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Souverän Nein sagen: Gegen die "tragische Oper"

Nein - das wirkungsvollste Wort, um seine Ressourcen zu schonen. Souverän Grenzen zu setzen und mit Kritik gekonnt umzugehen kann einem nicht nur den Arbeitsalltag erleichtern.

Mit einem klaren Nein, kann man sich vor beruflicher Überlastung schützen und Lebensfreude erhalten.
Mit einem klaren Nein, kann man sich vor beruflicher Überlastung schützen und Lebensfreude erhalten.

"In einer Welt, die scheinbar verrücktspielt, gibt es ein Wort, das wir alle dringend brauchen: Nein", sagt Barbara Berckhan. Ein ganzes Buch hat die Kommunikationstrainerin diesem kleinen, großen Wörtchen gewidmet: "Souverän Nein sagen. Drei Schritte zur klaren Abgrenzung".

Doch was macht dieses Wort aus? "Unser Nein ist weit mehr als nur eine Ablehnung. Es setzt eine Grenze. Was immer die Welt um uns herum veranstaltet: Wir bestimmen, was wir reinlassen und was draußen bleibt." Und weiter: "Mit unserem Nein schützen wir unsere Seele und unseren Körper vor schädlichen Einflüssen. Wir verwalten unsere kostbarsten Ressourcen: unsere Aufmerksamkeit, unsere Zeit und unsere Energie."

Das Hoheitsgebiet wahren

Vor allem in der dunkler werdenden Jahreszeit, wenn Arbeitsstress und Herbstblues auf das Gemüt vieler drücken, braucht es oftmals ein klares Nein, um sich vor beruflicher Überlastung zu schützen: "Bei meiner Arbeit habe ich Menschen kennengelernt, die massive Schwierigkeiten hatten, klare Grenzen zu ziehen und ihr Nein souverän unter die Leute zu bringen", sagt Berckhan.

Woran liegt das? Fällt es bestimmten Menschen einfacher, Grenzen zu setzen? "Besonders schwer fiel das Neinsagen denjenigen, die als Kind erlebt haben, dass ihre Grenzen nicht geschützt und respektiert wurden." Ein Rattenschwanz, der sich wiederum durch das ganze Leben ziehen kann. Menschen, die als Kind zum Beispiel vernachlässigt wurden oder Gewalt erlebt haben, schlüpfen als Erwachsene quasi eher in die Rolle des "Jasagers". Berckhan dazu: "Früher war es vielleicht nötig, dass du brav bist und Ja sagst. Die Zeiten sind vorbei." Als Erwachsener kann, darf und soll man es sich erlauben, Nein zu sagen und somit Grenzen zu setzen und diese auch zu wahren.

Bild: SN/bernd kaese
Mit einem Nein verwalten wir unsere kostbarsten Ressourcen: unsere Aufmerksamkeit, unsere Zeit und Energie.
Barbara Berckhan, Kommunikationstrainerin und Autorin

Es stellt sich nun die Frage: Wie sage ich souverän Nein? Wie grenze ich mich gekonnt, höflich und respektvoll vor einem Zuviel (zum Beispiel bei der Arbeit) ab? Drei Schritte sollen dabei helfen: Zuerst gilt es herauszufinden, wovon man sich abgrenzen möchte. Schritt zwei: wirksam kommunizieren. Das heißt, der Umgebung deutlich machen, "was bei einem geht und was nicht". Zu guter Letzt sollte man beharrlich bleiben - höfliche Hartnäckigkeit ist angesagt, wenn jemand versucht, die gesetzten Grenzen zu durchbrechen.

