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Der neue Wert der Arbeit

Junge, gut ausgebildete Leute nehmen heute nicht mehr jeden Job an. Sie denken lieber daran, die Work-Life-Balance zu verbessern oder nebenbei ihr eigenes Projekt zu verwirklichen.

Die 30-jährige Verena Präauer orientiert sich gerade um und arbeitet derzeit weniger.
Die 30-jährige Verena Präauer orientiert sich gerade um und arbeitet derzeit weniger.

Jahrelang hat sich Verena Präauer in der Gastronomie verwirklicht, und zwar sehr gerne, wie sie betont. "Nach dem Abschluss der Modeschule konnte ich da nicht wirklich Fuß fassen, war im Verkauf und habe festgestellt, dass das halt gar nicht meines ist", erzählt sie. So landete sie im Service, hat nebenbei die Hotel- und Gastgewerbeausbildung abgeschlossen und ging auf Saison. "Das kam mir damals für ein paar Jahre sehr entgegen, weil ich dazwischen viel reisen konnte."

Später entschied sie sich für eine Ganzjahresstelle in Berchtesgaden. "Das war eine tolle Erfahrung, bald übernahm ich die Restaurantleitung und habe sehr viel gelernt." Um ihre Fähigkeiten in Personalführung und -motivation zu verbessern, hat sie eine Ausbildung zur Mentaltrainerin angeschlossen. "Da habe ich gesehen, dass mir so etwas viel mehr zusagt und ich mich lieber in diese Richtung weiterentwickeln wollte."

Entgegenkommende Dienstgeber und die Coronapandemie taten ihr Übriges, dass sie sich für eine auf drei Jahre gesplittete Bildungskarenz bis März 2023 entschied. "Ich habe die Arbeit im Restaurant auf drei Tage pro Woche reduziert und die Leitung abgegeben. So kann ich mich einerseits meiner Ausbildung zur Lebens- und Sozialberaterin widmen und bin andererseits finanziell halbwegs abgesichert." Vor allem fasste sie den Entschluss, sich anschließend selbstständig zu machen.

"Ich habe die Arbeitszeit reduziert"

Inzwischen hat sie ein Programm für "Retreats" (engl.: Rückzug) entwickelt - so wird eine geplante spirituelle Ruhepause oder ein Rückzug von der gewohnten Umgebung definiert. Ihre Schwester hat in St. Johann i. P. eine gut ausgestattete Chalethütte gebaut, die sie jeweils für vier Tage mietet. "Das ist ein hervorragender Rückzugsort, wundervoll oben am Berg gelegen, mit viel Natur und wenigen Menschen rundherum. Ich lege für die Teilnehmer und Teilnehmerinnen hier den Fokus auf Batterienaufladen, Herunter- und Zur- Ruhe-Kommen." In Zukunft plant sie auch Ein-Tages-Retreats. Schon jetzt führt sie im Praxisteil der Ausbildung Beratungen durch.

Geld allein ist nicht alles - Freizeit und Selbstverwirklichung zählt für die Jüngeren

Gehalt ist nicht mehr allein das Kriterium, einen Job anzunehmenDie 30-jährige Salzburgerin ist mit ihren Plänen ein typisches Beispiel für eine ganze Generation von jungen, gut ausgebildeten Leuten, wie diese heute ihre Berufskarriere anlegt. Gehalt zählt zwar, ist aber nicht mehr allein das ausschlaggebende Kriterium, um sich für eine ausgeschriebene Stelle zu entscheiden. Das bestätigt AMS-Vorstand Johannes Kopf, der für 2022 ein kräftiges Wirtschaftswachstum von etwa fünf Prozent erwartet: "Der Arbeitsmarkt hat sich von einem Arbeitgeber- zu einem Arbeitnehmermarkt entwickelt." Rosige Aussichten für Dienstnehmer also? "Zumindest für die gut Qualifizierten, 2022 wird das Jahr der Arbeitnehmer", prognostiziert er.

"Je qualifizierter die Personen, desto schwieriger die Suche."
Johanna Iraschek, HR-Team-Leader, KTM

Aussichten, die schon seit geraumer Zeit eine ganze Reihe von Branchen spürt, nicht nur die Gastronomie. "Grundsätzlich haben aktuell Betriebe wie wir Schwierigkeiten, geeignetes Personal zu finden. Viele konkurrenzieren sich um die Besten und ein Lockmittel ist sicher die Entlohnung", berichtet Johanna Iraschek, Teamleiterin Personal-Recruiting bei KTM in Mattighofen. "Bewerber und Bewerberinnen wären ja unklug, wenn sie nicht das Beste für sich herausholen würden. Aber das Geld allein zählt nicht, für die jüngere Generation sind auch die Freizeit beziehungsweise die Selbstverwirklichung ein Thema. Sie gestalten ihr Privatleben rund um den Job", stellt sie fest. Etliche arbeiten lieber nur 30 Stunden pro Woche, weil ihnen der Lohn ausreichend erscheint, und verfolgen daneben ihre eigenen Interessen. "Wobei KTM den Mitarbeitern zahlreiche Möglichkeiten bietet, sich weiterzubilden und auf diese Weise ihre Karriereplanung im Betrieb voranzutreiben." Insgesamt 370 Stellen hat KTM im Vorjahr neu besetzt sowie 120 interne Veränderungen organisiert. "Zusätzlich bilden wir 180 Lehrlinge in 14 Lehrberufen aus, wovon etwa 30 jährlich fix übernommen werden."

Hohe Lebensqualität durch Umgebung

Den höchsten Personalbedarf hat KTM im Entwicklungszentrum, in der Forschung für Electrics, Electronics und E-Mobilität sowie in der IT. "Je höher qualifizierte Personen wir in diesen Bereichen brauchen, desto schwieriger die Suche. Es gibt nicht so viele Leute am Arbeitsmarkt, die über derart spezielles Wissen verfügen. Da müssen wir unsere Fühler oft sehr weit ausstrecken. Mattighofen ist nicht das Zentrum der Welt, andererseits können wir enorm hohe Lebensqualität bieten mit der Nähe zur Stadt Salzburg oder den attraktiven Wohngegenden im Seengebiet", betont die Personalerin. "Unsere sehr flexible Arbeitszeitgestaltung kommt überdies den Pendlern zugute, falls sie nicht übersiedeln wollen."