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Willkommen im Corona Club

Wer nicht innoviert, verliert, gerade in Zeiten wie diesen. Wie ein Veranstaltungstechniker das Wohnzimmerkonzert neu erfand und wie es der Kreativbranche geht.

Tun was man liebt: Das ist das Prinzip der Kreativbranche.
Tun was man liebt: Das ist das Prinzip der Kreativbranche.

Für Musiker heißt es dieser Tage: Bitte warten. Genauso für die Dienstleister, die hier dranhängen, Konzertveranstalter und Veranstaltungstechniker. Peter Schlacher aus Graz versorgt mit seinem Unternehmen Bands und Veranstaltungen mit technischem Equipment und Instrumenten. Bis mindestens Ende des Jahres wird er beschäftigungslos sein, rechnet er. Weil er auch Proberäume an Bands vermietet, suchte er eine Lösung, wie weiterhin Konzerte veranstaltet werden können.

Die Lösung fand Peter Schlacher beim Zoomen mit seiner Schwester, die in den USA lebt. Heraus kam der "Corona Club": In seinen Proberäumen treten Bands auf, Schlacher und sein Team filmen das mit mehreren Kameras mit (Schlacher hat dazu einen neuen Gewerbeschein, seinen dritten, lösen müssen), das Konzert wird über Zoom live in die Wohnzimmer derer übertragen, die gegen eine kleine Spende eingeloggt sind. Weil er einen interaktiven Charakter haben wollte, ist im Studio, gegenüber der Band, eine große Leinwand aufgestellt, auf der die Musiker die Menschen daheim sehen und mit ihnen interagieren können. Hundert "Wohnzimmer" können teilnehmen, die 25 aktivsten Fans sind auf der Publikumsleinwand zu sehen und so mit der Band in Kontakt. Der Corona Club zeigt jeden Samstag eine andere Band (diesen Samstag die Swingband Marina and the Kats), verschiedene Bars haben bereits ihr Interesse gezeigt, drei in Graz sind schon fix dabei. Schlacher möchte mit seiner Plattform nun national durchstarten.

Jeder Zehnte ist Kreativarbeiter

Doch kreatives Potenzial ist nicht per Knopfdruck abrufbar. Wie geht es der Branche? Zur Kreativwirtschaft gehören in Österreich immerhin 43.921 Unternehmen, sie hat damit einen Anteil von 10,8 Prozent an der Gesamtwirtschaft, 157.000 Menschen sind beschäftigt, überwiegend Ein-Personen-Unternehmen. Laut Wirtschaftskammerzuordnung zählen dazu die Branchen Architektur, Design, Musik, Buch und künstlerische Tätigkeit, Radio & TV, Software & Games, Verlage, Video & Film und Werbung. Groß ist in der Branche nun die Sorge, dass aus Einsparungsgründen auf deren Lösungskompetenz und Innovationskraft verzichtet wird. Das Worst-Case-Szenario: Wenn die Kreativwirtschaft durch die Krise wirtschaftlich untergeht, steht sie auch nicht als Motor des Neustarts für die Wirtschaft zur Verfügung. Die Sorge ist groß: Immerhin rechnen laut Umfrage des European Creative Network zwei von drei Befragten mit einem Umsatzrückgang von bis zu einem Drittel.

Digitale Lösungen gefragt wie nie zuvor

Existenzängste hat jedenfalls Patrick Edelmayr von der Werbeagentur Elements nicht: Der Lockdown habe gezeigt, dass die Digitalisierung von Prozessen eine absolute Notwendigkeit sei und damit auch viele Unternehmen gerettet wurden, Stichwort Webshops und Onlineauftritte. Edelmayr glaubt, dass dafür künftig eher mehr Geld ausgegeben werden wird. Seine Mitarbeiter waren zuletzt gut ausgelastet, Arbeit bot vor allem der E-Commerce-Bereich. Was Edelmayr aus der Krise mitgenommen hat? "Die letzten Wochen haben uns zu noch mehr Tempo bei der Organisationsentwicklung gezwungen, der ohnehin schon hohe Flexibilitätsgrad ist weiter gestiegen." Und man weiß nun besser als zuvor, welche Termine virtuell und welche Face to Face stattfinden müssen und wann Homeoffice einen wirklichen Mehrwert bringt und wann nicht.

