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Diversity - in der Vielfalt liegt die Kraft

Ob Herkunft, Geschlecht oder sexuelle Orientierung - wir Menschen sind verschieden. Aktives Diversity-Management bringt Chancengleichheit.

Alles begann mit einem Jamaikaner in der Schweiz: Der Salzburger Personalvermittler Robert Kastner las von seinen erfolglosen Bewerbungsversuchen. Würde er eingeladen werden, wenn seine dunkle Hautfarbe nicht sofort am Foto sichtbar wäre? Das Gedankenspiel inspirierte Kastner. Er entwickelte eine Software, die statt der üblichen schriftlichen Bewerbung mit Lebenslauf und Bild unkomplizierte Online-Blind-Dates möglich macht. Das Ziel: Der gesamte Mensch soll beim ersten Eindruck im Mittelpunkt stehen, nicht ein Vorurteil etwa aufgrund von Hautfarbe.

Solche Vorurteile gibt es, auch wenn uns das nicht bewusst ist. Die Linzer Ökonomin Doris Weichselbaumer zeigte mit einer Studie, dass sich eine Frau mit Kopftuch viereinhalb Mal so oft bewerben muss, um überhaupt zum Gespräch eingeladen zu werden. "Vorurteile bewirken, dass Menschen weniger oft die Chance bekommen, zu zeigen, was sie können, nur weil sie zum Beispiel ein Kopftuch tragen oder einen ausländischen Namen haben", erklärt Monika Pink-Rank, Diversity-Expertin aus Salzburg. Vorurteile wie diese treffen aber nicht nur Menschen mit anderen ethnischen oder kulturellen Hintergründen, sondern auch Frauen, Personen mit Beeinträchtigung oder anderer sexueller Orientierung.

„Nur die Quotenfrau einstellen, das reicht nicht.“ Monika Pink-Rank, Diversity-Expertin
„Nur die Quotenfrau einstellen, das reicht nicht.“ Monika Pink-Rank, Diversity-Expertin

Es sei ganz normal, dass wir unbewusst gewissen stereotypen Denkmustern unterliegen, erklärt Pink-Rank. "Unconscious bias" heißt das Phänomen in der Fachsprache: "Als Mensch werde ich durch mein Umfeld auf bestimmte Weise geprägt, gleichzeitig beeinflussen mich zum Beispiel Medien. Ich kann also keine vollkommen unvoreingenommene Entscheidung treffen. Unser Gehirn muss die vielen Eindrücke, die auf uns einprasseln, in Schubladen packen, damit wir schnell Entscheidungen treffen können."

Sind wir unserer Natur damit ausgeliefert? Mitnichten. Genau hier setzt Pink-Rank an, wenn sie Firmen berät: Sie sensibilisiert und schafft Bewusstsein. Dann findet sie blinde Flecken und Denkmuster in Unternehmen, zeigt Führungskräften Chancen auf: "Diverse Teams sind resilienter, innovativer und finden bessere Lösungen. Das wirkt sich wiederum auf die Motivation und die Effizienz aus. Die Krankenstände werden weniger und als Arbeitgeber zieht man Talente an, die man vorher nicht angesprochen hat", so Pink-Rank, die Firmen unterstützt, damit sie sich diese Vorteile zunutze machen können. Seit 2018 ist Eveline Breitwieser-Wunderl bei der Porsche-Holding dezidiert für das Diversity-Management im Konzern zuständig.

Arbeitsplätze, die sich an Lebensphasen orientieren

Nach ihrer Karenz hat sie die neu geschaffene Stelle in Teilzeit übernommen. Breitwieser-Wunderl legt Wert darauf, dass sich Arbeitsplätze an den Lebensphasen der Menschen orientieren: "Wenn man Kinder hat oder Angehörige pflegt, dann braucht man einfach andere Rahmenbedingungen." Auf ihrer Agenda stehen deshalb Themen wie Vereinbarkeit, systematisches Karenzmanagement, Jobsharing oder mobiles Arbeiten ganz oben. Eines ihrer ersten Projekte war die Gründung des Betriebskindergartens 2019, der 2021 auf die doppelte Größe ausgebaut wurde. Der Talentepool wird so für die Porsche-Holding größer: "Wenn wir heute für eine Stelle keine Bewerberinnen haben, dann hinterfragen wir aktiv, warum das so ist", so Breitwieser-Wunderl. Begonnen hat alles bereits 2015 mit einer gezielten Förderung von Frauen, wobei Breitwieser-Wunderl das Wort "Frauenförderung" nicht mag: "Was zählt, ist, wie viele Stellen mit Frauen besetzt werden, und nicht, wie viele Förderprogramme angeboten werden." So ist mittlerweile das Führungsteam von VW PKW Österreich überwiegend in weiblicher Hand.

Führung soll auch in Teilzeit gelingen

Auch bei der Salzburg AG steht die Frau im Fokus. Der Auftrag dazu kommt von ganz "oben". Seit Anfang des Jahres ist die Physikerin Brigitte Bach im Vorstand. Dazu werde unter anderem aktiv an Frauennetzwerken gearbeitet. "Heuer haben wir es bereits geschafft, ein komplett neues Karenzmanagement einzuführen. Wir möchten, dass Führung in Teilzeit gelingt, und mehr Frauen für Technik begeistern", bestätigt Maria Ziller, die die HR-Agenden der Salzburg AG verantwortet. Eine gewisse Frauenquote sei dabei wichtig, um gesteckte Ziele zu erreichen.

Dass solche Quoten auch kritisch gesehen werden, weiß Diversity-Expertin Pink-Rank. Dennoch wirken sie, nach innen und außen: "Studien zu Frauenquoten haben gezeigt, dass unterqualifizierte Frauen dadurch nicht favorisiert werden. Allerdings verhindern sie, dass unterqualifizierte Männer bevorzugt werden." Seit drei Jahren kümmert sich Nicole Steger bei Ikea Austria um Diversity & Inclusion. Mittlerweile packen vier Damen beim Thema aktiv an, um die Vielfalt der Gesellschaft beim schwedischen Möbelriesen widerzuspiegeln. Alle vier arbeiten in Teilzeit.

Ein besonderer Schwerpunkt liege bei der Frage nach der eigenen Identität, erzählt Steger: "Ob Menschen sich als Frau oder Mann wahrnehmen, homo- oder heterosexuell sind, aus Österreich oder anderswoher sind, uns ist wichtig, dass wir die Menschen nehmen, wie sie sind. So können sie ihre kreative Kraft in der Arbeit viel besser entfalten." Gendersensible Sprache sei dabei ein wirkmächtiges Werkzeug, weil sie Denkweisen verändern und unangenehme Situationen verhindern könne: "Zum Beispiel dann, wenn schon in der E-Mail-Signatur klar ist, wie eine Person angesprochen werden will."

Foto eines hellhäutigen Mannes war erfolgreicher

Der Jamaikaner soll sein Foto in der Bewerbung übrigens durch das Bild eines hellhäutigen Mannes ersetzt haben. 17 von 20 Firmen hätten ihn dann zu Gesprächen eingeladen. Ob er heute, so wie er ist, wohl bessere Chancen hätte? "Ja, bei vielen Unternehmen hat sich etwas verändert. Der Fachkräftemangel bringt sicher ein Umdenken", glaubt Robert Kastner. Seine Jobplattform für Online-Blind-Dates stellte er allerdings wieder ein: "Ich war mit dieser Idee meiner Zeit bestimmt voraus."