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Wie gelingt Führung im Homeoffice?

Hybrides Arbeiten wird bleiben, doch viele Führungskräfte scheuen es. Führen durch Kontrolle ist passé.

Wie die Meinungsforschungsinstitute IFES und SORA im Rahmen des aktuellen Arbeitsklimaindex herausfanden, tun sich viele Führungskräfte mit Homeoffice schwer. "Besonders jene in einer Sandwichposition, die Abteilungen oder Teams leiten, gerieten unter Druck. 36 Prozent klagen über Zeitdruck, je 28 Prozent über Arbeitsdruck und psychische Belastung durch die Arbeit", so Meinungsforscher Daniel Schönherr jüngst zu den Ergebnissen. Eine Ursache dafür ist, dass Führen durch Kontrolle im Homeoffice nicht mehr geht. Jetzt ist Vertrauen angesagt. Diese Art der Führung will in vielen Betrieben erst gelernt werden.

"Neue Währung Vertrauen"

In Beraterkreisen ist von der "neuen Währung Vertrauen" die Rede. Wer auf Distanz führen will, braucht das Vertrauen seiner Mitarbeitenden. Wie man aus der Ferne Vertrauen aufbaut, beschreibt Matthias Höfer so: "Dieses Vertrauen erwächst vor allem aus Zutrauen. Menschen, die spüren, dass man ihnen eine Aufgabe zutraut, übernehmen gern Verantwortung und liefern bessere Leistungen." Der deutsche Unternehmensberater und Geschäftsführer der Clevis GmbH konkretisiert: Abstimmungen via Chats, in denen kurze Fragen sofort geklärt werden können, helfen, das Ziel zu erreichen, und verhindern, dass man aneinander vorbei arbeitet. Für virtuelle Meetings oder Telefonkonferenzen gilt: Virtuelle Teams sollten sich lieber öfter kurz austauschen als in wenigen langen Meetings. Parallel dazu sei regelmäßiges Feedback in Form von Einzelgesprächen sinnvoll. Höfer: "Der persönliche Kontakt ist in der Regel die Brücke, die Menschen zusammenführt. Er dient als sozialer Kitt. Aus der Distanz den Teamspirit zu stärken, Konflikte zu erkennen und zu lösen ist eine große Herausforderung und verlangt ein hohes Maß an Empathie. Führungskräfte müssen sich für ihr Team wirklich interessieren." Konflikte könnten im Verborgenen wachsen. Bestimmte Anlässe, aber auch Motivationstiefs oder unzureichende Kommunikation und Verunsicherung im Team seien oft wichtige Gründe für ein Präsenzmeeting. Gerade im Homeoffice gilt aus Höfes Sicht: Es ist die Aufgabe des Teamleaders, zu koordinieren, Vertrauen aufzubauen, ein gemeinsames Verständnis zu bilden und professionell mit Konflikten umzugehen.

Hybrides Arbeiten wird bleiben

Viele Beschäftigte, die seit Monaten ausschließlich von zu Hause aus arbeiten, dürften in Zukunft teils im Homeoffice, teils im Büro arbeiten. Jochen Borenich, Vorstand und COO bei Kapsch BusinessCom, und Barbara Stöttinger, Dekanin der WU Executive Academy, zeigen sich überzeugt davon, dass dieser Trend die Arbeitswelt auf längere Zeit prägen wird. Stöttinger: "Hybrides Arbeiten wird die gesamte Arbeitswelt erfassen und nachhaltig verändern: die Führungskultur, die Arbeitsweisen und die Zusammenarbeit nicht nur in den Büros, sondern auch in der Produktion und im Gewerbe - kurzum, die gesamte Organisation." Jochen Borenich ist Mitautor des kürzlich erschienenen Buchs "Hybrides Arbeiten & Digitalisierung". Er hebt besonders einen Trend hervor. Laut mehreren Studien wollen zwischen 40 und 60 Prozent der österreichischen Arbeitgeber auch nach der Pandemie an mobilen Arbeitsweisen festhalten. "Unternehmen planen laut Studien, 20 bis 30 Prozent ihrer Büroflächen einzusparen." Dieser Abbau fordere Führungskräfte, so Barbara Stöttinger: "Hier ist es auch Aufgabe der Führungskräfte, entsprechende Freiräume zu schaffen - im Denken wie auch zeitlich und räumlich."