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Wo liegt der Sinn in meiner Arbeit? Lösungen für Sinnkrisen

Die Coronakrise erhöhte den Arbeitsdruck und verminderte das Feedback von Kollegen. Viele, insbesondere weibliche, Führungskräfte erleben eine Sinnkrise. Was dagegen hilft.

Die Coronapandemie stellt vor allem viele Frauen vor die Sinnhaftigkeitsfrage ihres Jobs.
Die Coronapandemie stellt vor allem viele Frauen vor die Sinnhaftigkeitsfrage ihres Jobs.

Die Leiterin der Marketingabteilung eines österreichischen Unternehmens hat nicht mehr die kreativen Möglichkeiten, die sie vor der Coronapandemie gehabt hat. Auch empfindet sie die Kontrolle seitens der Unternehmensleitung als gestiegen. Sie muss jetzt ständig Zahlen liefern und hat das Gefühl: "Das ist nicht mehr der Job, den ich machen wollte." Die Filialleiterin eines Handelsbetriebs steigt mitten in der Coronakrise zur Regionalmanagerin auf. Der Umsatzdruck ist wegen der Verluste in der Lockdown-Zeit enorm. Sie möchte ihren früheren Kolleginnen beistehen, doch dafür bleibt wegen der Krise und der neuen Aufgabe keine Zeit. Die Managerin fragt sich: "Wie viel Sinn hat meine Arbeit eigentlich?"

Sinnkrisen betreffen verstärkt Frauen in Führungspositionen

Das sind zwei typische Beispiele von Klientinnen, die Coachin Patrizia Tonin zur Zeit vermehrt aufsuchen. Die Managerinnen zweifeln am Sinn ihrer Arbeit. Solch einen Sinnverlust erleben derzeit verstärkt Frauen in Führungspositionen. Die Wienerin Tonin berichtet als Vorstandsmitglied der Österreichischen Vereinigung für Supervision und Coaching (ÖVS), dass diese Erfahrung auch ihre ÖVS-Kolleginnen und -Kollegen in ganz Österreich machen.

Welche Faktoren sind dafür verantwortlich?

Zur Sinnkrise führen mehrere Faktoren. Zu dem durch die Wirtschaftskrise ausgelösten starken Umsatzdruck kommt, dass kreatives Arbeiten, aber auch Fortbildungen aus Kostengründen und dergleichen gestrichen werden. Weil viele Prozesse umgestellt worden sind, ist auch die Arbeitslast auf viele Führungskräfte generell gestiegen. Managerinnen mit Kindern sind besonders belastet. Tonin: "Meistens müssen sie das meiste zu Hause auf sich nehmen, speziell wenn Schulen Klassen schließen und ihre Kinder ins Homeschooling geschickt werden."

Negativ wirkt sich auch der fehlende soziale Kontakt im Homeoffice aus. Viele Managerinnen kämen jetzt drauf, wie wichtig das soziale Miteinander sei. "Das klassische Pausengeschehen und informelle Gespräche fallen jetzt weg. Die füttern normalerweise den Sinn, den die eigene Arbeit hat. Es gibt kaum Feedback. Die Führungskräfte müssen entscheiden, jeder für sich allein", so die Supervisorin. Managerinnen bemühten sich überdies stark um ihre Teams, in ihrem eigenen Stress fange sie aber niemand auf. Viele seien daher jetzt am Sprung. Bei vielen habe die Sinnkrise, die oft mit 40, 45 Jahren einsetze, durch Corona früher begonnen.

Was will ich überhaupt machen?

Was hilft nun gegen die Sinnkrise? Die Coachin hat einige Tipps für Führungskräfte. Um wieder Sinn in seiner Arbeit zu sehen, ist es nötig, sich ein Bild über die eigenen Wünsche zu machen:

  • Was will ich machen?
  • Welche Arbeitsbereiche machen mir Freude und geben mir Energie?
  • Worauf bin ich bis jetzt stolz gewesen?

"Auf das fokussieren, was geht", präzisiert Patrizia Tonin. Steht das Bild, ist es Zeit, die Umsetzung im Unternehmen anzustoßen und klarzustellen, was es diesem bringt.

Funktion von Person trennen

Führungskräfte haben spezielle Aufgaben, an ihre Rolle werden gewisse Erwartungen gestellt. Tonin rät, sich klarzumachen: "Diese Entscheidung musste ich als Führungskraft treffen." Sie empfiehlt, sich von der Aufgabe abzugrenzen und transparent zu kommunizieren - auch, dass man nicht alles sofort entscheiden kann.

Nachfragen, wie es den anderen geht - Jour fixe mit Befindlichkeitsrunde

Sinnvoll ist es, Kolleginnen und Kollegen auf derselben Ebene in das Thema "Sinn meiner Arbeit" einzubinden. Was man früher nach einer Sitzung informell miteinander besprochen hat, lässt sich beispielsweise nach der Videokonferenz per Handy machen. Oder man schlägt eine Befindlichkeitsrunde beim nächsten Jour fixe vor. Austausch tut gut. Wer sich nicht gleich mit seinen eigenen Erfahrungen "outen" will, kann ja auch fragen: "Wie geht es dir eigentlich?"

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