Es geht im Prinzip darum, das eigene "Hoheitsgebiet" zu schützen. Nicht alles und jeden an sich ranzulassen. Wobei das wiederum nicht bedeutet, sich komplett von allen Anliegen des Arbeitsumfelds abzuschotten oder Kritik radikal von sich zu weisen. Es heißt allerdings schon, Kritik selbstsicher entgegenzunehmen: "Wenn jemand dich kritisiert oder dir ein negatives Feedback gibt, kannst du souverän mit dieser Rückmeldung umgehen. Das, was andere zu dir sagen, musst du nicht sofort in dein Hoheitsgebiet hineinlassen", erklärt die Kommunikationstrainerin. Soll heißen: das Feedback in Ruhe anhören und das, was das Gegenüber sagt, vor der Grenze liegen lassen. "Bevor du dazu Stellung nimmst, überprüfst du, was für dich hilfreich ist und was nicht. Das Hilfreiche und Nützliche lässt du in dein Hoheitsgebiet hinein."

Die Aussagen, die vielleicht angriffslustig oder unsachlich waren, bleiben vor der Grenze liegen. Berckhan: "Du hast die freie Wahl und deshalb kannst du es dir leicht machen. Mit dem Unsachlichen musst du dich nicht auseinandersetzen. Du bestimmst, womit du dich beschäftigst, worauf du eingehst, wozu du Stellung nimmst."

"Kleines Nein für zwischendurch"

Es gibt laut Autorin ein sogenanntes Drama der kompetenten Menschen: Sie sind immer gefragt und können nicht Nein sagen. Weil bei Anfragen aus dem Arbeitsumfeld trotz innerlicher Ablehnung sofort der Kompetenzteil der Persönlichkeit anspringt. "Dieser Teil krempelt die Ärmel hoch und sagt laut: ,Kein Problem. Das schaffe ich.'" Das innere Nein bleibt ungehört - ist allerdings nicht verschwunden. Im Nachhinein ärgert man sich oftmals über sich selbst, dass man dennoch zugesagt hat. Ein Tipp der Kommunikationstrainerin: "Wenn du selbst dein Nein wegwischt oder es dir ausredest, mach dir bewusst, wovor du dich fürchtest." Vor Ablehnung oder davor, dass jemand im Arbeitsumfeld denken könnte, man sei faul?

Natürlich muss man den Menschen in seiner Umgebung nicht mit dem sprichwörtlichen "Leiterwagen" ins Gesicht fahren. Es gibt auch das "Kleine Nein für zwischendurch". Nein sagen, ohne das Wort in den Mund zu nehmen. Der Clou dahinter? "Eine Bitte ist ,leichter zu verdauen' als ein Nein. In ihr steckt keine Ablehnung. Du sagst dem oder der anderen nicht, was er oder sie falsch gemacht hat. Mit einer Bitte kritisierst du dein Gegenüber nicht", erklärt Berckhan. Die Lösung ist ganz einfach: Indem man das Gegenüber um etwas bittet, gibt man dem anderen die Möglichkeit, einem problemlos entgegenzukommen. Ein Beispiel: Der Vorgesetzte spricht einen mit dem (ungeliebten) Spitznamen an. Statt sich insgeheim zu ärgern, grenzt man sich ab. Man bittet den Chef, dass er einen mit dem richtigen Namen ansprechen möge.

Ein Plädoyer für die Lebensfreude

Lässt man es außer Acht, seine Grenzen zu wahren, hat das in vielerlei Hinsicht negative Auswirkungen. Nicht nur, dass meistens die Gesundheit in Mitleidenschaft gezogen wird und auch die Familie oft darunter leidet. Es geht noch viel weiter: "Zu wenig Nein hat eine drastische Nebenwirkung, die oft zu spät bemerkt wird: Die Lebensfreude geht verloren. Die Menschen werden ernst, im Dauerbetrieb. Der Grundton ihres Lebens ist der Blues, die tragische Oper", erklärt Berckhan. Und spätestens dann gilt wirklich: Es gibt nichts mehr zu lachen.

Buchtipp: Barbara Berckhan, "Souverän Nein sagen. Drei Schritte zur klaren Abgrenzung", 2022, Kösel-Verlag.