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Physiotherapie auch fürs Tier

Unfälle und Abnützungserscheinungen bereiten auch Haustieren Schmerzen. Wie bei ihren Besitzern sorgt Physiotherapie für Erleichterung. Eine Salzburgerin hat die Ausbildung dazu.

Lisa Zohmann (l.) arbeitet als ausgebildete Tier-Physiotherapeutin unter Anleitung von Tierärztin Birgit Lidolt.
Lisa Zohmann (l.) arbeitet als ausgebildete Tier-Physiotherapeutin unter Anleitung von Tierärztin Birgit Lidolt.
Hund Sam wird von Zohmann (l.) auf dem Unterwasser-Laufband behandelt.
Hund Sam wird von Zohmann (l.) auf dem Unterwasser-Laufband behandelt.

Freudig wedelt Labrador Sam mit dem Schwanz. Die Aussicht auf ein paar Zusatz-Leckerlis lässt ihn bereitwillig in die Vorrichtung für das Unterwasser-Laufband klettern. Tier-Physiotherapeutin Lisa Zohmann lässt wohltemperiertes Wasser ein, bringt das Laufband auf die gewünschte Höhe und los geht's. Zuerst im gemächlichen Tempo, dann etwas flotter, ganz offensichtlich fühlt sich Sam bei dem Bewegungstraining wohl. "Im Grunde funktioniert das wie beim Unterwassertraining für Menschen. Im Wasser werden Gelenke entlastet, weil nicht das ganze Gewicht des Körpers zum Tragen kommt, das ist vor allem nach Operationen wichtig. Hier trainiert der Hund die Beweglichkeit, es dient aber auch zum Muskelaufbau und verbessert die Koordination", erklärt Lisa Zohmann.

Familiär vorbelastet

Die gebürtige Tirolerin hat mittlerweile die berufsbegleitende Ausbildung zur Tier-Physiotherapeutin an der Akademie für erweiterte Tiermedizin im "Reha-Zentrum für Vierbeiner" in Bad Wildungen abgeschlossen. Zwei Jahre plus ein Zusatzmodul Organlehre hat sie dafür investiert. Zuvor hatte sie in Wien Kommunikationswissenschaften und Französisch studiert und zwei Jahre lang in einer Filmproduktionsfirma gearbeitet. Daneben hat sie für das Onlinemagazin "Stadtbekannt" geschrieben. Weil die Sehnsucht nach den Bergen immer größer wurde, hat sie ihre Zelte in Wien abgebrochen und sich vor gut drei Jahren in Salzburg angesiedelt. "Meine Eltern, die sich berufsbedingt in Fieberbrunn niedergelassen hatten, stammen ursprünglich aus Salzburg. Jetzt sind sie wieder an die Salzach zurückgekehrt - und ich bin auch hier", freut sie sich.

Womit wir bei der erblichen Vorbelastung angekommen wären. Vater Andreas Zohmann ist nämlich Tierarzt. "Ich wollte ja ursprünglich auch Veterinärmedizin studieren, leider hat sich das so nicht ergeben." Also Kommunikationswissenschaften und Französisch. "Es war eh okay und ich wollte das angefangene Studium nicht abbrechen, aber dass ich nicht Tierärztin geworden bin, habe ich später immer mehr bereut." Ein langes Gespräch mit dem Vater folgte, samt dem Vorschlag, es vielleicht mit dem Spezialgebiet Tier-Physiotherapie zu versuchen.

„Hunde sind für Tier-Physiotherapie gut geeignet, Katzen weniger.“
Lisa Zohmann, Tier-Physiotherapeutin

An der Schaffung eines entsprechenden Berufsbilds für Österreich samt dazugehöriger Ausbildung wird derzeit gearbeitet. "Das bedeutet für mich, ich arbeite unter Aufsicht der auf physikalische Medizin spezialisierten Tierärztin Birgit Lidolt, die auch die Diagnose erstellt, und erarbeite in Absprache mit ihr einen Therapieplan", betont die 32-Jährige. Der Fokus bei der Tier-Physiotherapie liegt auf Kleintieren, insbesondere auf Hunden. "Katzen sind meist nicht so kooperativ, vor allem das Unterwasser-Laufband funktioniert naturgemäß bei ihnen nicht immer", schmunzelt die junge Frau.

Bei der Tierärztin eingemietet

Lisa Zohmann ist eine von rund 2000 Salzburgerinnen und Salzburgern, die heuer, der Coronapandemie zum Trotz, den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt haben. Ihre Ausbildung war abgeschlossen, deshalb kam ihr die Anfrage von Tierärztin Birgit Lidolt sehr gelegen, mit ihr in ihrer Praxis "OrthoDoc" zusammenzuarbeiten. Mit dem angemeldeten Gewerbe hat sie sich bei Lidolt eingemietet. "Wir sind beide in Maxglan daheim und haben festgestellt, dass das gut zusammenpasst", freut sich die Tierärztin.

