen und -sportler wissen, dass nach jeder Anstrengung eine Pause notwendig ist. Nur durch Regeneration ist Leistung erst möglich und ausbaubar.

Sind Beschäftigte, die ihre Büroumgebung mitgestalten, zufriedener? Ja. Mitbestimmung ist ein Faktor, der nicht nur zufriedener macht, sondern dafür sorgt, dass Menschen sich einbringen wollen. Wer mitgestaltet und sich somit als Teil des Ganzen erlebt, entwickelt eine aktive Haltung.