Thema Zukunft: Seit seinem 24. Lebensjahr steht Tristan Horx auf internationalen Bühnen. In seinem Buch "Unsere Fucking Zukunft" wirbt er für mehr Verständnis der Generationen untereinander.

Tristan Horx ist 28 Jahre jung. Er gehört damit zur begehrten Zielgruppe der sogenannten Millennials. Diese steht mit ihren Interessen und Motiven im Fokus vieler Unternehmen. Doch dann gibt es ja auch noch die Generation Z, die bereits in den Startlöchern scharrt, um den Arbeitsmarkt zu erobern. Was aber ist überhaupt dran an den Generationen-Klischees? Ist "Nine to five" wirklich "total Boomer"? Darf man einen Gen-Z-ler nach 17 Uhr noch am Firmenhandy anrufen? Und wie kann die Zusammenarbeit mehrerer Generationen harmonisch funktionieren?
SN: Können Unterscheidungen wie "Babyboomer", "Millennials" oder "Gen Z" wirklich dabei helfen, die Menschen besser zu verstehen?
Tristan Horx: Es gibt gewisse kulturelle und zeithistorische Erlebnisse, die Prägungen mit sich bringen, vor allem was das Thema Arbeit betrifft. Die sogenannte Babyboomer-Generation - geboren zwischen 1945 und 1964 - hat wirtschaftlich verdammt viel weitergebracht und die Welt nach dem Krieg neu aufgebaut. In dieser Generation ist die "Nine to five"-Einstellung noch tief verankert: Man sitzt seine acht Stunden Arbeitszeit ab, das ist die zentrale Daseinsberechtigung. Die Generation X, die danach kam - auch ein wenig bekannt als die "vergessene" Generation - war zu "klein", um den Zeitgeist wirklich zu prägen. Kopf runter, hart arbeiten, so lautete ihre Einstellung. Das wird sich für sie nun allerdings rentieren, denn die Boomer kommen ins Pensionsalter und die Gen X übernimmt. Beide Generationen, sowohl Boomer als auch Gen X, sind stark industriell geprägt. Danach kam meine Generation, die Millennials.
SN: Und mit ihr ein Umdenken?
Der Sinn der Arbeit wurde auf einmal hinterfragt. Auch haben wir Homeoffice schon gefordert, bevor es "in" war. Das Problem war nur, dass unsere Chefs meist aus der älteren Generation stammten, die dazu sagte: "Schön und gut, aber nicht mit uns!" Doch genau daran ändert sich jetzt etwas, denn wir haben mittlerweile einen Arbeitnehmermarkt und Unternehmen sind gezwungen, sich zu wandeln.
Man muss dazu sagen: Die Eltern von uns Millennials sind ja Boomer, weshalb viele von uns mit Wohlstand aufgewachsen sind. Diesen Postmaterialismus, der in unserer Einstellung mitschwingt, muss man sich ja auch erst einmal leisten können. Und das kann meine Generation natürlich noch eher als die darauffolgende. Ich will das Wort "verwöhnt" jetzt nicht in den Mund nehmen, denn genau das unterstellt ja eine Generation immer der anderen: dass diese verwöhnter und fauler sei als die eigene. Das passiert mir ja schon in Bezug auf die Gen Z.
"Jede Generation unterstellt der anderen, dass sie verwöhnter und fauler sei als die eigene." Tristan Horx
SN: Stichwort Generation Z: Welche Einstellungen und Wünsche in Bezug auf die Arbeitswelt bringen die Post-Millennials mit?
Die Gen Z ist gerade beim Berufseinstieg. Sie ist wesentlich pragmatischer als ihre Vorgängergeneration, da sie in unsicheren Zeiten aufgewachsen ist. Die Z-ler würden gerne die flexiblen Konzepte und Arbeitswelten, die die Millennials fordern, leben, sind aber gerade ein wenig ernüchtert. Das ist kein Wunder, denn sie erlebten zuerst die Finanzkrise - die zwar in erster Linie ihre Eltern betraf, aber natürlich ganze Familien prägte -, dann die Flüchtlingskrise, dann die Coronakrise und jetzt den Krieg. Über allem schwebt das Damoklesschwert der Klimakrise. Stabilität ist der Gen Z durch diese Krisendichte wieder ein höheres Anliegen geworden. Sie hat außerdem erlebt, dass sich die Träume ihrer Vorgänger über Sinnhaftigkeit und Selbstverwirklichung oft nicht erfüllt haben. Es gibt also in der Tendenz, die man erwarten würde - nämlich dass die junge Generation komplett auf Arbeitszeiten und Strukturen pfeift -, einen Bruch, die Gen Z will Sicherheit. Viele Z-ler sagen sich: "Okay, ich mache halt meinen Acht-Stunden-Tag, aber nach 17 Uhr bin ich für meinen Chef nicht mehr erreichbar."
SN: Wie sieht die Arbeitswelt für die Gen Z heute aus?
