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Was macht einen guten Chef wirklich aus?

Worauf kommt es bei Führungskräften an? Von Vorgesetzten, die sich immer legerer geben, und der Frage nach Authentizität.

Welche Eigenschaften soll ein Chef mitbringen?
Welche Eigenschaften soll ein Chef mitbringen?

"Genau wie eine Schwalbe noch keinen Sommer macht, so machen ein Paar Turnschuhe aus einem Vorgesetzten noch lange keine Führungspersönlichkeit", trifft es Walter Kohl im Vorwort auf den Punkt. "Wenn Turnschuhe nichts bringen. Der CEO-Code für starke Führungskräfte" stammt aus der Feder von Benjamin Schulz und Brunello Gianella und soll eine Art Leitfaden für Chefs darstellen.

Legere Kleidung statt dunkler Anzug

Der Ausgangspunkt: Immer mehr Manager treten leger gekleidet im Jobleben auf. Turnschuhe, Poloshirt und Pulli sind gegen den dunklen Anzug getauscht worden. Die Krawatten bleiben zu Hause im Schrank. Auf Nimmerwiedersehen, "steifes Unternehmenskorsett". Nach außen hin wollen Vorgesetzte dadurch als authentischer und nahbarer wahrgenommen werden.
Es stellt sich die Frage: Nimmt man Vorgesetzten den Kumpel ab? Was, wenn Turnschuhe womöglich doch nichts bringen, um Menschen in Bewegung zu setzen und als Führungskraft erfolgreich zu sein? Worum handelt es sich wirklich: Schein oder Sein? Und: Was müssen erfolgreiche Führungskräfte an Qualifikationen mitbringen - worauf kommt es bei authentischen Chefs an?

Persönlichkeit versus Dienstgrad

Strenge Hierarchien und ein Führungsstil von "oben nach unten" verlieren heutzutage immer mehr an Bedeutung. Damit einhergehend müssen sich Vorgesetzte neuen Herausforderungen stellen - ob im Anzug oder in Jeans. Es gilt: Trotz lockerer Kleidung ändern sich die klassischen Führungsaufgaben und Verantwortlichkeiten nicht. Je egalitärer sich eine Unternehmenskultur darstellt, desto mehr braucht es eine Persönlichkeit, die in der Chefetage sitzt - und desto weniger ist Platz für autoritäres Gehabe. "Es geht um Autorität versus autoritär, es geht mehr denn je um starke Führungspersönlichkeiten und nicht um dienstgrad- und hierarchiebezogene Vorgesetzte", heißt es im Buch. Persönliche und fachliche Qualitäten sollen Mitarbeiter dazu bringen, ihrem Chef gerne "zu folgen". Die Richtung: "Vorgesetzter wird man durch Ernennung, zur Führungspersönlichkeit durch konstante Arbeit an sich selbst und Beharrlichkeit."

Aus der Masse der Führungskräfte heraustreten

Schulz und Gianella sprechen gar davon, dass es mit kleineren Reparaturmaßnahmen in den Betrieben nicht getan sei. "Wir müssen in den Unternehmen völlig umdenken", sagen die Autoren: "In Zukunft müssen Führungskräfte sichtbar sein, wenn sie Menschen führen möchten. Dabei darf Sichtbarkeit nicht mit laut oder marktschreierisch verwechselt werden." Das heißt: "Wer sich nicht als Person zu erkennen gibt, wird von den Algorithmen des Digitalen gnadenlos in den Mainstream eingespeist." Also gilt es aus der Masse der Führungskräfte herauszutreten - im positiven Sinne versteht sich.

Sich selbst treu bleiben - auch als Führungskraft

Wie sieht die Realität in Sachen Führung heutzutage aus? "Düster. Denn die funktionale Führung hat nach wie vor die Überhand. Wir sehen es an den unzähligen Benchmarks im Human-Research-Bereich, die Druck erzeugen, ohne dass personale Führung hinzukommt", betonen Schulz und Gianella. Die Effizienz wird sozusagen über das Menschliche gestellt.
Das Hinderliche an der Sache? "Da in Zukunft die Persönlichkeit des CEO über Sein und Nichtsein im Business entscheidet, stehen wir vor einem großen Problem", sagen die Autoren. "Weil die meisten CEOs gar nicht wissen, wer sie sind." Wirtschaftsbosse schweigen und funktionieren, wenn neue Richtlinien auf Betriebe zukommen, so das Autorenduo: "Wer jahrzehntelang innen wie außen den blauen Anzug tragen musste, weiß irgendwann nicht mehr, wer er ist und wofür er steht. Um es ganz deutlich zu sagen: Jemand, der derart im Ungleichgewicht lebt, kann kein Leader sein, dem Menschen begeistert folgen."

Was macht gute Führungskräfte aus?

Will man ein guter Chef sein, ist es unerlässlich, seine Stärken und Schwächen zu kennen. Empfohlen wird, mit einer Motivationsanalyse nach Reiss zu starten. Mittels eines psychologischen Tests werden die verschiedenen Lebensmotive bestimmt. "Wer seine Motive analysiert hat, kennt seine Bedürfnisse, weiß, was sein Handeln antreibt", erklären die Autoren. Das Ziel dahinter auf dem Weg zur "guten" Führungskraft? Ein kleiner Schritt in die Richtung zu erfahren, wer man eigentlich ist: "Plötzlich wird Spitzenmanagern klar, warum sie bestimmte Konflikte haben und so manches Problem immer wiederkehrt, warum sie bei einigen Tätigkeiten glücklich sind und sich bei anderen schwertun."
Ein weiterer Punkt, der unter anderem im "CEO-Code" angesprochen wird, ist die Frage der Authentizität. Stichwort: Leitbilder. "Leitbilder sind oft Blendwerk, Ablenkungsmanöver, Schall und Rauch. In der Praxis taugen sie herzlich wenig, zumindest dann, wenn sie nicht mit den Motiven des Unternehmenslenkers und der Mitarbeiter übereinstimmen und die damit verbundenen Werte nicht gelebt werden", so die Autoren. Chefs müssen die Werte des Leitfadens vorleben - nur so gewinnen sie an Glaubwürdigkeit. Den Mitarbeitern gegenüber und auch bei Kunden. Wenn also von "angenehmen Arbeitsbedingungen" die Rede ist, sollten Überstunden nicht die Norm sein.
Ein weiterer Faktor ist der Weg von der Funktion zur Person. Die meisten Unternehmer sind der Meinung, dass die persönlichen Bedürfnisse der Arbeitnehmer ins Privatleben gehören und in der Berufswelt nichts verloren hätten. "In Wahrheit aber liegt die Sache anders: Das Glück des einen ist auch das Glück des anderen", erläutern Schulz und Gianella. "Einen Interessenkonflikt zwischen Führungsebene und Belegschaft gibt es im Grunde nicht; zumindest dann nicht, wenn mit anderen Augen auf das Verschiedensein geschaut wird." Das Ziel dabei ist, die Unterschiede der Personen in einem Unternehmen nicht als störend zu sehen, sondern als Bereicherung.

Buchtipp: Benjamin Schulz, Brunello Gianella, "Wenn Turnschuhe nichts bringen. Der CEO-Code für starke Führungskräfte", Frankfurter Allgemeine Buch, 20,50 Euro.