SN.AT / Leben / Karriere

Homeoffice und die Psyche

Pro und Kontra des Zuhause-Arbeitens. Zwei bis drei Tage daheim arbeiten macht im Schnitt zufriedener - doch es lauern auch Probleme.

Homeoffice birgt das Potenzial in sich, Familie und Arbeit besser zu vereinen – und das Risiko, zu wenige Grenzen zwischen Privat- und Berufsleben zu ziehen.
Homeoffice birgt das Potenzial in sich, Familie und Arbeit besser zu vereinen – und das Risiko, zu wenige Grenzen zwischen Privat- und Berufsleben zu ziehen.

Spätestens mit der Pandemie kam in vielen Firmen auch das Homeoffice. Ausgestattet mit der technischen Ausrüstung ist daheim nahezu alles möglich, was auch im Büro geht - und doch ist vieles anders. Wie sich das psychisch auf Menschen auswirkt, darüber berichtet Karin Hagenauer, Arbeitspsychologin bei der Arbeiterkammer.

Bild: SN/ak salzburg
Homeoffice darf nicht bedeuten, immer erreichbar sein zu müssen.
Karin Hagenauer, Arbeitspsychologin der Arbeiterkammer

Fangen wir mit dem Positiven an: Was sind die Vorteile, die Homeoffice aus psychologischer Sicht bringen kann? Karin Hagenauer: In einer psychologischen Untersuchung haben Forscher Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Homeoffice mit einer Kontrollgruppe vor Ort im Betrieb verglichen. Sie kamen zum Ergebnis, dass die Homeoffice-Gruppe über mehr Spielraum in ihrer Zeiteinteilung und weniger Arbeitsunterbrechungen berichtete. Der höhere Zeitspielraum kann sich positiv auf die Arbeitsmotivation auswirken. Arbeitsunterbrechungen wiederum sind entscheidende Stressoren, die die Produktivität negativ beeinträchtigen. Eine europaweit durchgeführte Befragung kommt zum Ergebnis, dass Menschen, die im Homeoffice arbeiten, von geringeren Pendelzeiten, mehr Zeit für die Familie und einer günstigeren Work-Life-Balance berichten.

Was sind wiederum die Schattenseiten von Homeoffice? Bei den negativen Effekten sind vor allem die als eingeschränkt wahrgenommenen Kommunikationsmöglichkeiten und mangelnde soziale Interaktion anzuführen. Gerade bei höherer Homeoffice-Nutzung verschlechtert sich die Beziehungsqualität zu Kollegen, was sich negativ auf das Empfinden sozialer Unterstützung auswirken kann. Das wiederum ist eine sehr wichtige Ressource, um Stresserleben bei hohen Anforderungen zu vermeiden. Weitere negative Effekte betreffen die Ausdehnung der Arbeitszeit, steigende Arbeitsintensität sowie eine Aufweichung der Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit. Durch die Wandlung von Arbeit in eine mobile Form sind viele auch außerhalb der regulären Arbeitszeit mit ihrem Beruf beschäftigt. All das kann zu einer geringeren Arbeitszufriedenheit und einer emotionalen Erschöpfung führen.

Wenn wir über Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit sprechen: Steigt Ihrer Erfahrung nach der Druck, immer erreichbar zu sein? Selbst wenn ständige Erreichbarkeit nicht explizit gefordert wird, kann sich gerade im Homeoffice das Gefühl einstellen, dass diese implizit erwartet wird. Ist es Teil der Führungskultur eines Unternehmens, E-Mails weit außerhalb der Arbeitszeit zu verschicken, steigt der Druck auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dies ebenfalls zu tun. Aus diesem Grund ist es besonders wichtig, der permanenten Erreichbarkeit faktische Grenzen zu setzen. Hierfür empfiehlt es sich, klare Regeln mit Vorgesetzten sowie Kollegen zu vereinbaren. Zur Erholung ist es hilfreich, nach Arbeitsende Laptop und Diensthandy auch wirklich auszuschalten.

Wie lässt sich Homeoffice für das eigene Wohlbefinden am besten gestalten? Bevor jemand ins Homeoffice wechselt, sollte er oder sie sich überlegen, welche Tätigkeiten sich dafür eignen. In der Regel sind dies Aufgaben, die eine hohe Konzentration erfordern, bei denen es kaum einen Austausch mit anderen braucht und die viel Gestaltungsspielraum haben. Wichtig ist, dass Arbeit nicht ausschließlich zu Hause stattfindet. Untersuchungen zeigen, dass Personen, die zwei bis drei Tage pro Woche im Homeoffice verbringen, ihre Arbeitszufriedenheit als hoch einstufen. Dauerndes Homeoffice führt hingegen zu Abkoppelungsgefühlen. Es sind negative Folgen zu befürchten, unter Umständen droht sogar das Gefühl von sozialer Isolation.

Wie schafft man es, Homeoffice und Betreuungssituationen, beispielsweise mit Kindern oder zu pflegenden Angehörigen, zu kombinieren? Manchmal sind wir - gerade in den Phasen der Lockdowns - gezwungen, Betreuungssituationen mit der Arbeit im Homeoffice zu kombinieren. Grundsätzlich aber rate ich davon ab. Auch bei der Arbeit im Homeoffice sollte die Betreuung während der Arbeitszeit von anderen Personen oder Institutionen übernommen werden. Homeoffice darf nicht die Lösung der Kinderbetreuungsproblematik oder mangelnder Pflegekräfte sein.

Was sind die größten Risiken von Homeoffice, was wiederum das größte Potenzial? Homeoffice sollte nicht isoliert betrachtet werden, sondern muss im Rahmen der Arbeitswelt verstanden werden. Diese Arbeitswelt ist geprägt von hohem Arbeitsdruck und Stress. Zirka 60 Prozent der Salzburger Beschäftigten arbeiten unter den Bedingungen hoher Reizintensität, dauerhaften Multitaskings und pausenlos erforderlicher Konzentration. Das sind alarmierende Daten, die politischen Handlungsbedarf anmelden.

Unterbleiben Maßnahmen, die diesen Tendenzen entgegenwirken, können sich jene auch im Homeoffice verstärken - Stichwort Erreichbarkeit via Knopfdruck.