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Kreativ aus der Krise: Recruiting über Social Media

Mehr als 80 Prozent der Betriebe tun sich schwer, Fachkräfte zu finden: Wie Social Media und die Gaming-Szene bei der Suche nach Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern helfen können.

Gamerinnen und Gamer bringen viel mit, was in der Arbeitswelt gefragt ist:
Gamerinnen und Gamer bringen viel mit, was in der Arbeitswelt gefragt ist:

"In der Informationsflut funktioniert die klassische Trias einer Stellenanzeige nicht mehr: Wir sind, wir bieten, wir suchen", sagt Thoman Gaiswinkler, Enterprise Account Executive DACH bei LinkedIn. Recruiting müsse relevant sein, sonst werde es nicht wahrgenommen. Was zählt, ist der erste digitale Eindruck, etwa die Unternehmenspräsentation im Internet und auf Social Media. Die heimischen Personalverantwortlichen stehen derzeit nämlich vor einer Herausforderung, die es so noch nie gab: einem akuten Fachkräftemangel. War das noch vor Kurzem vor allem ein Problem der IT-Branche, trifft es nun alle Sparten. Mehr als 80 Prozent der mittelständischen Unternehmen in Österreich haben Schwierigkeiten, geeignete Fachkräfte zu finden. 40 Prozent beklagen laut einer Studie von Ernst&Young als Folge erhebliche Umsatzeinbußen.

Wie können Unternehmen potenzielle Bewerberinnen und Bewerber erreichen und sich gleichzeitig als attraktiver Arbeitgeber positionieren? Bei der Digital Innovation Session der Content Performance Group (COPE) präsentierten vier Expertinnen und Experten smarte Ideen für die Suche nach Talenten. "Recruiting muss den unausgesprochenen Regeln von Social Media folgen", betonte etwa Gaiswinkler. "Im Internet werden in 60 Sekunden mehr Informationen verbreitet, als wir im Leben konsumieren können. Millisekunden entscheiden darüber, ob einen User oder eine Userin der Inhalt interessiert oder nicht. Belangloses wird innerhalb von Sekunden vergessen."

Emotionen ansprechen: Beschäftigte erzählen von ihrem Job

Aber wie erkennt man, dass man interessant für die Zielgruppe ist? Was zählt, sind nicht die Zahlen der Likes oder Kommentare, sondern die Zeit, die die Nutzerinnen und Nutzer bei den Beiträgen verbringen. Nur wenn Unternehmen mit Themen auffallen, einen Unterschied machen, sind sie relevant. Und wie generell in der Kommunikation funktioniert auch im Recruiting Emotion besser als Fakten. Daher rät Gaiswinkler: "Die Marke sollte über Personen ergänzt werden. Lassen Sie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Wort kommen."

Genau das tut der steirische Onlinehändler Niceshops mit einer eigenen Landingpage namens Nice Code Valley. Auf dieser wird das Unternehmen nicht nur rational mit Zahlen und Fakten dargestellt, es werden auch die Emotionen der potenziellen Bewerberinnen und Bewerber angesprochen. Wie das geht? "Unternehmen sollen die Menschen ins Zentrum stellen. Menschen mögen Menschen", erklärt Carina Hödl, Teamlead der Nice IT von Niceshops. Diesem Credo folgend ließ das Unternehmen seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von ihrem Job erzählen, sei es in Form von Videos oder auf Karriereevents. "Die Bewerberinnen und Bewerber müssen wissen, worauf sie sich einlassen", so Hödl weiter. Dafür hat Niceshops auch ein Projekt auf Github, an dem Interessierte coden und sehen können, wie im Unternehmen entwickelt wird.

Eine positive Unternehmenskultur ist ein Treiber fürs Recruiting. "Keiner soll z'wider von der Arbeit nach Hause gehen": Das hat sich Niceshops zum Ziel gesetzt. Dass dieses auch tatsächlich erfüllt wird, beweist die diesjährige Auszeichnung als bester Arbeitgeber Österreichs in der Kategorie über 500 Beschäftigte durch das weltweit agierende Institut "Great Place to Work".

Einer der wichtigsten Faktoren beim Employer Branding: "Hinterlassen Sie einen authentischen Eindruck", betont Christian Moser, Leiter der Organisationsentwicklung bei Niceshops. Was das Unternehmen über die Kandidaten-Journey hinaus tun kann, um am Arbeitsmarkt attraktiv zu sein? Moser: "In Übererfüllung gehen." Also die Versprechen, die Bewerberinnen und Bewerbern gegeben werden, zu übertreffen. Hier setzt die Organisationsentwicklung an. Ein paar Beispiele: hohe Autonomie der Einzelnen, kollegial organisierte Teams, gemeinsame Entscheidungen.

Talentsuche in der Gaming-Szene

Um die gewünschten Zielgruppen zu erreichen, sollten Unternehmen außerdem neue Plattformen und Kanäle nutzen. "Vor allem im Bereich Gaming und eSports bestehen noch einige Möglichkeiten, federführend zu sein", meint Max Ratzenböck, Digital Business Consultant bei der COPE Group. Gaming ist ein Massenphänomen. Rund 5,3 Millionen Österreicherinnen und Österreicher spielen digital, die Szene besteht etwa zur Hälfte aus Frauen. Nahezu jede Altersgruppe und Bildungsschicht ist vertreten. Besonders interessant für Personalverantwortliche: "Die Fähigkeiten der Gamerinnen und Gamer decken sich mit den Anforderungen der MINT-Berufe. Sie sind technisch affin, haben eine hohe Medienkompetenz und zeichnen sich oft durch Ehrgeiz, Beharrlichkeit und Resilienz aus", so Ratzenböck. Wichtig: Gamer dort abholen, wo sie sind. Unternehmen könnten Employer Branding auf Streamingportalen wie Twitch betreiben, sich auf Gaming-Events zeigen oder ein eigenes Recruitingspiel auf der Gamingplattform Roblox erstellen.