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Jobsuche mit Behinderung - Hilfe durch spezielle Plattformen

Hat sich der Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung im letzten Jahrzehnt verbessert? Eine Bilanz.

Strukturelle Veränderungen sind nötig, um eine Chancegleichheit herzustellen.
Strukturelle Veränderungen sind nötig, um eine Chancegleichheit herzustellen.

"In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Lage für Bewerber mit Behinderung stark verbessert", sagt Gregor Demblin. "Aber es muss noch viel mehr auf struktureller Ebene passieren, damit sie die gleichen Chancen haben wie Bewerber ohne Behinderung." 2009 hat Demblin gemeinsam mit Wolfgang Kowatsch die Jobplattform Career Moves für Menschen mit Behinderung aus der Taufe gehoben. 2014 gründeten die beiden myAbility - eine Unternehmensberatung mit sozialer Mission: nämlich aus der Wirtschaft heraus eine chancengerechte und barrierefreie Gesellschaft zu schaffen. Dazu beraten sie Unternehmen im DACH-Raum bei der Entwicklung von Inklusionsstrategien.
Wie sieht das Arbeitsmarktservice die Lage? Johannes Kopf, Vorstandsmitglied des AMS Österreich, sagt: "Wir haben aktuell etwa 3300 freie Stellen, bei denen extra darauf hingewiesen wird, dass Menschen mit Behinderung gerne aufgenommen werden. Das hat zum einen mit Bewusstseinsarbeit zu tun. Zum anderen aber auch mit dem Fachkräftemangel."

Aufklärung für Unternehmen

Allerdings zeigen die aktuellen Arbeitsmarktzahlen, dass es für Menschen mit Behinderung weiterhin schwierig ist, am Jobmarkt Fuß zu fassen. Die Arbeitslosenquote begünstigt behinderter Menschen ist von neun Prozent im Jahr 2017 auf rund acht Prozent im Vorjahr gesunken. Damit lag sie jedoch immer noch über der gesamten Arbeitslosenquote (2017: 8,5 Prozent, 2018: 7,7 Prozent).

Nicht alle Menschen mit Behinderung sind in diesen Zahlen erfasst. Insgesamt leben in Österreich rund 1,7 Millionen Menschen mit Behinderung. Mit 110.741 hat nur ein Bruchteil von ihnen den Begünstigtenstatus (SMS). 2018 machte die Gruppe der Menschen mit Begünstigtenstatus oder gesundheitlichen Vermittlungseinschränkungen 24 Prozent aller Arbeitslosen aus. "Es ist vor diesem Hintergrund daher besonders wichtig, weiter bei Unternehmen für Aufklärung zu sorgen", hält Gregor Demblin fest. Bei vielen Unternehmen habe durchaus ein Wandel in den Köpfen stattgefunden, berichtet Demblin. "Das Bewusstsein, dass Mitarbeiter mit Behinderung ein unausgeschöpftes Potenzial darstellen, ist wesentlich größer als vor zehn Jahren. Auch die Wichtigkeit von unternehmensweiten Inklusionsstrategien ist ihnen bewusst."

Ein Beispiel aus der Praxis

Helen, Jobsuchende mit Sehbehinderung, wäre vor zehn Jahren auf herkömmliche Jobbörsen angewiesen gewesen. Sie hätte, um ein Jobinterview zu bekommen, ihre Behinderung verschwiegen. Im Bewerbungsprozess wäre sie auf Barrieren gestoßen, vor allem in den Köpfen. Heute findet sie auf speziell ausgerichteten Plattformen mehrere passende Stellenausschreibungen - dazu kommt: Sie weiß, dass diese Unternehmen keine Angst vor ihrer Behinderung haben. Nicht nur, dass HR-Mitarbeiter und Vorgesetzte durch Awareness-Schulungen sensibilisiert wurden, sie spüren auch Druck durch Investoren und Aktionäre, konkrete Maßnahmen zur Inklusion einzuführen. Einen weiteren Zugang findet Helen über Talent-Programme, in denen studierende High Potentials mit Behinderung zu Unternehmen finden.

Unternehmensförderung notwendig

"Um die Arbeitslosigkeit bei Menschen mit Behinderung zu reduzieren, brauchen wir außerdem aber strukturelle Veränderungen", sagt Demblin, der zweierlei Maßnahmen vorschlägt. Einerseits eine spezifische Unternehmensförderung, um bewusstseinsbildende Maßnahmen und Disability-Strategien umzusetzen. "Es gibt mit viel Geld ausgestattete Förderungen, die allerdings erst dann greifen, wenn Unternehmen bereits an der Umsetzung sind. Aber man muss viel früher ansetzen."
Zweitens schlägt Demblin effizientere Strukturen bei der Ausschreibung von Jobs für Menschen mit Behinderung vor. "Es gibt eine Verwässerung bei der Vermittlung", sagt Demblin. Spezialisierte, regionale Dienstleister schicken individuell Kandidaten, die nicht immer die geeignetsten sind. "Wir empfehlen, nach dem englischen Remploy-Modell einen One-Stop-Shop einzurichten. Bei diesem übernimmt ein Exklusivdienstleister vier Wochen lang eine Trichterfunktion und trifft die beste Vorauswahl für Unternehmen."

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