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"Hebammenarbeit ist Handwerk, Mundwerk und Wissenschaft"

Österreich fehlen die Hebammen. Das ist unter anderem ein Grund, warum die Zahl der Ausbildungsplätze des gleichnamigen Studiums an der Fachhochschule Salzburg erhöht wurde.

Wenn Frauen ausreichend Unterstützung erhalten, hat das messbare Auswirkungen auf die Gesundheit von Mutter und Kind.
Wenn Frauen ausreichend Unterstützung erhalten, hat das messbare Auswirkungen auf die Gesundheit von Mutter und Kind.

Seit 2006 absolvieren Hebammen ein dreijähriges Studium an Fachhochschulen. An der FH Salzburg starten nun mit dem kommenden Wintersemester alle zwei (statt wie bisher alle drei) Jahre hintereinander je 24 potenzielle Geburtshelferinnen. Der Bachelorstudiengang "Hebammen" steht dort mit Beate Elvira Lamprecht zudem unter neuer Leitung. Die gebürtige Kärntnerin möchte sich in den nächsten Jahren besonders für die Ausweitung der Praktikumszeiten, neue Lehr- und Lernmethoden sowie die interprofessionelle Zusammenarbeit einsetzen.

Neben der Erhöhung der Ausbildungsplätze: Wie wurde das Studium "Hebammen" für die kommenden Semester umgebaut? Beate Elvira Lamprecht: Wissenschaftliche Kompetenzen - zum Beispiel unterscheiden zu lernen, welche Literatur oder Studien hochwertig sind - gehören zu den ganz wichtigen Fähigkeiten von Hebammen. Wir legen noch mehr Wert auf das Entwickeln dieser Kenntnisse, und zwar in allen Semestern. Dazu gehören zahlreiche Beispiele aus der Hebammenwissenschaft und Geburtshilfe.
Außerdem ist der Hebammenberuf hoch schadensträchtig. Wenn also etwas passiert, kann das mit fatalen Konsequenzen für Mutter, Kind und Familie verbunden sein. Darum benötigen wir verbesserte Übungsmöglichkeiten, sogenannte Lern-Labore. In meiner Ausbildungszeit haben wir direkt an den Frauen und Neugeborenen gelernt und geübt. Heute simuliert man mit Puppen, teilweise schlüpfen die Studierenden selbst in die Rollen und lernen so die Seite der Gebärenden kennen.

Als Frau bzw. als Eltern wird man zwar bis zur Geburt vorbereitet - aber danach? Wenn man erst einmal realisiert hat, dass man nun ein Kind hat: Welche Rolle spielen hier Hebammen? Hebammen sind eine rund um die Geburt arbeitende Profession. Viele meinen, dass die Hebamme nur für die Geburt an sich, vielleicht noch das Wochenbett zuständig ist. Der Beruf ist aber vielseitiger. Das Hebammengesetz gibt uns den Tätigkeitsbereich und die Grenzen vor, das reicht von der Familienplanung über Vor- und Nachsorge bis hin zu Stillgruppen oder Beckenbodengesundheit.

Bild: SN/FH Salzburg/Stefan Grauf-Sixt
„Stressige Situationen meistert man im Team und mit Atmen.“ Beate Elvira Lamprecht, Leiterin Studiengang Hebammen, FH Salzburg

Wir sind professionell Ausgebildete, an uns orientieren sich Paare beim Elternwerden und -sein - in erfreulichen, herausfordernden, aber auch in schwierigen Situationen. Etwa, wenn ein Kind krank oder beeinträchtigt zur Welt kommt. Vielen Eltern fehlen Vorbilder, sie haben noch nie ein Baby in Händen gehalten oder gewickelt. Manche lassen sich in diesen Phasen von Hebammen beraten und begleiten. Und nicht zu vergessen: die Situation, wenn ein weiteres Kind geboren wird. Gerade als Hebammen in der häuslichen Nachsorge beziehen wir auch die (manchmal eifersüchtigen) Geschwisterkinder mit ein.

In Sachen Stillen herrscht großer gesellschaftlicher Druck, der vielen Frauen auch vonseiten der Hebammen im Krankenhaus aufgelastet wird. Es gibt quasi keine andere Option, obwohl Frauen dadurch oft mehr be- als entlastet werden. Wie sehen Sie das? Stillen ist ein Recht, keine Pflicht. Wenn man sich allerdings mit der Bedeutung des Stillens intensiver beschäftigt und sich der Auswirkungen des Nicht-Stillens oder Nicht-gestillt-Werdens bewusst ist, erscheinen wir Befürworterinnen nicht extrem.
Erhalten Frauen ausreichend Unterstützung - das beinhaltet sowohl die fachliche Stillberatung als auch die Entlastung im persönlichen Umfeld -, gibt es höhere Stillraten, zufriedenere Mutter-Kind-Paare und messbare Auswirkungen auf die Gesundheit von Mutter und Kind.

Sie bringen selbst jahrelange berufliche Erfahrung mit: Wie meistert man stressige Situationen im Kreißsaal? Im Team, mit Fachwissen, Humor und mit ganz bewusstem Atmen. Routine wird Geburt nie, es sind immer individuelle Menschen und Situationen. Aber Abläufe können routiniert werden, das erhöht die Sicherheit und erleichtert das Arbeiten. Eine Geburt ist Teamwork von Kind, Mutter, Begleitperson und dem gesamten geburtshilflichen Team. Jeder Mensch, der dort arbeitet, trägt zur guten Zusammenarbeit bei.

Wie sehen die aktuellen "Geburten- Trends" aus: Sind Hausgeburten wieder mehr gefragt? Was brauchen Hebammen dafür? Meiner Ansicht nach ist die Zahl der Hausgeburten stabil niedrig. Gefragter sind Perinatalzentren, mit Hightech-Ausstattung und medizinischem Fachpersonal, das rund um die Uhr im Hintergrund steht. Wenn die Frau eine regelmäßige Schwangerenvorsorge in Anspruch genommen hat und kein Risiko bekannt ist, kann eine Hausgeburt sicher und das Richtige sein. Die Kontinuität in der Begleitung ist hier besonders essenziell. Da bei jeder Geburt etwas Unvorhergesehenes passieren kann, sind Notfalltrainings für alle Hebammen wichtig, insbesondere für Hausgeburtshebammen.

Ein Blick in die Zukunft: Was würden Sie sich für die österreichischen Hebammen wünschen? Für mich, die Frauen und Familien wünsche ich mir die Anerkennung der Hebammen als eigenverantwortliche Fachkräfte, eine ausreichende Anzahl an gut ausgebildeten Hebammen, die sowohl im Angestelltenverhältnis als auch freiberuflich so viel arbeiten können, wie sie möchten. Es ist viel zu tun, das sollte auf mehrere Schultern verteilt werden, denn auch Hebammen sind in Österreich durchwegs Frauen mit Bedürfnissen, Partnern und Familien.
Und: Wenn ich mir als Hebamme meines eigenen Wertes bewusst bin, funktioniert auch die Zusammenarbeit mit allen Beteiligten auf Augenhöhe.