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Klassenzimmer statt Redaktion

Ein beruflicher Neuanfang in der Mitte des Lebens. Brigitte Kirchgatterer hat ihn gewagt. So konträr sind die Berufe der Redakteurin und Lehrerin für sie nicht.

Neue Wege gehen
Neue Wege gehen

Für Brigitte Kirchgatterer schloss sich ein Kreis, als sie sich mit 39 Jahren entschieden hatte, den Journalismus an den Nagel zu hängen und Lehrerin zu werden. Schon nach der Matura hatte sich die Oberösterreicherin für ein Lehramtsstudium an der Universität Salzburg eingeschrieben. "Nach einem Jahr habe ich allerdings aufgegeben. Ich war nicht bereit für die Schule", blickt Kirchgatterer zurück. Sie überlegte, welche Fächer ihr stattdessen Spaß machen würden, und entschied sich für Deutsche Philologie und Kunstgeschichte - ohne Vorstellung, in welche Richtung es beruflich gehen könnte.

Durch einen Zufall kam sie zum Journalismus

Eines ihrer Wahlfächer, das sie absolvierte, war "Schreiben von Rezensionen" bei Ernst Strobl, damaligem Kulturredakteur der "Salzburger Volkszeitung" (SVZ) und später in gleicher Funktion bei den "Salzburger Nachrichten". Mit ihrer Liebe zu Theater und Kunst gefiel Kirchgatterer die Vorstellung, gratis ins Theater und zu Vernissagen gehen zu können und im Anschluss darüber zu berichten. Ihre Texte schafften es in die SVZ. Parallel zum Studium schrieb sie als Freie für die Zeitung. Schließlich absolvierte Kirchgatterer eine Ausbildung am Kuratorium für Journalismus (KfJ). Sie lernte dabei die verschiedenen Textsorten kennen und unter Druck zu schreiben und sie bekam "heftiges Feedback" von renommierten Journalisten, die ihre Texte analysierten. Daneben schloss sie ihr Studium ab.

Die Ausbildung am KfJ war nach Aussage von Kirchgatterer eine gute Schule fürs Leben - und auch ein Karrieresprungbrett. Sie wurde nämlich an das Bundesland-Büro des "Kurier" in Salzburg empfohlen, für das sie letztlich 15 Jahre lang tätig sein sollte. Sie schrieb für die Ressorts Lokales, Wirtschaft, Politik, Gericht und Reise. "Ich machte alles, außer Sport und Kultur", fasst Kirchgatterer zusammen. Die Abwechslung machte für sie den Reiz aus. Der Journalismus bot mehrere Privilegien. "Man kann unendlich viele Fragen stellen und sie werden einem meist beantwortet. Außerdem erhält man Zugang zu Bereichen, wo man als normaler Mensch nicht hinkommt." Kirchgatterer lernte viele Menschen und neue Dinge kennen, nicht nur am Telefon, sondern auch wenn sie "zu Geschichten hinausfuhr". Sie liebte das Reisen und fand die Hintergründe von Gerichtsfällen "irrsinnig spannend".

Ein Wow-Moment war für sie zum Beispiel ein Interview mit Peter Heidegger und dessen Mutter. Heidegger war zunächst als Mörder einer Salzburger Taxilenkerin verurteilt und dann nach acht Jahren Haft als unschuldig freigesprochen worden. Das Interview nach seiner Entlassung und wie es dabei menschelte, das bleibt Kirchgatterer unvergessen.

Über all die Jahre lebte sie mit dem Druck, jeden Tag neue Themen für Artikel zu finden. Sie besuchte Termine abends und am Wochenende, berichtete über Ereignisse, die außerhalb ihrer Dienstzeit passierten. Mit der Zeit stellten sich allerdings Abnutzungserscheinungen ein. Hinzu kam, dass sich im Journalismus Strukturen veränderten, die die Medienbranche an sich wie auch den Arbeitsalltag von Brigitte Kirchgatterer betrafen.

Wenn nicht jetzt, wann dann?

Da Personal gestrichen wurde, musste die Redakteurin mehr arbeiten. Die Recherchezeit für große Geschichten blieb meist auf der Strecke. "Die Unzufriedenheit mit der Arbeit wuchs", erzählt Kirchgatterer. "Ich habe für den Journalismus nicht mehr so gebrannt wie früher. In der Hälfte meines Arbeitslebens war es Zeit, etwas anderes zu machen." Wenn nicht jetzt, wann dann? Die damals 39-Jährige entschied sich, zurückzukehren zu ihren Wurzeln und Lehrerin zu werden. "Nach der Matura war ich noch nicht reif dafür. Mit knapp 40 Jahren hatte ich aber ein anderes Auftreten." Sie studierte Geschichte und Deutsch und genoss die Zeit unter ihren jüngeren Mitstudierenden.

Neuanfang als Gymnasiallehrerin

Der berufliche Neuanfang wurde von ihrem Umfeld nie infrage gestellt, vielmehr als Chance betrachtet, dass Kirchgatterer ruhiger wird und ein geregelteres Arbeitsleben hat. Während des Studiums, das sie in sechs Semestern absolvierte, lebte Kirchgatterer von ihrem Ersparten, nebenbei arbeitete sie in einer Werbeagentur. Nach dem Abschluss bekam sie eine Stelle am Privatgymnasium der Herz-Jesu-Missionare in Salzburg. Das Kennenlernen der Kollegen und das Unterrichten der Schüler waren aufregend, der Einstieg verlief reibungslos. "Es hat null Probleme gegeben. Es war schön, in die Gemeinschaft hineinzuwachsen", erinnert sich Kirchgatterer. Sie lobt die guten Strukturen der Schule, die es für Berufseinsteiger leicht machen würden, sowie das offene, hilfreiche Kollegium, das sich gegenseitig unterstütze. "Ich bin sehr froh, an dieser Schule gelandet zu sein."

Redakteurin und Lehrerin - die Berufe mögen auf den ersten Blick unterschiedlich sein, haben nach Kirchgatterers Erfahrung aber auch einige Gemeinsamkeiten. Beide wollen komplexe Inhalte verständlich und interessant vermitteln und Menschen zum kritischen Reflektieren anregen. Darüber hinaus wollen sie auf ein Thema oder einen Sachverhalt neugierig machen und sie haben ein Auge auf das große Ganze, die Gesellschaft.

Bild: SN/privat
Ich bin mit beiden beruflichen Leben sehr zufrieden und glücklich.
Brigitte Kirchgatterer, Gymnasiallehrerin

Die heute 48-Jährige steht heute wie damals hinter ihrem Jobwechsel und kann die Erfahrung des Neuanfangs nur weiterempfehlen. "Etwas Neues machen zu dürfen ist etwas ganz Tolles." Sie lerne nach wie vor Neues dazu, etwa neue Inhalte, Lernformen und technische Möglichkeiten, die das Homeschooling in der Pandemie mit sich gebracht habe. Kirchgatterer will ihren Schülern Wissen vermitteln und lernt dabei gleichzeitig von ihnen. "Ich darf wieder neugierig sein", fasst sie ihre berufliche Situation zusammen.

Sie findet es fantastisch, Lehrerin zu sein, und empfindet es als Privileg, den Beruf der Redakteurin ausgeübt haben zu dürfen. "Ich bin mit beiden beruflichen Leben sehr zufrieden und glücklich."