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Hier wird Bier samt Job serviert

Wer neue Beschäftigte gewinnen will,darf sich heute einiges einfallen lassen. Ein Innviertler Unternehmen geht im Wirtshaus auf Kandidatensuche.

Schwungvoll stellt ein Innviertler Wirt zwei Halbe Bier auf den Tisch und schiebt zwei hellgrüne Bierdeckel unter die kalten Getränke. Doch statt zu trinken, inspizieren die Gäste die knapp zehn mal zehn Zentimeter großen Kartons. "Deine dynamische 2 Minuten Bewerbung bei HAI" steht darauf. Dazu gesellen sich fünf QR-Codes. Jeder führt zu einem Job, der dringend besetzt werden will. Scannen die Herren im Wirtshaus einen der Codes mit ihrem Handy, so können sie sich ganz einfach mit einer kurzen Sprachnachricht auf eine der Stellen bewerben.

Die Idee, offene Posten auf diese Art unter potenzielle Kandidaten zu bringen, kommt von Bettina Bogner. Sie leitet das Recruiting bei Hammerer Aluminium Industries (HAI) in Ranshofen im Innviertel. Ihr Unternehmen sucht Menschen, die Produktionsgroßanlagen bedienen, Pressen fahren, Werkzeuge vorbereiten, die Schlosser, Maschinenbautechniker, Instandhalter, Elektriker oder IT-Trainees sind. Bogner sagt: "Kreativität hat aktuell fast den höchsten Stellenwert in meiner Arbeit. 08/15-Inserate sind kein Weg, um Stellen gut zu besetzen. Also gibt es nun die QR-Codes auf den Bierdeckeln, weil man im Innviertel eben gerne einmal ein Bier trinkt." Dahinter steckt nicht nur moderne Technologie, sondern ein besonders leichter Einstieg in den Bewerbungsprozess. "Anschreiben, Zeugnisse und ein Lebenslauf sind wichtig. Aber nicht beim ersten Andocken an eine Firma. Deshalb kann man uns eine Sprachnachricht am Handy schicken und so Interesse bekunden. Dann kommen wir aktiv auf die Leute zu."

Unternehmen setzt auf Bewerberinnen und Bewerber aus der Region

Einer, der von solchen Neuerungen profitiert, ist HAI-Logistikleiter Gerhard Huber: "In Zeiten, in denen alle dringend Fachkräfte suchen, sind Bewerberinnen und Bewerber aus der Region für uns besonders wichtig. Bei ihnen wiederum sind kurze Anfahrtswege zum Arbeitsplatz gefragt, gerade inmitten von Energiekrise und Teuerungen." Außerdem betont er den Wert einer einfachen Einladung zur Bewerbung: "Die Bieruntersetzer ermöglichen Interessierten eine schnelle Kontaktaufnahme zu Unternehmen - und ab geht's in den Bewerbungsprozess."

Für den Einsatz derart kreativer Methoden wie des "Wirtshaus-Recruitings" (und freilich auch anderer Maßnahmen) haben Bettina Bogner und ihr Team kürzlich beim "Best Recruiter"-Award den ersten Platz in der Branche Industrie belegt. Eine Auszeichnung, welche die Recruiting-Leiterin als Ansporn sieht: "Für uns ist die Teilnahme wie ein jährliches Audit zur Qualitätssicherung und Weiterentwicklung. Wir bekommen Testbewerbungen, unsere Webseite wird analysiert. So können wir uns mit der Konkurrenz vergleichen und immer besser werden."

Fachkräftemangel: Was hinter dem Kampf um die besten Köpfe steckt

"Dem demografischen Wandel ist es geschuldet, dass wir Ideen wie die Bierdeckel in der Gastwirtschaft brauchen", sagt Katja Wiedemann vom Fachbereich Human Resource Management & Leadership an der Fachhochschule Salzburg und lobt die Recruiting-Idee dafür, dass sie eingesetzt wird, wo potenzielle Bewerber sich tatsächlich aufhalten. Wiedemann spricht von einem regelrechten Kampf um Talente am Arbeitsmarkt, denn die Babyboomer-Generation verlässt diesen gerade und geburtenschwache Jahrgänge kommen mit großem Selbstbewusstsein und starken Forderungen nach. Das Ergebnis: "Wenn es bis vor wenigen Jahren nicht der Bewerber wurde, der um 11 Uhr zur Tür hereinkam, dann war es eben der um 12 Uhr. Das hat sich grundlegend geändert. Jetzt weiß der Arbeitgeber, dass Bewerber mehrere Optionen prüfen und er nur eine Möglichkeit unter mehreren ist."

Also müssen sich Arbeitgeber nun vermarkten, statt auf zahlreiche Bewerbungen zu warten. Es heißt kreativ sein, Ideen haben, eine gute Arbeitgebermarke sein - und zwar mit den Eigenschaften "bekannt, authentisch, glaubwürdig", erklärt Wiedemann. Der Ruf des Unternehmens habe besonders viel Einfluss auf Entscheidungen etwaiger Einsteigerinnen und Einsteiger und Mundpropaganda sei nach wie vor ein wichtiger Weg, um an neue Leute zu kommen.

Was sich Jobsuchende heute im Bewerbungsprozess wünschen

Für Recruiterinnen und Recruiter bedeuten diese Veränderungen, dass sie vor allem sich selbst und ihren Stil rasch anpassen müssen. Will heißen: "Bewerber müssen im Rekrutierungsprozess absolut positive Erfahrungen machen. Sie wollen mit echten Menschen sprechen, nicht online mit einem Chatbot. Sie wollen schnelle Antworten und einfache Wege", sagt Wiedemann. Der beste Tipp der FH-Expertin: "Pflegen Sie einen richtig guten Umgang mit bestehenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Denn je weniger Fluktuation herrscht, desto weniger muss man rekrutieren."

Dem stimmt auch Bettina Bogner zu. Außerdem sei es nicht damit getan, neue Werkzeuge zu finden, um Kandidaten zu begeistern. "Bewerber müssen ein gutes Onboarding haben und danach auch gehalten werden. Das heißt, dass wir auch unsere Führungskräfte beständig schulen und den Austausch unter ihnen fördern müssen." Wenn es darum geht, Frauen und Männer bei HAI neu anzustellen, gibt es neben der fachlichen Qualifikation laut Bogner ein Kriterium, das letztendlich entscheidet, wer ins Team kommt. "Wir schauen genau darauf, ob ein Mensch - unabhängig von der Kompetenz - zu uns passt. Das Miteinander ist uns wichtig. Deshalb hatten wir auch Einstellungen, bei denen die Qualifikation vielleicht noch nicht zu 100 Prozent gepasst hat, dafür das Zwischenmenschliche."