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Gefühle im Job: Die Kraft der Emotion

Die Arbeitswelt wird immer diverser - und damit herausfordernder. Ein Lösungsansatz für Managerin Magdalena Rogl: Empathie als Teil des Führungsrepertoires.

Magdalena Rogl, „Botschafterin für Emotionen“: Privat und als Diversity & Inclusion Lead bei Microsoft Deutschland setzt sie sich für Gleichberechtigung und Vielfalt ein.
Magdalena Rogl, „Botschafterin für Emotionen“: Privat und als Diversity & Inclusion Lead bei Microsoft Deutschland setzt sie sich für Gleichberechtigung und Vielfalt ein.

Enttäuschung, wenn ein Projekt scheitert, Freude, wenn eines erfolgreich abgeschlossen wird: Emotionen wie diese sind in der Büroarbeitswelt aber mehr verpönt, als dass man sie zum Ausdruck bringt. In ihrem Buch "MitGefühl" und im Interview mit den SN schildert die Münchner Managerin Magdalena Rogl, warum Gefühle im Job sehr wohl etwas verloren haben und wie sie zum unverzichtbaren Kompass werden können, um sich selbst und andere besser zu verstehen.

Frau Rogl, wann werden Sie emotional? Magdalena Rogl: Ich bin immer emotional. Das zeichnet uns als Menschen aus. Die Frage ist nur, wie bewusst wir uns dieser Emotionen sind.

Wie kann man sich eigene und fremde Emotionen vergegenwärtigen und im Job nutzen? Selbstbewusstsein reduzieren wir im Sprachgebrauch oft auf Durchsetzungsstärke. Dabei steht das Wort vielmehr dafür, dass man sich seiner selbst, seiner Werte und Emotionen bewusst ist. In meinem Buch gibt es dafür kleine Übungen. So kann man sich morgens überlegen, was tagsüber ansteht. Gibt es ein Meeting, das mir Angst macht? Dann kann ich hinfühlen, was dahintersteht. Im Gespräch ist ein "Wie war dein Tag bisher?" etwa besser als ein "Wie geht's?", denn es lässt ehrliche Gespräche zu. Wichtig ist, niemanden zu zwingen, mehr preiszugeben, als er möchte.

Was hat Sie dazu gebracht, sich mit dem Thema Emotionen im Job zu beschäftigen? Ich war schon immer ein emotionsstarker Mensch. Gerade in meinem ersten Job als Betreuerin für Kleinkinder war ich da sehr gefragt. Als ich dann als Quereinsteigerin in der nüchternen Bürowelt landete, hatten Emotionen plötzlich keinen Raum mehr. Meist wurde alles auf sachlicher Ebene abgehandelt. Erlaubt war zwar, dass jemand cholerisch reagiert; eine menschliche Perspektive, Tränen oder Leidenschaft waren dagegen nicht gern gesehen, so mein Eindruck.

Als vor fünf, sechs Jahren eine junge Kollegin zu mir meinte: "Du bist zu emotional. Das untergräbt deine Autorität", hat mich das getroffen und ich habe mich gefragt, was diese Frau am Beginn ihrer Karriere schon so geprägt hat, dass das ihre Auffassung vom Berufsleben ist. Seither setze ich mich dafür ein, dass wir all unsere Emotionen und Leidenschaften als wertvoll wahrnehmen und nutzen.

Sie sprechen Choleriker an, Tränen. Das erzeugt Bilder. Wie sehr sind Emotionen in den Augen der Gesellschaft von Geschlecht geprägt? In meinem Buch gibt es das Kapitel "Warum Gefühle einen Gender Bias haben". Das zu schreiben ist mir am schwersten gefallen, weil ich diesen Bias, den es offensichtlich gibt, eben nicht noch unterstützen möchte. Studien belegen, dass Männer und Frauen gleich emotional sind. Auch wenn es eine soziale und gesellschaftliche Prägung von Emotionen gibt: Alle dürfen Zugang zu allen Emotionen haben.

Es kommt immer wieder vor, dass negativ konnotierte Emotionen und damit Konflikte negiert werden. Was macht dieses Streben nach vermeintlicher Harmonie mit Teams? Ich bin keine Freundin von toxischer Positivität. Alle Emotionen sind gleichwertig und wichtig. Versucht man, bestimmte zu unterdrücken, führt das dazu, dass das Empfinden als Ganzes nach unten gepegelt wird. Das ist ungesund.

Es ist wichtig, zu lernen, mit Emotionen wie Trauer und Wut umzugehen, empathische Diskussionen zu führen und auch einmal zu streiten. Stellen wir uns dem, erweitern wir die eigene Perspektive und sind in der Lage, bessere Lösungen zu finden. Der Zugang zu meiner Wut war für mich lange Zeit am schwierigsten. Wenn ich diese Wut bewusst wahrnehme und nutze, merke ich erst, war für eine Kraft für Entscheidungen und Projekte darin steckt.

Läuten junge Menschen mit ihrem Bedürfnis nach Sinn einen Generationenwechsel ein? Bei den Jüngeren sind das Bewusstsein von Emotionen und der Anspruch an Werte im Arbeitsalltag stärker ausgeprägt. Das wirkt sich auch auf die anderen Generationen aus. Zusätzlich hatte die Pandemie hier sicherlich einen positiven Effekt: Wir befanden uns hierarchisch auf einem Level - alle saßen im Homeoffice, niemand im schicken Eckbüro. Wir haben einander stärker als Menschen wahrgenommen, denn plötzlich hatten wir im wahrsten Sinne des Wortes Einblick ins Private. Damit fiel es uns auch schwerer, uns zu verstellen. Das hat mit Sicherheit die Empathie gestärkt.

Für Sie ist Emotional Leadership der Führungsstil der Zukunft. Was macht diesen so zukunftsträchtig? Unsere ausdifferenzierte Welt macht das Zwischenmenschliche komplexer - und damit auch Führung. Diversität ist schön, aber realistischerweise auch herausfordernd. Emotional Leadership ist ein Führungsstil, bei dem sich Führungskräfte menschlich und nicht allwissend zeigen, Fehler eingestehen und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf Augenhöhe begegnen. Als Führungskraft musst du nicht fachlich besser sein, sondern solltest vor allem Vertrauen in deine Mitarbeiter haben. Die Innovationskraft von emotionaler Intelligenz liegt darin, dass man sich empathisch in Mitarbeiter hineinversetzt.

Wie helfen Ihnen Ihre eigenen Erfahrungen von der Kinderpflegerin zur Führungskraft in Ihrer Position als Diversity-&-Inclusion-Managerin? Anfangs habe ich versucht zu verstecken, dass ich Quereinsteigerin bin und keinen Uniabschluss habe. Jetzt, in der Reflexion sehe ich die Stärken, die mein Weg mit sich bringt. Diese Perspektive hilft mir auch, unsere Unternehmenskultur bei Microsoft zu erweitern und unserer gesellschaftlichen Verantwortung nachzukommen.

Magdalena Rogl: "MitGefühl", EMF, 256 Seiten.