Coworking Salzburg bleibt stark

Romy Sigl vom Coworking Place in Salzburg klopft auf Holz, nur einer ihrer über 40 Mieter hat sich aus dem kreativen Großraumbüro verabschiedet. Die anderen trafen sich während des Lockdowns virtuell, daraus ist sogar eine neue Plattform entstanden, in der sich Kreative und Start-ups online austauschen können. Sigls Mieter sind vor allem im Bereich Digitalisierung und Arbeitsvermittlung samt Potenzialentfaltung tätig, auch dort ist im Digitalbereich die Nachfrage gestiegen. Sigl und ihre Mieter sind sich einig: Die Maßnahmen der Regierung seien zu kompliziert gewesen, gerade EPUs bräuchten andere Strategien. Wenn Geld geflossen sei, dann oft direkt an den Steuerberater.

Der Schritt in die Selbstständigkeit sei immer ein Schritt in das eigene Risiko, das, soweit wie nur möglich, einkalkuliert werden müsse, betont Romy Sigl, wenn es auch schwierig bis unmöglich sei, Corona und ähnliche Krisen im Vorfeld in Preise oder Stundensätze einzurechnen. Die Forderung der Coworkerin in dieser Stunde ist: "Wir brauchen ein Grundeinkommen, das zusätzliche eigene Leistungen belohnt, anstelle einer Mindestsicherung, die bei zusätzlicher Leistung entzogen wird." Sie hofft, dass mit den Erfahrungen der letzten Wochen die Diskussion über ein Grundeinkommen, fernab von Ideologien und Schubladen, endlich zustande kommt.

Schmiede-Festival findet statt

Rüdiger Wassibauer von der Schmiede in Hallein zeigt sich in Zweckoptimismus. Das diesjährige Festival für Kreative im September, die Schmiede20, findet statt, wird aber auf internationales Publikum wie bisher verzichten müssen. Man setzt dafür auf Menschen aus der Medien-Kunst-Welt aus dem In- und angrenzenden Ausland. Dazu wurde das Budget, das die Öffentliche Hand zur Verfügung stellt, umgeschichtet, die Reisekosten, die sonst an internationale Teilnehmer ausgezahlt werden, verwendet man in diesem Jahr für Stipendien. Auf diesem "Playground of ideas" auf der Pernerinsel erarbeiten Künstler aus der ganzen Welt seit zehn Jahren gemeinsam neue Ideen, die nicht selten zur Firmengründung führen. Von den Durchführungsbedingungen her sei man jedenfalls "save": Das Gelände sei groß genug, um die Sicherheitsvorkehrungen für die rund 200 Teilnehmer gewährleisten zu können. Die aktuelle Situation soll zudem zum Anlass genommen werden, das Festivalprogramm auf die Stadt auszudehnen, als Mehrwert für Hallein und das Land Salzburg. Natürlich nutzt man selbst auch die Zeit und Gelegenheit, um für die Schmiede Neues zu finden.

Alles in allem bemühe man sich, in der ohnehin schon aufgewühlten Zeit ein Stück Normalität zu schaffen, betont Rüdiger Wassibauer. Für ihn zeigt sich aktuell auch ein neuer, eher skurriler Aspekt von Kunst: Wenn Kunst ansonsten Normalität gern auf den Kopf stellt, ist ihre Aufgabe nun, dafür zu sorgen, dass Normalität einkehrt. Dass in all der Unsicherheit Kreative nun mehr in Angestelltenverhältnisse streben, glaubt übrigens keiner der Befragten so richtig.