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Gut führen: Persönlichkeit wiegt mehr als Position

Magdalena Holztrattner weiß, wie Führung geht. Nun hat sie einen kompakten Leitfaden für Leaderinnen und Leader geschrieben.

„Einfach gut führen“: ein kompakter Leitfaden für Führungspersonen von Magdalena Holztrattner.
„Einfach gut führen“: ein kompakter Leitfaden für Führungspersonen von Magdalena Holztrattner.

Sieben Jahre leitete Magdalena Holztrattner als Direktorin die Katholische Sozialakademie in Wien. Nun hat sie mit "Einfach gut führen" (Tyrolia) einen kompakten Leitfaden für Leaderinnen und Leader geschrieben. Die Businesstrainerin über Führungsversagen, den Nachholbedarf für Frauen und die Unterschiede zwischen Kirche und "weltlichen" Unternehmen.

Erleben wir derzeit einen Fachkräftemangel oder ein großflächiges Führungsversagen? Magdalena Holztrattner: Es wird wohl beides sein. Einerseits gehen derzeit etliche Babyboomer in Pension, andererseits kehren viele Menschen nach Corona nicht mehr in ihren angestammten Beruf zurück. Betriebe dürfen nicht mehr denken, dass jemand froh sein muss, für sie zu arbeiten. Sie müssen sich bemühen, gute Leute anzuwerben. Dabei ist das Gehalt nur eine Dimension. Ebenso wichtig ist, wie Entscheidungen getroffen werden, wie die Feier- und die Konfliktkultur aussehen, wie die Kommunikation im Unternehmen läuft und wie man mit Ungeplantem umgeht.

Literatur zum Führen gibt es reichlich - was ist das Besondere an Ihrem Buch? Ich verwende eine Sprache, die man leicht versteht. Menschen brauchen weder Studium noch teure Seminare als Vorbedingung, um mich und meine Botschaft zu verstehen. Wer Grundlagen zu Führungsthemen vertiefen oder nachschlagen möchte, nimmt mein Buch zur Hand.

Was macht für Sie den Unterschied zwischen Management und Leadership aus? Leadership beinhaltet für mich immer Menschenführung. Klar, das Unternehmensziel muss auch im wirtschaftlichen Sinn erreicht werden. Doch die herausforderndere Aufgabe ist Personalverantwortung. Das beinhaltet Verantwortung, Aufgaben, Mitarbeitergespräche, Onboarding - und Zeit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Niemand kann Führung - wenn sie ernst genommen wird - on top machen, also zu den Fachaufgaben dazu.

Ihr Buch richtet sich besonders an Frauen - wo haben sie Ihrer Meinung nach Nachholbedarf? Über Wissen verfügen Frauen ebenso wie Männer. Führungskräfte aller Geschlechter gehören für mich geschult, begleitet und in Reflexionszeiten geschickt. Ich nehme immer wieder wahr, dass Frauen allzu oft anderen den Vortritt lassen, wenn sie nicht alle Kriterien perfekt erfüllen. Deshalb ist Schulung in gesundem Selbstbewusstsein essenziell und der Blick auf Vorbildfrauen in Chefetagen hilfreich.

Welche Rolle spielt Scheitern auf dem Karriereweg? Sind auch Sie gescheitert? Na klar! Nicht Scheitern ist das Problem, sondern die Art, mit dem Scheitern umzugehen. Ich kann den Bruch verschweigen. Oder anderen für das Fehlverhalten die Schuld zuschieben - und das machen leider immer noch zu viele. Oder ich kann darüber reden und in begleiteter Reflexion über Ursachen und Konsequenzen fehlerhaften Handelns nachdenken. In Bewerbungsgesprächen schauen Entscheiderinnen und Entscheider auf einen "geradlinigen" Lebensweg und schätzen all die Kurven und Umwege darin zu wenig. Dabei können Unternehmen froh sein, Menschen zu haben, die viel erlebt und gesehen haben, die sozial dazugelernt haben und nicht nur fachlich ausgebildet sind.

Sie sagen: "Wer führen will, muss sich selbst führen" - Ihre Strategie? Das Wichtigste ist, sich zu spüren und zu reflektieren, wie man in einer Situation reagiert oder eben nicht reagiert hat. Der Freitag als Abschluss der Woche ist ideal dafür. Wer sich fragt, was in der vergangenen Woche gelungen ist, wo Gespräche gut gelaufen sind und wo man danebengegriffen hat, lernt sich selbst besser kennen. Und je besser man sich kennt, desto besser kann man aus seiner Persönlichkeit und nicht nur aus Position heraus führen.

Sie waren sieben Jahre Führungskraft. Welche Erkenntnisse daraus bringen Sie heute weiter? Ich habe viel Druck von verschiedenen Seiten erlebt und war ständig im Coaching. Ich bin bewusst und aktiv in meinen Freundschaften geblieben, ich habe Familienbeziehungen gepflegt, um nie nur für den Job zu leben. Mit dem Wissen, dass auch ich letztlich ersetzbar bin, habe ich dafür gesorgt, dass mein Team so viele Kompetenzen hat, dass es wesentliche Entscheidungen auch alleine treffen kann.

Wertschätzung ist so ein Wort der Stunde. Wie geht echte Wertschätzung für Sie? Indem ich anerkenne, was jede Person dem Unternehmen bringt, und zwar von der Reinigungsperson über die Fundraiserin bis hin zur Assistentin, die mich vor lästigen Daueranrufen schützt. Es geht darum, Dinge wahrzunehmen, hinzuschauen, was die Leute machen und wie es ihnen geht. Dazu gehören konstruktive Rückmeldungen, das Loben und das Anerkennen des Geleisteten.

Ihre Führungsposition hatten Sie in der katholischen Kirche inne. Die wesentlichen Unterschiede zu einem "weltlichen Unternehmen"? In der Kirche gibt es viel mehr Menschen, die aus tiefer Motivation heraus Wichtiges leisten. Konflikte werden leider oft vermieden oder oft nicht geschickt ausgetragen.

Ein Thema in der Kirche ist, dass Männer in Entscheidungspositionen kommen, weil sie Priester oder Diakone sind. Sollte es für Sie eine verpflichtende, unabhängige Ausbildung geben, um ihnen professionelles Managementwissen zu vermitteln, bevor sie ihre Posten antreten? Schulungen sind wichtig, denn niemand bekommt Führungskompetenzen mit einer Weihe vermittelt. Priester sind Teil der Welt, sie sollten nicht emporgehoben werden. Es kommt - wie bei allen Führungskräften - auf die spezifischen Kompetenzen, die Kommunikation und immer auch auf das Herz an. Denn eine gute Führungskraft führt nicht aus der Position, sondern aus ihrer gereiften Persönlichkeit.