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Stimmtraining fürs Homeoffice

Onlinekonferenzen gehören mittlerweile zum Berufsalltag. Opernsänger Sebastian Kroggel gibt sein Wissen über die Stimme an Menschen im Homeoffice weiter.

Im Homeoffice ist der Einsatz von Stimme, Sprechen und Sprache enorm gestiegen (und dieser will gelernt sein).
Im Homeoffice ist der Einsatz von Stimme, Sprechen und Sprache enorm gestiegen (und dieser will gelernt sein).

Den Kopf in den Sand zu stecken liegt Sebastian Kroggel nicht. Als Opernsänger war es Teil seines Berufsalltags, erhabenen Hauptes vor Zuschauern zu stehen - bis Corona ihn zum Stillstand zwang. Dem hat der in Innsbruck lebende Deutsche einen Neustart entgegengesetzt, vergangenes Jahr seine App "Vox-Box" kreiert und sich auf Onlinetrainings spezialisiert. "Mir war schnell klar, dass in Zukunft noch mehr über Bildschirm gehen wird. Nun gebe ich mein Wissen über Stimme an Menschen im Berufsleben weiter." So einfach ist die Sache nämlich nicht. Im Gegensatz zu früher, als wir in Gesprächen mit der ganzen Persönlichkeit punkten konnten, bleibt uns nun meist nur ein kleiner Ausschnitt auf dem Bildschirm. Der Stellenwert von Stimme, Sprechen und Sprache ist enorm gestiegen.

An der Stimme wird die Kompetenz des Gesprächspartners gemessen

Beim Zoom-Meeting mit den "Salzburger Nachrichten" startet der Trainer mit einem Lob. "Es ist gut, dass Ihr Laptop auf Augenhöhe steht. Wenn Sie nämlich nach unten schauen, bekommt der Hals einen Knick und der Kehlkopf wird eingeengt. Der Klang der Stimme verändert sich in diesem Fall nicht zum Positiven." An der Stimme, so der Experte, würde die Kompetenz des Gesprächspartners gemessen. "Wer Appelle platzieren will, muss stimmlich präsent sein und dem Gegenüber in die Augen schauen."

Aufwärmübungen für die Stimme

Hat Kroggel Klienten, die bei Onlinemeetings punkten wollen, startet er zuerst mit dem Aufwärmen. Was jeder Sportler tut, sollte auch für Redner selbstverständlich sein. Kroggel zieht seine Lippen nach hinten. "Stellen Sie sich vor, Sie wären 90 Jahre alt und hätten die Zähne draußen. Versuchen Sie nun, in dieser Art ein paar Sätze zu sagen und sprechen Sie danach wieder normal. Sie werden sofort eine Veränderung wahrnehmen." Tatsächlich! Die Aussprache ist viel deutlicher. Verhaspeln? Fehlanzeige.

Ganz viel Mensch auf wenig Platz

Als Nächstes geht es darum, sich bei einem Onlinemeeting mit mehreren Personen durchzusetzen. Vor allem, weil alle Teilnehmer auf wenige Zentimeter Bildschirmgröße reduziert sind und kaum Präsentationsfläche bleibt. "Richten Sie sich leicht auf und kommen Sie mit dem Körper nach vorn", rät Kroggel, "so klingt die Stimme auch souveräner, wenn Sie am Wort sind." Die Gleichung lautet: Stimme ist hörbare Körpersprache, wie ein Beispiel demonstriert. Jeder und jede kennt die Situation, wenn wir in Lümmelstellung mit Freunden telefonieren. Wäre der Chef am Apparat, würde niemand in dieser Haltung verharren, sondern sich aufrichten. "Wenn Sie liegen bleiben, denkt der Körper: Ah, Herrchen oder Frauchen entspannt! Wozu also unnötig Kraft aufwenden? Die Stimme klingt dünn und wenig überzeugend."

Stehend, mit festem Stand kommunizieren

Am besten ist es, stehend zu kommunizieren, weil die Körperachse aufgerichtet ist. Außerdem reagiert die Stimme auf Änderungen der Fußhaltung, des Beckens - locker oder fest - und der Knie: gestreckt oder elastisch. "Es hilft schon die Vorstellung von einer Krone auf dem Kopf. So nehmen wir Haltung an." Wenn Stehen im Homeoffice nicht möglich ist, platziert man sich am besten auf dem vorderen Teil des Stuhls und stellt die Füße fest auf den Boden. Dann beginnt man zu sprechen.

