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Technologie braucht Philosophie

Geisteswissenschafter werden aufgrund zunehmender Technologisierung immer relevanter. Beschäftigungsfelder liegen im PR und Personalwesen. Philosophen könnten einen größeren Beitrag leisten.

Die Berufsfelder, die es für Philosophen gibt, entsprechen oft nicht deren Qualifikationen. Im Silicon Valley ist das anders.
Die Berufsfelder, die es für Philosophen gibt, entsprechen oft nicht deren Qualifikationen. Im Silicon Valley ist das anders.

Es sollte ein Artikel darüber werden, dass ein Studium der Geisteswissenschaften doch nicht so sinnlos ist wie die geläufige Meinung. Ein Artikel darüber, dass man Philosophie in der Arbeitswelt tatsächlich brauchen und davon gut leben kann. Keine einfache Aufgabe, zumindest nicht, wenn man sich in Österreich umschaut. Im Silicon Valley werden Philosophen und Philosophinnen immer gefragter. Firmen wie Facebook, Google oder Skype stellen reihenweise Geisteswissenschafter ein. Künstliche Intelligenz, die zunehmende Automatisierung von Arbeitsprozessen und die Herausforderungen in den Biotechnologien bringen neben dem technischen Fortschritt auch viele weitere moralische, soziale und politische Fragen mit sich. Philosophen können sie beantworten, sie sind dazu ausgebildet, Probleme zu erkennen und auf schwierige Fragen Antworten zu finden. Doch haben das auch österreichische Unternehmen erkannt?

Die größten Firmen im Land beschäftigen kaum Geisteswissenschafter

Wer in Karriereplattformen sucht, findet zwar die Philosophie eines jeden Unternehmens aufgelistet, Philosophen werden jedoch nicht gesucht. Unternehmer sehen nicht, wie sie Fähigkeiten von Geisteswissenschafter einsetzen sollten.

Für den Stahl- und Technologiekonzern voestalpine arbeiten weltweit rund 49.000 Mitarbeiter, davon rund 30.000 Facharbeiter und rund 10.500 Techniker, wie das Unternehmen mitteilt. "Wir beschäftigen primär Mitarbeiter mit Schwerpunkten in den Ausbildungsbereichen Technik, IT und Naturwissenschaften. Die Geisteswissenschaften spielen bei uns eine vernachlässigbare Rolle." Auch bei der Firma Strabag ist das so. Zwar werden Geisteswissenschafter beschäftigt, im Fokus des Recruitings würden aber Absolventinnen und Absolventen (bau)technischer Studiengänge stehen. Von diesen würde es ohnehin nicht viel geben. "Wir als Technologiekonzern benötigen für Baudienstleistungen dringend Fachkräfte in diesen Bereichen, um moderne, komplexe Bauvorhaben umzusetzen", sagt Marianne Jakl von Strabag. Mehrere der größten Firmen Österreichs wollen oder können sich nicht zu dem Thema äußern.

Geisteswissenschafter im Personalwesen, Presseabteilung oder Marketing

Bekannte Möglichkeiten gibt es für Absolventen der Geisteswissenschaften im Personalwesen, in Presseabteilungen oder im Marketing. Porsche Holding oder die OMV beschäftigen hier Geisteswissenschafter. "Diese haben die Fähigkeit, Themenbereiche in einen größeren Kontext zu bringen und kommunikativ richtig zu vermitteln", sagt Uta Albrecht von Porsche Holding. Die konkrete Studienrichtung sei aber nicht ausschlaggebend für eine Einstellung. Auch bei der OMV gibt es keine spezifischen Positionen mit Anforderungen für Geisteswissenschafter. Explizite Philosophiekenntnisse werden scheinbar nirgends benötigt.

Dabei hätte die Philosophie durchaus einen Beitrag für die Arbeitswelt zu leisten: Wenn neue Technologien entwickelt werden, tauchen zahlreiche philosophische Fragen auf, über die man sich möglichst früh Gedanken machen sollte, um möglichen Schaden und Leid zu verhindern beziehungsweise zu begrenzen, wie Bettina Bussmann, Assoziierte Professorin am Fachbereich Philosophie an der Universität Salzburg, sagt. "Sollte es erlaubt sein, menschliches Erbgut zu manipulieren, um unseren Nachwuchs zu optimieren? Hier stellen sich sowohl moralische Fragen als auch Fragen der Technikfolgen- und Risikoabschätzung."

Wer Philosophie studiert, der wird nicht unbedingt arbeitslos

Die Arbeitslosigkeit bei Philosophieabsolventen liegt sogar unter der von Betriebswirtschafts- und Rechtswirtschaftsabsolventen. Im März 2021 waren in Salzburg zehn Philosophen arbeitslos, im Vergleich dazu 72 Rechtswissenschafter. Trotzdem tun sich Absolventen schwer, einen Job zu finden. "Das größte Manko des Philosophiestudiums ist - nach Ansicht von Absolventen - eine sehr geringe berufliche Praxisbezogenheit während der Ausbildung", so das AMS. Wer sich für das Studium entscheidet, tue gut daran, sich anderweitig zu qualifizieren.

So wie Barbara Fixl. Die 23-Jährige studiert Molekulare Biologie im Master, gerade macht sie ein Auslandssemester in der Dominikanischen Republik. Trotzdem ist sie für Philosophie eingeschrieben und diskutiert in den Seminaren über Platon. Welche Relevanz er für eine Molekularbiologin hat? "In einer noch jungen Wissenschaft wie der Molekularen Biologie ist es durchaus von Vorteil, Wissen über Logik und Wissenschaftstheorie mitzubringen oder sich aktiv mit ethischen Problemen auseinandersetzen zu können", sagt Fixl. Philosophie kann ihrer Meinung nach in allen Feldern der Wissenschaft gebraucht werden. "Die Philosophie stellt einen fundamentalen Grundbaustein der Wissenschaft dar und ich trainiere dabei das Analysieren von Informationen, das Diskutieren und Argumentieren."

Philosophie heißt nicht nur, verstaubte Bücher zu lesen, Philosophie kann für die Praxis relevant sein. Oder wie Bettina Bussmann es ausdrückt: "Unsere durch Technik und Wissenschaft geprägte Lebenswelt stellt uns vor eine Reihe ethischer und wissenschaftsphilosophischer Probleme." Es wäre an der Zeit, dass die Wirtschaft das erkennt und Philosophen dort einsetzt, wo sie ihren Fähigkeiten gerecht werden.