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Wer bekommt die Führungsjobs?

Der mutmaßliche Postenschacher der Casinos-Austria-Affäre wirft die Frage auf: Wie besetzen österreichische Unternehmen ihre Spitzenpositionen?

Nur ein Teil der Unternehmen findet Führungskräfte regelmäßig intern.
Nur ein Teil der Unternehmen findet Führungskräfte regelmäßig intern.

Ohne Assessment Center geht bei dm Drogeriemarkt Österreich nichts. Jedenfalls wenn es um die Besetzung von Führungspositionen geht. Für die Managementebene und die Leitung der Filialen findet das 20.400 Mitarbeiter zählende Unternehmen intern und extern neue Führungskräfte. Jeweils acht bis zehn Bewerber lädt die Recruitingabteilung zum Assessment Center mit künftigen Kollegen, Personalverantwortlichen und Managern von dm. Einen halben Tag lang nimmt man sich Zeit dafür, die Bewerber gut kennenzulernen.

Aufwendig sei das schon, doch es lohne sich, meint dm-Pressesprecher Stefan Ornig: "Es geht ja nicht nur um die fachliche Qualifikation." Neben dem Know-how interessiert das Unternehmen: Wie gehen Bewerber in einer Gruppenarbeit miteinander um und wie positionieren sie sich in der Gruppe? Oft drehe sich durch dieses intensive Kennenlernen das Bild, schildert der Pressesprecher: "Da hat eine Bewerbung auf dem Papier super ausgeschaut, aber am Schluss bleibt nichts über. Oder jemand wirkt in der ersten Viertelstunde noch zurückgezogen, aber nach einem halben Tag wissen wir, das ist der Richtige." Bei der Geschäftsführung setze man auf das eigene Haus. "Die Geschäftsführerstellen haben wir immer nur intern ausgeschrieben und besetzt", so Ornig. Bei diesen Topjobs ziehe man externe Personalberater bei.

Interne Beförderungen in die Führungsebene, unterstützt von externen Personalberatern, forciert auch LeasePlan Österreich, Spezialist für Flottenmanagement mit 180 Mitarbeitern. Als Gründe nennt CEO Hessel Kaastra einerseits Vorteile für das Unternehmen: Die neue Führungskraft habe bereits in der Praxis gezeigt, was sie leisten könne. Sie kenne den Markt, die Produkte und die Organisation und könne ohne lange Einarbeitungszeit neue Strategien schnell umsetzen. Interne Beförderungen seien außerdem wichtige Signale an hauseigene Talente. Kaastra: "Die Ernennung eines internen Kandidaten auf Führungsebene ist eine starke Botschaft an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie zeigt, dass das Unternehmen Entwicklungsmöglichkeiten bietet und in der Lage ist, Führungskräfte selbst auszubilden." Könnten sich Mitarbeiter im Unternehmen weiterentwickeln, stünden sie am ehesten zu den Unternehmenszielen.

Gerade in Zeiten knapper Talente sei es wichtig, Entwicklungsperspektiven im eigenen Unternehmen zu geben, unterstreicht Gudrun Heidenreich-Pérez, Senior Managerin bei Deloitte Österreich. Bei einer neuen Umfrage unter 150 österreichischen Führungskräften hat die Unternehmensberatung herausgefunden: Nur 22 Prozent finden ihre Führungspersonen regelmäßig intern, 46 Prozent teilweise extern und ein knappes Drittel vorwiegend extern.

Umfrage zeigt: Viele Unternehmer überschätzen ihre Objektivität

Nachholbedarf gebe es neben der internen Talenteentwicklung auch bei der Auswahl von Führungskräften. Neben einer starken Persönlichkeit scheinen gute Kontakte noch immer das Fundament einer erfolgreichen Karriere zu sein. 54 Prozent der befragten Führungskräfte nannten gute Netzwerke als sehr wichtige Voraussetzung bei der Besetzung von Spitzenpositionen in Österreich. Im eigenen Unternehmen schätzten diese jedoch nur 28 Prozent als sehr wichtig ein. Nur ein Viertel der Befragten glaubt, dass bei Spitzenjobbesetzungen in Österreich fachliches Know-how eine große Rolle spielt - im eigenen Haus sehen dies rund 50 Prozent als wesentlich an. "Die eigene Objektivität wird oft überschätzt", resümiert Heidenreich-Pérez. Anstelle von strukturiert geführten Jobinterviews und Leadership Assessments fielen oft Jobbesetzungen nach Selbstähnlichkeit und Bauchentscheidungen.

Bauchgefühl und "Chemie" bezeichnet LeasePlan-CEO Hessel Kaastra als "unbestreitbar wichtige Faktoren" - neben einer starken Ausrichtung auf objektive Beurteilung der Bewerber. Professionelle Kandidatensuche mit Assessment Center oder externen Personalberatern sei absolut sinnvoll, heißt es auch bei dm Drogeriemarkt. Und doch frage man sich bei Bewerbern, wie man sich die Zusammenarbeit zwischen ihnen und internen Mitarbeitern, Kunden oder Lieferanten vorstellen könne, so Sprecher Stefan Ornig: "Da spielt das Bauchgefühl immer mit."

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