Arbeitswelt

Beeinträchtigung und Inklusion: Per Zoom sind alle gleich

Inklusion zu Hause. Auch im Homeoffice ist Inklusion möglich. Unternehmen, die Inklusion betreiben, kommen besser durch die Krise als andere.

Mit 32 Jahren ist Christian Keimel nach einem Motorradunfall im Krankenhaus aufgewacht, querschnittgelähmt vom zwölften Brustwirbel abwärts. Von nun an ist er an einen Rollstuhl angewiesen. Eine seiner größten Sorgen ist, dass er seinen Arbeitsplatz verlieren wird. Der Arbeitgeber, die Firma Microsoft Austria, reagiert schnell. Noch im Krankenhaus bekommt Keimel die Nachricht, dass er seinen Job behalten kann, einen Monat nach seiner Rückkehr erhält er ein umgebautes Firmenauto, mit dem Arbeitsmediziner findet eine Bürobegehung statt. Es wird geklärt, ob die Teppiche Probleme für den Rollstuhl sind und ob die Schreibtische höhenverstellbar sein müssen. Keimel ist mittlerweile 41 und immer noch für Microsoft tätig. Seine Position hat er bisher zwei Mal gewechselt, aber nicht aufgrund seiner Einschränkung, sondern aus karrieretechnischen Gründen.

Nicht überall funktioniert Inklusion so einfach.

Anlaufstellen in ganz Österreich informieren

"Große Unternehmen haben deutlich bessere Rahmenbedingungen, die entsprechenden Arbeitsplätze zu schaffen", sagt Marc Nellen vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales in Deutschland bei einer Konferenz zum Thema Inklusion und Corona.

Die Politik will deshalb die Kommunikation zwischen Arbeitgebern und Behörden vereinfachen. In Österreich ist in jedem Bundesland eine Anlaufstelle geschaffen worden, die Unternehmen über Förderungen berät. Kosten für eine spezielle Arbeitsplatzausstattung, für einen Dolmetscher oder einen Blindenhund werden vom Staat übernommen. 250 Millionen Euro wurden dafür im Jahr 2021 angesetzt. Eine Steigerung von rund elf Prozent zum Vorjahr.

Auch Florian Zapf, 21 Jahre alt, kam eine solche Förderung zugute. Er hat eine Augenerkrankung und braucht daher eine spezielle Software auf seinem Computer, die die Darstellung vergrößert. Die Software, zwei Monitore und ein Kamerasystem, das Unterlagen vergrößern kann, kosten 13.000 Euro. Eine Investition, die sich nicht jedes Unternehmen leisten kann. Die Kosten hat die Porzellanfabrik Hermsdorf, bei der Florian Zapf eine Ausbildung zum Industriekaufmann macht, von der deutschen Agentur für Arbeit erstattet bekommen.

Nur 60% der Stellen für Menschen mit Beeinträchtigung besetzt

Der erhöhte Aufwand bei der Beschäftigung von beeinträchtigten Menschen schreckt viele Unternehmen ab. Viele bemängeln den hohen bürokratischen Aufwand und zahlen lieber die gesetzlich festgelegte Ausgleichstaxe. Rund 100.000 Stellen müssen in Österreich eigentlich von Menschen mit Beeinträchtigung besetzt werden. 2019 wurden nur 60 Prozent der Stellen besetzt, teilt Alexander Miklautz vom österreichischen Sozialministerium mit. Von rund 21.000 Dienstgebern haben rund 4600 Menschen mit Beeinträchtigungen eingestellt, 16.300 zahlten die Ausgleichstaxe. Zu viele, findet die Politik. "Es gibt tolle Unterstützungsmaßnahmen in Österreich, es ist nur schade, wenn niemand davon weiß", sagt Miklautz. Auch deshalb wurde mit dem Netzwerk für berufliche Assistenz ein spezielles Beratungsangebot für Unternehmen entwickelt.

Es gebe viele Barrieren in den Köpfen der Menschen, die durch Unwissenheit entstanden seien, sagt Christian Schinko, Head of Disability Management bei der UniCredit Bank Austria. "Wenn man die richtigen Bedingungen schafft, haben Menschen mit Behinderung dieselbe Leistungsfähigkeit wie Menschen ohne eine Beeinträchtigung." Bei Florian Zapf ist es so. Mit der notwendigen Software kann der 21-Jährige trotz seiner Sehschwäche gut arbeiten. Er ist der Meinung, dass es auch Vorteile hat, Menschen mit Behinderung einzustellen. "Ich kann nur für mich sprechen, ich bin sehr zielstrebig, weil ich den Job wesentlich mehr zu schätzen weiß und dankbar dafür bin, ihn machen zu dürfen." Viele Menschen seien froh, in einem normalen Job arbeiten zu können und nicht in die Werkstätten abgeschoben zu werden. Sobald man in einer Behindertenwerkstatt sei, komme man nicht mehr so leicht raus, sagt Zapf. "Dabei sind viele zu viel mehr fähig und könnten auf dem Arbeitsmarkt genauso eine Rolle spielen."

Corona und Inklusion

Durch die zunehmende Digitalisierung, auch durch das coronabedingte Homeoffice, verblassen die Unterschiede. Ob jemand das Meeting per Untertitel verfolgt oder per Bluetooth über Hörgeräte zuhört, ist nicht mehr erkennbar. "Bei einem Zoom-Meeting werde ich nicht mehr als Rollstuhlfahrer wahrgenommen", sagt Christian Keimel. Für ihn ist das in gewisser Weise eine Erleichterung, weil soziale Faktoren keine so große Rolle mehr spielen.

Bild: SN/chriatian keimel
Durch das Setting begegnet man sich auf Augenhöhe.
Christian Keimel, Customer Success Manager

Bei der Konferenz "Corona und Inklusion", berichten Teilnehmer Ähnliches. "Ich muss mir nicht mehr überlegen, wie ich Unsicherheiten von Kollegen managen kann, sondern kann mich ganz auf die Inhalte konzentrieren." Ein junger Student sieht die Vorteile, die das Homeoffice gebracht hat, ebenfalls. Seine Vorlesungen kann er nun gemütlich vom Wohnzimmer aus verfolgen, früher musste er einen persönlichen Assistenten organisieren, um an die Uni zu kommen.

Nicht alle sind aber vom Wechsel in die digitale Welt begeistert. Gerade Blinde hätten im Homeoffice Schwierigkeiten, sagt Julia Moser vom Sozialunternehmen myAbility: "Wir sind alle sehr individuell, es ist wichtig, Menschen nicht in eine bestimmte Schublade zu stecken." Ein Ergebnis aus der Konferenz: Es habe sich gezeigt, dass Unternehmen, die auf Inklusion setzen, besser durch die Krise kommen. Auch wenn Corona für Menschen mit Behinderung alles andere als einfach ist - Masken verdecken den Gesichtsausdruck, den gehörlose Menschen brauchen, eine Ansteckung ist risikoreicher -, so kommen Unternehmen, die Inklusion betreiben, besser mit Veränderungen zurecht. Wer solche Konzepte in der Schublade habe, habe einen Wettbewerbsvorteil.

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