Berufseinstiege haben sich während der Lockdowns schwierig gestaltet, Unternehmen konnten zum Beispiel keine Praktika vergeben. Das Onboarding - vor allem wenn man noch gar keine Berufserfahrung hat - nur digital zu durchlaufen ist nicht leicht. Die jungen Arbeitnehmer hatten bzw. haben es daher schwerer, sich wirklich in eine Unternehmenskultur einzufinden. Davon abgesehen ist die Gen Z aber sehr begehrt, denn wir haben, wie gesagt, einen Arbeitnehmermarkt. Die jungen Leute wechseln heute öfter ihren Beruf, während die Boomer beispielsweise ewig bei einem Unternehmen blieben und sich dort hochgearbeitet haben. Da gab es alle zwei Jahre eine Gehaltserhöhung und den dicken Firmenwagen. Heute haben die Unternehmen oftmals die Befürchtung: "Wenn ich diese Person jetzt einstelle, ist sie nach kurzer Zeit wieder weg." Aus diesem Grund wird beim Einstiegsgehalt gespart. Dazu kommt noch: Wer jetzt in einen Beruf einsteigt, gibt mehr als die Hälfte seines Gehalts nur für Fixkosten aus. Das war früher noch anders, dennoch sagt die ältere Generation: "Dass ihr euch nichts leisten könnt, liegt nur daran, dass ihr so faul seid!" Das eigentliche Dilemma aber ist: Die Jungen sind motiviert, sie spüren, dass wir uns in einer Umbruchszeit befinden, werden aber mit erbärmlichen Einstiegsgehältern abgespeist, obwohl der Arbeitsmarkt sie braucht.

SN: Abgesehen vom Gehalt, was müssen Unternehmen bieten, um junge Talente anzulocken und zu halten?
Zunächst einmal muss es heißen: "Cut the bullshit". Man sollte ehrlich kommunizieren, was man bieten kann, und nicht das Blaue vom Himmel versprechen, wenn die Unternehmensrealität ganz anders aussieht. Ich würde auch unbedingt empfehlen, realistische Aufstiegsmöglichkeiten zum Thema zu machen, wenn man die Jungen auf Dauer halten will. Das Thema Ökologie muss intrinsisch im Unternehmen verankert sein. Gelebte Inklusion, Gleichberechtigung und Diversität sind natürlich ganz wichtige Themenbereiche. Diese alten Chauvi-Unternehmenskulturen gehen heute einfach gar nicht mehr! Der Hauptgrund, warum junge Leute kündigen, ist eine toxische Unternehmenskultur.
SN: Wie sollte der Bewerbungsprozess im Idealfall aussehen, damit sich die Gen Z angesprochen fühlt? Muss alles digital ablaufen?
Der Initialprozess, bei dem es um die Vorselektion geht, sollte auf digitale Weise stattfinden. Dann aber geht es um ein persönliches Kennenlernen. Die Mehrzahl der Gen Z legt Wert auf ein "Face-to-face-Feedback". Der Gedanke, dass die Jungen alles nur mehr digital wollen, ist Quatsch. Natürlich will sich keiner mit 50 anderen Bewerbern in ein kleines Büro zwängen, um auf eine Entscheidung zu warten. Doch sobald man im Bewerbungsprozess mal in der engeren Auswahl ist, sollte unbedingt rasch ein persönliches Treffen stattfinden. Das vermittelt ja auch eine ganz andere Wertschätzung und genau das wollen viele Menschen nach Corona wieder.
SN: Noch nie haben so viele Generationen mit so unterschiedlichen Sichtweisen zusammengearbeitet. Wie kann das funktionieren?
Meine Empfehlung ist, dass Unternehmen einen Generationsübersetzer einstellen. Jemanden, der mit beiden Welten kommunizieren kann. Oft reden ja schon einzelne Abteilungen nicht richtig miteinander, dann kommen Differenzen aufgrund des Alters dazu und die Barrieren werden immer größer. Dabei liegen Missverständnisse oft wirklich ganz simpel an der Kommunikation. Außerdem finde ich - radikal gesagt -, dass man Generationenquoten einführen sollte. Meist besteht die Chefetage aus alten, weißen Säcken, dann gibt's noch ein paar Junge für Social Media und das war es. Natürlich muss nicht immer alles exakt aufgeteilt sein, aber man sollte in jedem Fall vermeiden, dass bestimmte Tätigkeiten immer bei den gleichen Generationen bleiben. So bringt man keine Diversität rein.
"Zeit ist kein Indikator für Produktivität. Dieser Maßstab gehört ausgehebelt." Tristan Horx
SN: Was können Ältere von den Jungen und ihrer Einstellung zur Arbeit lernen? Arbeiten diese "gesünder", weil sie die Work-Life-Balance mehr in den Fokus stellen?
Gesünder ja, weil die Gen Z zum Beispiel das Ansprechen von psychischen Problemen entstigmatisiert hat. Ich bin mittlerweile aber an einem Punkt, an dem ich sage: Der Begriff "Work-Life-Balance" ist veraltet. Außerdem steckt dahinter ein typisches Generationen-Missverständnis. "Work-Life-Balance" ist eigentlich durch die Babyboomer zum Thema geworden, nicht durch meine Generation, wie viele meinen. Die Boomer kamen in den 80ern/90ern darauf, dass es vielleicht doch noch was anderes gibt, als sich zu Tode zu schuften. Mittlerweile geht es aber eher hin zu einem "Work-Life-Blending". Das beschreibt eine organische Vermischung von Arbeit und Privatleben. Die Übergänge sind fließend, je nachdem, wie es sich besser bewältigen lässt. "Work-Life-Blending" besagt auch, dass die "abgesessene Zeit" kein guter Indikator für Produktivität ist. Dieser Maßstab, der noch aus der Fabrikkultur stammt, gehört ausgehebelt. Stattdessen geht es darum, selbstbestimmter zu arbeiten und sich auf Ergebnisse zu fokussieren. Die Gen Z wird in dieser Hinsicht vieles verändern. Sie wird ein neues, digitales Selbstverständnis reinbringen. Und sie darf hoffentlich die Früchte des Kampfs ernten, den wir Millennials jetzt noch zu Ende führen müssen, nämlich eine flexiblere Arbeitskultur und Themen wie Ökologie und Diversität fest in den Firmenkulturen zu verankern.
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