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Aus Liebe zum Wald

Der Klimawandel stellt die Forstwirtschaft vor neue Aufgaben. Welche das sind, wissen Forstfacharbeiter. Für Alexander Hengstschläger eine Ausbildung mit Sinn.

Ein Arbeitsplatz in der Natur.
Ein Arbeitsplatz in der Natur.
Alexander Hengstschläger mit Insektenhotels.
Alexander Hengstschläger mit Insektenhotels.
Gerade beim Hantieren mit der Motorsäge ist Vorsicht geboten.
Gerade beim Hantieren mit der Motorsäge ist Vorsicht geboten.

Die Nebelschwaden hängen tief über dem Stubachtal. Es herbstelt unverkennbar. Alexander Hengstschläger zieht den Reißverschluss an seiner Funktionsjacke noch ein Stückchen höher und die graue Haube tiefer in die Stirn. "Es gibt kein schlechtes Wetter, wenn man die richtige Kleidung hat", ist er überzeugt. Und er ist einer, der es wissen muss. Der 28-Jährige ist im dritten Lehrjahr zum Forstfacharbeiter, einer von 21 Lehrlingen in ganz Österreich. Seine Tage verbringt er draußen. Bei jedem "Sauwetter" und auch bei brütender Hitze.

Forstfacharbeiter arbeiten im Rhythmus der Natur

Im Sommer trifft sich Hengstschläger mit seinen Kollegen um 7 Uhr an der Arbeiterhütte bei Uttendorf, im Winter um 7.30 Uhr. Dann geht es ab ins Gelände. "Wir sind die meiste Zeit querfeldein unterwegs. Ich bin Bergsteiger, Ausbildungsleiter bei der Bergrettung, aber das ist noch einmal etwas ganz anderes. Wenn du das nicht gewohnt bist, schlaucht das schnell. Und ohne Konzentration und Orientierungsvermögen kommst du nicht weit", sagt er. Immerhin ist das Revier Stubach mit seinen zehn Hektar das größte Forstrevier der Österreichischen Bundesforste im Pinzgau. Neben Schutz- und Wirtschaftswäldern umfasst es alpines Ödland, Gletscherflächen, Skigebiete und Radstrecken. Am liebsten ist Hengstschläger mit dem Kompass unterwegs, nur im Notfall greift er aufs GPS zurück. Nichtsdestotrotz hat die Digitalisierung bei den Bundesforsten Einzug gehalten. Mit einem Tablet fotografieren und dokumentieren die Forstfacharbeiter, was ihnen bei ihren Touren unterkommt: Setzlinge und Jungpflanzen, die es vor Wild zu schützen gilt, Käferbefall, Grenzsteine. Auch die Karten des Gebiets sind hier abgespeichert: Die gelben Flecken markieren, wo die jüngsten Bäume stehen, die grauen zeigen jene Bäume, die mehr als 100 Jahre alt sind.

Ausdauer, Fitness, eigenständiges Denken

Ein Arbeitsplatz in der Natur - oft auch im steilen Gelände - erfordert Ausdauer und Fitness. Eigenständiges Denken ist gefragt. "Wenn wir im Wald unterwegs sind, sind wir auf uns selbst gestellt." Gerade beim Hantieren mit der Motorsäge ist Vorsicht geboten. Hengstschläger streift dann die Schnittschutzhose über und den Forsthelm in Rot und Signalgelb, passend zu seiner Jacke mit dem Betriebs-Logo auf der Brust. Kommt die Säge in Kontakt mit der Hose, verfängt sich die Kette in den Fasern der Schnittschutzschicht. Die Motorsäge stoppt.

