SN.AT / Leben / Karriere

Sexuelle Übergriffe am Arbeitsplatz - Finger weg!

Im angloamerikanischen Raum wird sexuelle Belästigung streng bestraft. Hierzulande ändert sich das Bewusstsein für das Thema nur langsam. Obwohl die Übergriffe strafbar sind.

Sexuelle Belästigung ist kein Kavaliersdelikt.
Sexuelle Belästigung ist kein Kavaliersdelikt.

Rund 20 Millionen Dollar Strafe musste im Vorjahr ein US-amerikanisches Casino zahlen, weil es jahrelang die sexuellen Übergriffe seines früheren Vorstandschefs gegenüber Dutzenden Angestellten erduldet hat. Das Unternehmen hatte zugeben müssen, nichts gegen die Vergewaltigung, die sexuellen Übergriffe, die Belästigungen und das Dulden durch hochrangige Führungskräfte getan zu haben. Die beschuldigten Führungskräfte haben mittlerweile das Unternehmen verlassen. Die Sensibilität für das Thema sexuelle Übergriffe am Arbeitsplatz ist im angloamerikanischen Raum ungleich höher als im europäischen. In großen US-Firmen erhalten Manager dazu eigene Verhaltensseminare. In der Praxis dieser Unternehmen bedeutet dies oft: Manager verlassen Feiern, sobald es lustig zu werden beginnt, oder sie vermeiden es, mit Mitarbeiterinnen allein im Lift zu fahren.

Unsicherer Arbeitsplatz ist ein Risiko

Bei sexueller Belästigung gehe es nicht um Sexualität, Liebe und Erotik, sondern um sexuell gefärbte Machtausübung, erklärt Katharina Raffl von der Gleichbehandlungsanwaltschaft; es gehe um die Demonstration von Macht und das Ausnützen einer Überlegenheitsposition, was zudem bestehende Ungleichheiten festige. In der Praxis werde sexuelle Belästigung durch das Erzählen freizügiger Witze, anzügliche Bemerkungen, einschlägige Nachrichten per SMS und vermeintlich zufällige Körperberührungen ausgedrückt bis hin zu strafrechtlich relevanten Übergriffen. Betroffen sind laut Gleichbehandlungsanwaltschaft vor allem Frauen, besonders gefährdet sind jene mit unsicheren Arbeitsverhältnissen beziehungsweise Frauen, die als Konkurrenz wahrgenommen werden, zudem Lehrlinge und Personen, die etwa durch ihre Lebensweise von der gesellschaftlichen Norm abweichen. Im Zeitraum 2018/19 wurden österreichweit 468 sexuelle Belästigungen in der Arbeitswelt gemeldet - die Dunkelziffer liege aber viel höher, betont Raffl. "Vor allem im ländlichen Bereich ist die Angst vor Folgen einer Beschwerde besonders groß. Die Angst vor weiteren Schwierigkeiten am Arbeitsplatz oder gesellschaftlicher Ächtung wegen einer Beschwerde lässt sich nur schwer beziehungsweise langsam ändern", erklärt sie. In Beratungen zeige sich immer wieder, wie belastend es für Betroffene sei, Übergriffe weiterzuverfolgen. "Viele suchen die Schuld bei sich oder glauben, zu nett gewesen zu sein und somit den Vorfall provoziert zu haben."

Das oft gehörte Argument, frau könne und müsse sich doch wehren und den Belästigern Paroli bieten, entkräftet Katharina Raffl. Eine klare Ablehnung sei oft schwierig, da sich Betroffene nicht selten in Zwangslagen befänden. Dazu kämen Scham oder Mitschuld, eine Erziehung, die auf Duldung statt auf Offensive basiere und nicht zuletzt die Angst vor Arbeitsplatzverlust. "Es ist bewiesen, dass Betroffene im Fall einer sexuellen Belästigung das ihnen widerfahrene Unrecht erst verarbeiten müssen, bevor sie sich überhaupt entschließen, Schritte einzuleiten." Das sei auch der Grund, warum die Verjährungsfrist für sexuelle Belästigungen in der Arbeitswelt im Gleichbehandlungsgesetz vor einigen Jahren von einem auf drei Jahre ausgedehnt wurde. Den Betroffenen geht es laut Raffl vor allem darum, dass die Belästigung aufhört und als Grenzverletzung anerkannt wird. Bei der Gleichbehandlungsanwaltschaft fordert man deshalb eine Sensibilisierung und Enttabuisierung des Themas, um gesellschaftlich ein neues Bewusstsein zu schaffen.

#MeToo hat sensibilisiert

Seit #MeToo sei eine höhere Sensibilität für das Thema vorhanden, erklärt Heimo Typplt von der Arbeiterkammer Salzburg, dennoch halte sich die Zahl der Fälle, die in der Rechtsabteilung der AK landeten, in Grenzen. Das Problem sei vielfach die Beweisführung, da es bei den Übergriffen selten Zeugen gebe. Das Gleichbehandlungsgesetz komme da etwas entgegen, da eine sexuelle Belästigung nicht vollständig bewiesen werden müsse, es genüge eine Glaubhaftmachung. Dieser mindere Grad von Beweislast erhöht zugleich die Erfolgsaussichten von Betroffenen.

Auch die Arbeitgeber werden, sofern die AK dazu bevollmächtigt wird, benachrichtigt und gebeten, zum Vorfall Stellung zu nehmen. Deren Reaktion sei unterschiedlich, sagt Typplt, während die einen den Belästiger versetzen oder entlassen, nehmen es andere gerade einmal zur Kenntnis. Parallel zum Arbeitsrechtsverfahren wird in der Regel ein Strafverfahren eingeleitet, das Arbeitsrechtsverfahren ruht derweil und wird bei Verurteilung wieder weitergeführt. Ein Freispruch im Strafrechtsverfahren bedeute meist, dass auch das Arbeitsrechtsverfahren eingestellt werde. Der Mindestschadenersatz liegt laut Typplt bei 1000 Euro.

Trendwende in Österreich

Es ist nicht zuletzt die Höhe der Schadenersatzansprüche, warum das Thema etwa in den USA sensibler behandelt wird. Bei der AK sieht man auch in heimischen Unternehmen eine Trendwende: Das lässige Umarmen der Kollegin oder schlüpfrige Witze gehören vielfach der Vergangenheit an. Besonders höherrangige Mitarbeiter seien sich der Problematik bewusst. "Wird auch nur ein Übergriff behauptet, ist der Ruf beschädigt", erklärt Typplt.