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Expat Center: Gut beraten von Anfang an

Wien ist bei Expatriates beliebt: 225 ausländische Unternehmen wurden dort 2021 neu gegründet, so viele wie selten zuvor. Wie man in der Wahlheimat gut ankommt.

Menschen aus 80 Nationen, die in Wien arbeiten oder sich niederlassen wollen, berät die Wirtschaftsagentur Wien.
Menschen aus 80 Nationen, die in Wien arbeiten oder sich niederlassen wollen, berät die Wirtschaftsagentur Wien.

Dušan Pavićist IT-Fachmann, gebürtiger Serbe und seit dem Studium Wahlwiener. "Menschen, die aus dem Ausland in die Stadt ziehen und hier leben und arbeiten wollen, müssen viele bürokratische Kniffe lernen. Wenn man noch nicht so gut Deutsch kann, ist es wirklich schwer, alles zu verstehen", erzählt er. Durch seinen Ankommensprozess gelotst hat ihn das Team im Expat Center der Wirtschaftsagentur Wien. Jedes Jahr berät diese Einrichtung in gut 2000 Gesprächen Zugezogene aus 80 Ländern, vor allem aus den USA, dem Vereinigten Königreich, Irland, Russland, Ungarn und Deutschland. Im ersten Halbjahr 2022 führte das Team bereits 1300 solcher Gespräche.

Gut ausgebildetes Personal ist in der IT-Branche begehrt. Auch die Forschung zieht viele ausländische Fachkräfte nach Wien, beobachtet Friedrich Bruckner vom Expat Center. Er ist einer der Expertinnen und Experten des Ausländerbeschäftigungsrechts: "Generell gibt es wohl keine Branche mehr, in der es keine Expats gibt." 225 ausländische Betriebe haben sich 2021 neu in Wien angesiedelt. Die zweitbeste Ansiedlungsbilanz der jüngeren Vergangenheit. Und das diversen Krisen zum Trotz. Internationale Organisationen wie UNO, OPEC, IAEO, OSZE und FRA sind ohnehin fixer Bestandteil der Stadt.

Beratung und Vermittlung von A bis Z

Pavićkonnte schon als Student in einem Wiener Unternehmen anheuern. Das Expat Center half ihm dabei, eine Studierendenaufenthaltsbewilligung zu erhalten. Seither schloss er nebenberuflich das Masterstudium erfolgreich ab, sammelte weitere Berufserfahrungen in Wien und plant jetzt den Schritt in die Selbstständigkeit. "Ohne die Unterstützung der Wirtschaftsagentur Wien wäre ich heute sicher noch nicht so weit, dass ich nach nur fünf Jahren in der Stadt mein eigenes Unternehmen gründen könnte. Ich wusste immer, dass ich hier absolut professionell und gut beraten werde - zum Teil sogar in meiner Muttersprache, was es mir noch leichter macht zu verstehen, welche Schritte ich setzen muss", sagt der Wahlwiener. Unterstützung holte er sich zu Themen wie Aufenthaltsrecht, Steuerfragen, Sozialversicherung.

Generell reichten die Themen von A wie Ankommen über B wie Bürokratie bis Z wie Zoologie, sagt Bruckner augenzwinkernd. ",Was ist dieser Hundeführerschein?', fragen uns viele." Wichtig: Das Expat Center ist eine Informationsdrehscheibe: "Wir sind keine Makler, keine Steuerberater, aber wir wissen, wie unsere Zielgruppe an die Informationen kommt, die sie braucht." Bruckner beobachtet, dass zunehmend Themen auftauchen, die vor zwölf Jahren, als das Expat Center gegründet wurde, nicht im Fokus standen: "Das Gros der Beratungen erfolgt in den ersten sechs Monaten. Aber immer mehr bleiben längerfristig in Wien, wollen ein Grundstück kaufen oder interessieren sich für eine Daueraufenthaltsberechtigung oder die Staatsbürgerschaft - sind also zumindest seit fünf Jahren in Österreich." Zuletzt ein großes Thema war der Brexit: "Da hat ein Referendum das Leben von Menschen durcheinandergebeutelt, die seit zwanzig Jahren in Wien leben."

Bild: SN/wirtschaftsagentur wien/karin hackl
Wer rechtzeitig plant und nach Hilfe fragt, spart sich viel Stress.
Friedrich Bruckner, Wirtschaftsagentur Wien, Expat Center

Über die Personalabteilung des entsendenden Unternehmens, Onlinerecherche, aber genauso über Expats wie Pavić, die bereits positive Erfahrungen mit der Agentur gemacht haben, werden umzugswillige Fachkräfte aus dem Ausland auf die Beratungseinrichtung aufmerksam. "Je früher, umso besser", betont Bruckner. "Denn wer für den Aufenthalt die Rot-Weiß-Rot-Card benötigt, muss spätestens drei Monate vor Arbeitsbeginn aktiv werden."

Studie: Expats stehen unter großem Stress

Generell könnten Unternehmen in Zukunft vor großen Herausforderungen stehen, wenn es darum geht, Stellen im Ausland zu besetzen. So das Fazit des Cigna 360 Global Well-Being Survey, bei dem unlängst knapp 12.000 Expats befragt wurden. Die Umfrage zeigt, dass der Stress im Ausland ein Allzeithoch erreicht hat und fast alle Befragten Symptome von Burn-out verspüren; 86 Prozent fühlen sich einsam. "Was wir häufig vergessen, ist, dass das gewachsene emotionale Sicherheitsnetz von zu Hause wegfällt: Die Familie, Freundschaften - das kann geradezu schockartig sein. Und wenn die Zeitzone eine andere ist, ist es gar nicht so einfach, jeden Abend mit der Familie zu telefonieren", berichtet Friedrich Bruckner von seinen Eindrücken.

Mit positiven Erlebnissen versucht das Team des Expat Center gegen die Vereinsamung zu arbeiten. "Mit dem Vienna Alpine Club auf den Berg zu steigen oder den Nationalfeiertag mit Menschen aus dem Heimatland zu feiern kann schon helfen." Außerdem gebe es Datenbanken mit Therapieangeboten in Fremdsprachen oder englischsprachige Selbsthilfegruppen, auf die er verweisen könne. Auch mit Internationally minded Locals bringt er Expats regelmäßig bei Veranstaltungen zusammen. "Vom Wiener Grant ist nicht viel zu spüren. Ansässige helfen von Mensch zu Mensch."

Tipps für den reibungslosen Start im fremden Land

Fürs gute Ankommen im fremden Land rät Bruckner: "Rechtzeitig zu planen anfangen, drei, vier Monate vorher, sonst startet man gleich mit einer Stresserfahrung. Die Familie der Schlüsselarbeitskraft mit ihren eigenen Herausforderungen nicht vergessen. Sich als Expat nicht in organisatorischen Dingen verlieren, sondern auch mit Spaß und Freude das Land kennenlernen und die Chance nutzen, sich selbst weiterzuentwickeln. Und ganz wichtig: sich nicht scheuen, Hilfe zu suchen."