"Mein Talente liegt im Handwerk, im Arbeiten", sagt Hengstschläger. Körperliche Strapazen ist er gewöhnt. Er war acht Jahre beim Militär, brachte es zum Heeresbergführer. Was ihm im alten Job fehlte? "Der Sinn." Den sieht er hier: "Andere trennen Müll, ich kann hier aktiv etwas für die Umwelt tun und mitgestalten." Die Arbeit ist schwer, das gibt er zu. Warum er sie trotzdem liebt? "Es macht mir einfach Freude. Ich mag die Abwechslung und dass ich an der frischen Luft sein kann." Und der Ausblick entschädigt allemal: Hengstschlägers Arbeitsplatz sind beeindruckende Fichtenwälder, in höheren Lagen auch Lärche und Zirbe und der schöne Laubmischwald am Taleingang. "Für meinen Beruf braucht es die Liebe zum Wald - und Höhenangst sollte man nicht unbedingt haben", schmunzelt er.

„Andere trennen Müll, ich kann hier aktiv etwas für die Umwelt tun.“
Alexander Hengstschläger, Forstfacharbeiterlehrling

Der Chef im Revier Stubach ist Wolfgang Jagersberger. "Durch den Klimawandel ergeben sich ganz neue Anforderungen an die Forstwirtschaft", erklärt er. "Es wird immer wichtiger, Bäume zu pflanzen, die dem Klimawandel gewachsen sind." Vom klassischen Wirtschaftswald habe sich das Unternehmen längst verabschiedet, vielmehr setze man auf stabile Mischwälder, die sich langfristig als widerstandsfähig gegen Starkregen, Stürme und Hagel erweisen sollten. "Man hat es bei den Muren-Abgängen im Sommer gesehen: Nackte Hügel können Regenmassen nicht halten. Aber der Wald speichert das Wasser und gibt es langsam wieder ab." "Geht's dem Wald gut, geht's uns allen gut", nickt Hengstschläger zustimmend. Ein weiteres Ziel: die Vielfalt an Arten und Lebensräumen erhalten, sagt Jagersberger und deutet auf die toten Ulmen, die am Hang gegenüber in den Nebel ragen: "Die fällen wir nicht. Das sind beliebte Brutplätze."

Neuer Bepflanzungsplan alle 10 Jahre

Noch sind 70 bis 80 Prozent der Bäume, die im Revier stehen, Fichten. Flachwurzler, die bei Stürmen besonders gefährdet sind. "Außerdem ziehen sie Borkenkäfer an", weiß der Revierleiter. Das soll sich ändern. Alle zehn Jahre erstellt er einen neuen Bepflanzungsplan. Im Frühjahr rücken dann die Forstfacharbeiter mit hölzernen Kraxen auf dem Rücken aus, um Lärchen-, Tannen-, Bergahorn- und Ulmen-Setzlinge im hochalpinen Gelände zu pflanzen. 300 bis 400 können das an manchen Tagen pro Person sein, 30 bis 50 Zentimeter hohe Bäumchen, gezüchtet aus Samen aus der Region. "Das ist wichtig, denn bei Gebirgsfichten beispielsweise wachsen die Äste leicht nach unten. So halten sie dem Schnee besser stand." Jede Baumart hat ihre besonderen Anforderungen. Welche das sind, lernen die Forstarbeiterlehrlinge beim Tun - und neun Wochen pro Lehrjahr in der Berufsschule Rotholz in Tirol. Auf dem Lehrplan stehen Waldbau, Waldpflege und Forstschutz ebenso wie Holzernte, Holzbringung oder Bau- und Maschinenkunde.

Im Sommer pflegen Hengstschläger und seine Kollegen die Pflanzen, spritzen sie gegen Wild, kontrollieren den Wald auf Käferbefall, halten Grenzen und Wege instand. Im Herbst und Winter stehen Holzernte und -bringung auf der Agenda. "Man kann nicht jede Arbeit zukaufen", ist Revierleiter Jagersberger überzeugt. Er setzt nicht nur im Wald auf Verjüngung, sondern auch in seiner Mannschaft. "Es ist wichtig, dass wir eigene Leute haben, die hinter dem Betrieb stehen."

Wenn Alexander Hengstschläger seine Lehre im kommenden September abgeschlossen hat, geht es für ihn in ein anderes Revier, näher an seinem Wohnort. "Aber das schönste Forstrevier habe ich schon kennengelernt", ist er überzeugt.