Bei Birgit Lidolt erfolgen Erstuntersuchung, Gangbildanalyse, umfangreiche Anamnese und Diagnose. "Dann schauen wir, welche Therapie nötig und hilfreich ist", erklärt die Veterinärmedizinerin. "Die Physiotherapie zielt darauf ab, den physiologischen Bewegungsablauf wiederherzustellen und die Eigenregulation des Körpers anzuregen. Vor allem kommt sie bei Schmerzen zur Anwendung, weil sie gut wirkt und sich bemerkenswerte Erfolge erzielen lassen. Es müssen ja nicht immer Medikamente gegeben werden. Das ist auf lange Sicht wichtig, vor allem um bei den Tieren im mittleren Alter die Belastung durch Medikamente zu reduzieren", erklärt sie die Zusammenarbeit.

Kreuzbandrisse und Hüft-Dysplasien

Wie bei den Menschen werden auch bei Tieren Gelenke, Beweglichkeit und Gang genau angeschaut. Wie bei den Menschen geht es um Erkrankung oder Verletzungen des Bewegungsapparats. Kreuzbandrisse oder -einrisse kommen häufiger vor, als man meinen möchte. Nach Unfällen oder Operationen muss langsam wieder die Belastungsfähigkeit erhöht werden, um einen Operationsverlauf zu optimierten. "Besonders wichtig ist die Früherkennung, denn eine häufige Erkrankung bei Hunden ist die Hüft-Dysplasie", betont Lidolt. Bei der Hüft-Dysplasie passen Hüftkopf und -pfanne nicht optimal zusammen. "Bei Welpen gibt es ein Zeitfenster zwischen der 16. und 20. Lebenswoche, wo das im Röntgenbild gut erkennbar ist. Später sind die Wachstumsfugen geschlossen. Da kann man mit entsprechender Therapie zum Muskelaufbau gut eingreifen. Vor allem lassen sich spätere Schäden, die meist erst ab der Lebensmitte sichtbar werden, gut eingrenzen und Probleme im Alltag verhindern. Diese entstehen nämlich, weil das Tier eine Schonhaltung einnimmt und sich die Abnützungserscheinungen auf andere Körperregionen verlagern", so die Tierärztin.

Neben dem Unterwasser-Laufband haben sich in der Therapie auch die sogenannten Wackelbretter gut bewährt. "Ich stelle mich mit dem Tier darauf. Durch die Instabilität und die Verlagerung des Gleichgewichts werden die vielen kleinen Muskeln trainiert, was wiederum den gesamten Bewegungsapparat kräftigt", führt Lisa Zohmann aus und steigt mit Sam auf eines. Auch hier macht die Aussicht auf eine kleine Belohnung das Ansinnen leicht, er ist ein braver Hund.

Die großen Behandlungsbereiche sind Massagen und Krankengymnastik. "Sie gehören aber immer mit anderen Behandlungsmethoden zusammen. Die Massage bereitet den Körper auf aktive und passive Bewegung vor, um die Beweglichkeit zu trainieren." Mit neurophysiologischen Methoden werden neurologische Probleme behandelt. "Damit werden Nerven angeregt bzw. stimuliert, um sie zu erinnern, was sie zu tun haben", sagt die Therapeutin. Ein einfaches, aber gut wirksames Trainingsgerät sind "Cavaletti-Stangen", über die das Tier steigen muss - ebenfalls, um die Beweglichkeit zu trainieren. Zusätzlich kommen Stromtherapie-Behandlungen oder die Interferenzstrom-Regulationstherapie zum Einsatz. "Ein mittelfrequenter Strom regt die Zellen im Körper an, in jener Frequenz zu arbeiten, in der sie sollen." Veterinärmedizinische Anwendungen wie Akupunktur und Lasertherapie ergänzen das Spektrum. "Der Laser geht tief und sorgt auf diese Weise für Schmerzreduktion, Muskelentspannung und Geweberegeneration." Neben dem breiten Behandlungsangebot geben Tierärztin und Tier-Physiotherapeutin den Besitzern Therapievorschläge und Übungen für daheim mit, vor allem für Junghunde. Denn auch hier gilt: Frühzeitige Vorsorge und Training ersparen dem Tier im Alter eine Reihe von Schmerzen, Belastungen und Problemen. "Im Nachhinein wird's viel schwieriger", sind sich beide einig.