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Uraltes Management-Wissen aus einer Ordensgemeinschaft

Er führt 24 Männer und leitet ein Haus, das seit dem Jahre 696 besteht: Korbinian Birnbacher profitiert von Wissen, das sein Ordensgründer vor 1500 Jahren niedergeschrieben hat.

Zuhören und das rechte Maß halten fördern gute Führung.
Zuhören und das rechte Maß halten fördern gute Führung.

Mit einem Büchlein steht er neben dem Altar in der Stiftskirche, immer wieder liest er auf Deutsch, greift lateinische Passagen heraus und sagt vor einer Gruppe Salzburger Managerinnen und Manager: "Bei jeglicher Form von Führen und Leiten ist das Hören wichtig. Ob es ein Konkurrent im Geschäft ist oder ein Mitarbeiter im eigenen Betrieb - es ist unerlässlich, dass Chefs sich öffnen, zuhören und ihre Handlungen prüfen. Die Bereitschaft zum Dialog und zur Auseinandersetzung ist essenziell - ebenso wie der enorm wichtige Schritt, Taten folgen zu lassen. Führen bedeutet also nicht nur reden, sondern auch handeln." Korbinian Birnbacher ist Erzabt von St. Peter und damit nicht nur Mönch, sondern Leader. Zu seinen Aufgaben gehört nicht nur die Führung seiner Mitbrüder in dem Benediktinerkloster mitten in der Salzburger Altstadt. Der 55-Jährige lenkt auch die Geschicke der Betriebe im Besitz von St. Peter. Dazu gehören etwa die Gärtnerei Aiglhof, die Stiftsbäckerei, Gastronomiebetriebe, Land- und Forstwirtschaft. "Wir sind ein Player in der Stadt, haben einige wertvolle Liegenschaften und Häuser und das Gemeinwohl in Salzburg hängt von einer guten Kooperation ab."

Regeln des Zusammenlebens bestehen im Alltag

Die Regeln, denen Birnbacher als Führungspersönlichkeit folgt - das Zuhören, der Dialog, das Handeln -, sind nicht seine Erfindung, wiewohl sie in Management und Leadership aktuell wie eh und je sind. Sie gehen zurück auf einen Mann, der um das Jahr 480 in Nursia (heute Norica) im italienischen Umbrien geboren worden und etwa 529 in Montecassino gestorben ist. Doch was macht die rund 1500 Jahre alten Worte des heiligen Benedikt, Ordensgründer der Benediktiner, zu denen Birnbacher gehört, so gewaltig, dass sie heute noch gültig sind? Ein wesentlicher Punkt ist wohl der Ansatz, dass "alles im rechten Maß" geschehen soll. Die Regeln, die Benedikt von Nursia verfasst hat, rechnen mit den Schwächen des Menschen. Das bedeutet: Sie bestehen im Alltag - egal ob im Klosterverband oder in der Ökonomie. Das bezeugt auch die wirtschaftliche Situation, in der sich St. Peter befindet. Birnbacher: "Wir sind nicht arm, müssen aber dafür arbeiten und unsere Güter gut verwalten und weiterentwickeln. Etwas anderes können wir uns nicht leisten."

Empathie spielt eine große Rolle

Der Erzabt in seinem schwarzen, langen Ordensgewand überspringt ein paar Seiten in dem kleinen Buch, das er in der Hand hält. Er betont, dass es der Wirtschaft gut anstünde, nicht nur von gewinnmaximierenden Prinzipien getrieben zu sein. Rückschläge und Misserfolge gehörten zum Weg nach oben, sagt er. Diesen realistischen und verantwortungsvollen Blick habe auch der heilige Benedikt vor rund eineinhalbtausend Jahren gehabt. Aus seinen uralten Zeilen geht hervor, dass bereits zu seiner Zeit Empathie in der Führung eine große Rolle gespielt hat. Mitdenken und Mitfühlen waren entscheidend für den Gesamterfolg. "Von Erfolg sprechen wir heute, wenn alle Beteiligten ein Stück vom Kuchen bekommen", erklärt Birnbacher. "Im Wirtschaftssprech ist es allerdings auch ein Erfolg, wenn jemand seinen Konkurrenten übers Ohr haut und sich dann vielleicht auch noch hämisch freut. Das ist eine menschliche Reaktion im täglichen Kampf, wenngleich nicht fein oder gar nachahmenswert", gibt er zu bedenken. Für Benedikt von Nursia war es im sechsten Jahrhundert wichtig, die Verhältnismäßigkeit im Auge zu behalten.

Positive Motivation statt Befehle von oben

Chefinnen und Chefs, Verantwortungsträgerinnen und Verantwortungsträgern legt der gebürtige Bayer (Birnbacher stammt aus dem Rupertiwinkel und trat 1987 ins Kloster ein, seit 2013 ist er der gewählte Erzabt) ans Herz, dass sie "niemals vom hohen Ross herunter kommunizieren" sollen. Die Gründe liegen für ihn auf der Hand: "Ein solches Gehabe fördert nur den passiven Widerstand des Gegenübers. Gibt es Differenzen, dann ist es das Beste, sie in Demut und vernünftig zu erklären. Ja, das erfordert Zeit und kann sogar lästig sein, weil es vermeintlich von Wichtigerem ablenkt. Doch wer immer nur Befehle erteilt, ohne zu erklären, muss mit einer unerquicklichen Gegenreaktion rechnen." Ein paar Seiten weiter bleibt Erzabt Korbinian Birnbacher an einem Satz hängen. Er blickt in die Runde, die im Altarraum der Stiftskirche vor ihm sitzt und sagt: "Führen heißt aufrichten, nicht herrschen." Ins Heute übersetzt meint er damit, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stets positiv zu motivieren. Und erneut kommt das rechte Maß, von dem er bereits gesprochen hat, ins Spiel. "Für Benediktiner, aber auch in der modernen Wirtschaft, zählen Vernunft, Realismus und Geerdetsein. Doch bei aller Beständigkeit braucht es Beweglichkeit." Das mache die Benediktiner sympathisch, erklärt der Geistliche, denn sie seien gut darin, auf die Zeichen der Zeit zu hören, und kämen gut damit zurecht, sich immer wieder zu verändern. "Der Wille und die Bereitschaft, Gewohntes loszulassen, bedeutet, sich selbst zu ändern - und Fehler verbessern, das muss man schon können. Denn dass sie passieren, ist klar."

Bild: SN/Franz Neumayr
„Chefs müssen sich öffnen, zuhören und dann handeln.“ Korbinian Birnbacher, Erzabt St. Peter

Was der heilige Benedikt von Nursia vor gut 1500 Jahren festgesetzt habe, sei zu weiten Teilen heute noch so gültig wie damals, sagt Birnbacher. Die Haupttugend, das "rechte Maß", sei das Entscheidende, wenn es um Führung geht. Das Hören sei der Maßstab, und ein Ziel sei, dass Führungskräfte zwar im Grundsatz fest, aber in der Durchführung durchaus flexibel bleiben. "Bleibt stets dynamisch, rechnet mit menschlichen Schwächen und schaut gut auf die, die Unterstützung brauchen", gibt der Erzabt weiter, was sein Ordensgründer im frühen Mittelalter verkündet und gelebt hat. Sein letzter Satz, basierend auf altem Wissen: "Habt keine Lieblinge, verteilt keine Privilegien."