Hand auf den Brustkorb, Bauch heraus

Die Stimme, erklärt Sebastian Kroggel, hat drei Bereiche. Wenn Kinder nach der Mutter rufen, passiert das im hohen Stimmbereich, weil es Adrenalin auslöst: "Was ist los? Da muss ich gleich nachschauen." Beim Erzählen nutzen wir meist das mittlere und untere stimmliche Spektrum, wo die Indifferenzlage angesiedelt ist, jener Bereich, der Souveränität und Kompetenz ausstrahlt. Um Interesse zu erzeugen, ist die Ausgewogenheit zwischen allen drei Stimmlagen wichtig. Wo die Indifferenzlage sitzt, lässt sich mit dem Aufmerksamkeitslaut "M-h-m" eruieren. "Legen Sie Ihre Hand beim ,M-h-m-Sagen' auf den Brustkorb. Spüren Sie die Vibration? Wenn wir das wiederholt verorten, speichern wir, wo das ,M-h-m' sitzt und können es bald automatisch abrufen."

Jetzt noch mit der Bauchatmung den Motor des Sprechens anwerfen, dann steht einem guten Gespräch nichts mehr im Weg. "Gerade bei Frauen sehe ich im Training, dass sie erst nach drei, vier Stunden in die Bauchatmung kommen. Einige Klientinnen haben mir gesagt: ,Mensch, Sebastian, ich habe mich anfangs nicht getraut, in den Bauch zu atmen, damit du nicht denkst, ich wäre dick.' Dabei muss der Bauch bei der Atmung raus, das ist Anatomie!" Kroggels Erfahrungen zeigen, dass zwei Drittel der Menschen beim Atmen den Bauch ein- und die Schultern hochziehen. "Weil sie schlank sein wollen. Das verursacht Stress. Dem können wir mit korrekter Atmung entgegentreten."

Persönliche Ebene herstellen

Nun sind wir bereit, der Chefin oder dem Geschäftspartner ein Projekt oder eine Idee zu verkaufen. Ein wenig Small Talk zu Beginn hilft, eine persönliche Ebene herzustellen. "Jeder Mensch will, dass es nicht nur um die Sache, sondern auch um ihn geht." Außerdem empfiehlt es sich, seine Anliegen bildhaft dazustellen: Worte lösen Bilder aus und Bilder rufen Emotionen hervor. "Eine wichtige Erkenntnis, da Verkaufsentscheidungen zu 80 Prozent emotional getroffen werden." Pushen lässt sich das mit Verben, die Emotionen stärker ansprechen als Substantivierungen.

Bild: SN/sebastian kroggel
„Es geht darum, die Ohren in Augen zu verwandeln.“
Sebastian Kroggel, Stimmtrainer

Das Visuelle hat direkte Wirkungs- und Überzeugungskraft", sagt Sebastian Kroggel.

Erste Erfolge verspricht er nach fünf bis zehn Stunden Training. "Ich vergleiche das gern mit einer Almwiese. Wenn Sie da drübergehen, richten sich die Halme schnell wieder auf. Machen Sie das öfter, dauert es schon länger, bis die Gräser erneut aufstehen. Irgendwann bildet sich ein Trampelpfad, später ein Weg. So funktioniert die Bildung der Synapsen im Gehirn."

Deutlich sprechen mit Maske

Sprechen in Zeiten von Corona - was der Sprechtrainer Maskenträgern empfiehlt: Alles beginnt mit dem Aufwecken der Stimme in der Dusche oder auf dem Weg zur Arbeit. Einfach bewusst atmen und den Körper wachrütteln, indem man Arme und Beine bewegt. Danach empfehlen sich Übungen wie Lippenflattern und Grimassenschneiden. Das aktive Zusammenspiel der Artikulationsorgane wie Kiefer, Zunge, Lippen und Mund ist einerseits Grundlage für ein klares Sprechen und erzeugt andererseits ein gutes Verständnis.

Wichtig ist, betont klar zu sprechen und überdeutlich zu artikulieren. Das mag künstlich erscheinen, es gilt aber: Je übertriebener, desto besser! Das funktioniert, indem man Zunge und Lippen aktiver bewegt. Der Trainer empfiehlt, ruhig zu atmen, auch wenn das hinter einer Maske nicht leichtfällt. So entspannt sich die Atemmuskulatur, das Sprechtempo wird verlangsamt und eine verständliche Aussprache spürbar begünstigt. Sie erhöht wiederum die Aufmerksamkeit der Zuhörer.

Sebastian Kroggel betreibt in Innsbruck das Institut für Stimme und Kommunikation. Seine Sprech-App "Vox-Box" ist in App-Stores erhältlich. www.sk-institut.com